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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (29)

Endlich Sommer oder das Leben und der Tod

 

Bei sehr interessantem, weil abwechslungsreichem Wetter gehen wir schöne Wege durch sattgrüne Felder, Wiesen und Wälder, momentan rings um Rechenberg (Erzgebirge) herum. Der Himmel strahlt blau, kleine weiße Wolken bewegen sich ohne Eile. Dann plötzlich: Wind kommt auf, die Wolken werden hektisch. Ist auch klar, denn die kleinen Weißen werden von einer großen Dunklen ganz plötzlich gejagt. Das Ergebnis ist ein Wolkenbruch, aber auch der ist nur kurz. Danach nieselt es ein wenig unentschlossen, der Wind legt sich. Und die Sonne kommt wieder raus. Mehrere solche Zyklen durchlaufen wir an diesem Samstag; Kapuze auf, Kapuze ab - Jacke aus, Jacke an.

 

Nicht schlimm. Das Schöne am bisherigen Wetter mit seiner Kühle und dem Regen ist das Ergebnis: frische, fette grüne Natur. Bäume, Büsche, Blumen und Kräuter sehen gut aus - nicht so ausgedörrt und matt wie nach längerer Hitze, die auch schon im April/Mai kommen kann. Und weil es so offensichtlich allen Pflanzen und Tieren ringsherum wohl ergeht, da sind wir auch bestens  gelaunt.

 

 

Holzhau: Den Schanzenweg gehts hoch zum Kräuterpfad.
Holzhau: Den Schanzenweg gehts hoch zum Kräuterpfad.

 

Während wir über den Kräuterpfad und andere schöne Wege in Rechenberg-Bienenmühles Umgebung gehen, entspinnt sich folgendes Gespräch zwischen dem Maulwurf und mir:

 

 

Yvonne (zerrt sich die Kapuze vom Kopf): "Nu guck' Dir das an, wie auf einmal wieder die Sonne scheint. Das reinste Aprilwetter heute...."

Maulwurf (lugt vorsichtig aus der Tasche, kommt heraus, streckt sich): "Tatsächlich, haach, wie schön warm es gleich wieder wird. Ich freu' mich schon so sehr auf den Sommer...."

Yvonne: "Ja, ich mich auch. Aber wochenlange Hitze und Dürre brauch' ich eigentlich nicht. Mir gefällt das Wetter so ganz gut, und Sommer ist ja trotzdem gleich ...."

Maulwurf (ungeduldig): "Na ja, aber ich will baden, stehpaddeln, Boot fahren, im Garten grillen, durch die Sommerwiese rennen, tauchen und Fische beobachten, den Sonnenaufgang sehen, in die Somsdorfer Klamm klettern, am Wasser sitzen und mir Geschichten ausdenken, große Eisbecher essen, nachts Krimi gucken und andauernd neue Abenteuer erleben. Und das nicht alles bei 12 Grad und Nieselregen.... "

Yvonne (lacht und nickt): "Ja, da bin ich bei allem dabei, versprochen. Das Wetter wird eh, wie es will - wir machen das Beste draus."

Maulwurf (hüpft aufgeregt auf der Wiese entlang): "Ganz genau. Wir sind ja auch keine Warmduscherluschen, die zum Baden 25 °C Wassertemperatur brauchen."

Yvonne: "Nee, zum Glück, aber denk' dran: jeder, wie er mag .... Achtung, pass auf, ein Wassergraben!"

Maulwurf (bleibt stehen, lässt sich über den Minibach heben, geht weiter): "Danke, wär' ich doch fast reingefallen."

Yvonne: "Immer gucken, wo Du hinläufst. Und dran denken, was danach kommen könnte. Du weißt, 'auf Sicht fahren' klappt nur bedingt.....

Maulwurf: "Ich weiß schon, vor allem, wenn man mit so einer speziellen Bremse geschlagen - äh, ich meine, dankenswerterweise ausgerüstet ist."

Yvonne: "Verstehe, was Du mir sagen willst. Aber ich schlage vor, wir wechseln das Thema. Angebliche und tatsächliche Bremswirkungen verderben mir im Moment immer die Laune."

Maulwurf: "OK, dann eben was garantiert bremsenfreies: Wann gehn wir wieder in meine geliebte Eis-Oase?"

Yvonne: "Sehr bald, mein Lieber, verlass Dich drauf."

Maulwurf (schwelgt genießerisch): "Hmmmm, da sitze ich dann auf meinem Lieblingsplatz gleich rechts vor der großen Sandinsel und esse - Moskauer Sahneeis mit einer Kugel Black Mamba und Kiwisoße!!! Mir läuft jetzt schon das Wasser im Mund zusammen...."

Yvonne (schmunzelt): "Jaaaa, Deine Kreation ist unwiderstehlich, für mich bitte noch ein paar schwarze Johannisbeeren. Und natürlich Kaffee! Und eine Kugel After-Eight-Eis extra!"

Maulwurf (schüttelt sich): "Huhuuuu. Pfefferminz und Schoko und Eis! Wie gruselig. Aber gut, jeder, wie er will. Schließlich bin ich ein toleranter, aufgeklärter, nichtextremistischer und weltoffener Maulwurf und kein Taliban. Apropos Kaffee? Wollen wir eine Pause einlegen und einen Schluck aus der Pulle trinken?"

Yvonne: "Klar, müssen wir uns nur einen trockenen Platz suchen und dann kann's losgehen."

 

 

Den trockenen Platz finden wir tatsächlich an der Rechenberger Kirche. So sitzen wir unter einer kleinen Überdachung auf dem alten Friedhof und trinken Kaffee. Wir finden das nicht pietätlos, verhalten uns ruhig und respektvoll. Hätte von den Umliegenden sicher kaum einer was dagegen, dass wir hier im angemessenen Abstand sitzen und ein Käffchen genießen. So gucken wir durch den Regenschleier höflich auf die schön bepflanzten Grabstellen - es ist schon Stiefmütterchen-Zeit - und freuen uns, dass wir noch leben. Weiß man schließlich nie, wie lange das gut geht. 

 

Wir beenden unsere Pause und gucken uns die Kriegsgräber an, die es hier auch gibt. Nicht viele, eine kleine Ecke nur. Aber für doch so viele Männer, die schon zu zeitig ihr Leben hergeben mussten. Unten, wo der Aufstieg zum Friedhof beginnt, steht ein Kriegerdenkmal.

 

***

 

Yvonne: "Mann, bin ich froh, dass ich jetzt hier stehe und nicht unter der Erde liege."

Maulwurf (leicht giftig): "Was gibt es an 'unter der Erde' denn schon wieder zu bemäkeln, hä?"

Yvonne (beruhigend): "Na, für Dich als Maulwurf nicht, aber für die meisten andern Lebewesen ist das das Ende. Der Tod."

Maulwurf (betroffen): "Stimmt, entschuldige - daran hab' ich jetzt so nicht gedacht. (Er streichelt mit seiner kleinen Pfote meine Hand und guckt mich etwas skeptisch an.) "Du wirst Dich aber noch nicht so bald davonmachen, stimmt's?"

Yvonne (lächelt): "Ich habe es nicht vor, nein. Aber wie Du weißt, bestimmen wir das nicht selber."

Maulwurf: "Ja, ich weiß. (Seufzt tief und schüttelt sich dann ein paar Regentropfen aus dem Fell.) "Jetzt aber: ein Klassiker ?! Was sagst Du?"

Yvonne: "Natürlich, ja."

Maulwurf: "Na dann, pass mal auf. Heute hab ich schwere Kost, was vom Dichter Friedrich Hebbel:"

 

"Durchbohrt mir erst mein Herz, dann sprecht: Er hat ja keins."

 

***

 

Ich weiß genau, wie Pawel das meint.

 

Ein Dichterwort, passend (auch) in diese Zeit. Wo Menschen mit verschiedenen Meinungen einander hassen und zur Verständigung scheinbar nicht mehr in der Lage sind. Worum es dabei oft geht in diesen Monaten? Um ein Virus, was es anrichtet oder auch nicht. Um politische Haltungen. Um uns alle, wie wir uns verhalten, miteinander umgehen. Ob wir meinen, immer die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben und andere kraft dieser Wassersuppe verurteilen zu dürfen. Oder ob wir auch mal ein gegensätzliches Argument gelten lassen, ernsthaft zuhören und es ernst nehmen. Jedenfalls nicht vergessen: nachzudenken und Dinge zu hinterfragen - das ist eine Tugend und lebensnotwendig für die Demokratie. Nicht aber, über alles zu meckern und andere mit der eigenen Besserwisserei und Alternativlosigkeit zu belästigen.

 

Schließlich steht auf den Rechenberger Glocken: "Ora et labora in pace." (Bete und arbeite in Frieden.) und nicht "Rege Dich über jeden Mist auf." Das wäre dann: "Adepto perturbatus super omnem crap." Na bitte.

 

Da das auch für mich gilt, höre ich jetzt auf.

 

***

 

Meckert nicht: Pawel
Meckert nicht: Pawel

 

Aber in einer ganz anderen Sache sind wir uns sicher einig: Rechenberg-Bienenmühle und Holzhau sind immer eine Reise wert, bestens erreichbar mit der Freiberger Eisenbahn. Bald wird auch das Schalander der berühmten Rechenberger Brauerei, die gleich unterhalb der Kirche liegt, wieder geöffnet sein. Dann kannst Du mal ein Rechenberger Kellerbier trinken - ein echter Genuss.

 

 

Oder Kaffee, falls Dir das lieber ist.