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(Un)worte der Jahre

Oder: Was ist eigentlich ein Vollholler?

www.twitter.com / @IrenaBuzarewicz
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Jedes Jahr werden in verschiedenen Ländern und Sprachregionen Worte und Unworte des Jahres gewählt.

 

Für deutsche Worte gibt es deutsche, österreichische, schweizer, liechtensteiner, südtiroler, sächsische, fränkische Auswahlverfahren. Und dann noch die sogenannte Jugendsprache.

 

Kürzlich bin ich über ein Wort gestolpert und wusste nicht, was es ist: Vollholler.

 

Ich weiß, dass die Österreicher mit Holler den Hollunder meinen. Aber Vollhollunder? Konnte ich nicht glauben. Ich guckte nach und wurde schlauer. Vollholler heißt: totaler Schwachsinn. So wie bei Vollidiot ist es die Steigerungsform des jeweiligen Wortes ohne "Voll-". Aber nicht nur bedeutet Vollholler Vollschwachsinn, sondern dieser Vollholler wurde auch noch Wort des Jahres 2017. In Österreich. Warum die Österreicher den schönen Hollunder als Schimpfwort gebrauchen, erfuhr ich nirgens - wahrscheinlich geht es der armen Pflanze wie bei uns dem (Voll)Horst und dem (Voll)Pfosten. Unwort 2017 der Österreicher wurden wie bei den Deutschen die "alternativen Fakten".

 

Die Kürung einzelner Worte ist nicht nur etwas für Sprachverliebte wie mich, sondern sagt auch was über das herrschende gesellschaftliche Umfeld in dem Jahr aus. So ist der Vollholler nicht einfach nur ein schönes Wort, sondern hat einen Hintergrund. Der damalige österreichische Bundeskanzler Christian Kern bezeichnete einen Vorschlag seines politischen Kontrahenten Sebastian Kurz als "Vollholler". Aber Herr Kern hat das Wort ja auch nicht erfunden, es ist gang und gäbe. Auch: "Das ist voll der Holler." oder "Red kan Holler." sind in Österreich üblich und gefallen mir sehr. Schließlich habe ich Kollegen dort und genieße deren Sprachbesonderheiten.

 

Hier einige meiner liebsten Unworte der Deutschen:

Opfer-Abo, Klimahysterie, betriebsratsverseucht, Gutmensch, Sozialtourismus, Volksverräter,  notleidende Banken, Tätervolk und natürlich das tolle "alternativlos"

 

Dagegen die Worte, also "die Guten":

Klimakatastrophe, Wutbürger, Respektrente, Rettungsroutine, Flüchtlinge, GroKo, Stresstest

 

Und noch ein paar sächsische Happen aus meiner Heimat. Hier werden jährlich das beliebteste, das schönste und das bedrohteste Wort gewählt. Ich mische mal:

Gelumbe, Däschdlmäschdl, Bibbus, muddln, fischelant, Renfdl, schnorbslich, Äscha und natürlich "nu".

 

 

Man könnte jetzt mal versuchen, soviele Unwörter aller Jahre in einem Satz unterzubringen. Es sei denn, die notleidenden Banken treiben Dir schon jetzt alternativlose Tränen in die fischelanten Augen. Da hilft och keen schnorbsliches Gelumbe mehr.

 

Oder man bestimmt sein eigenes Unwort und Wort des Jahres. Ich weiß schon, man soll den Tag nicht vor dem Abend loben, und das Jahr 2021 ist lange noch nicht zu Ende. Aber mein UNWORT 2021 ist jetzt schon: ERLEBNISORIENTIERT.

 

Na, dann - geben wir nicht auf. Denn das - ist wirklich: alternativlos. Äscha.