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Bei den wilden Tieren

In Oberbärenburg

Oberbärenburg
Oberbärenburg

 

Das Erzgebirge war früher von einem berüchtigten Urwald bedeckt, dem Miriquidi. Das erzähle ich Dir öfters, nicht, weil ich vergesslich werde - sondern weil mir das Wort und die damit verbundene Vorstellung des geheimnisvollen Erzgebirgsdschungels so gut gefallen. Das lateinische Miriquidi silva heißt soviel wie Finsterwald, Dunkelwald. Thietmar von Merseburg, der von 1009 - 1018 Bischof in Merseburg war, verwendete es zuerst in seinen Berichten. Denn er war auch ein sehr bekannter Geschichtsschreiber ottonischer Zeit. Und nein, es erinnert uns heute und jetzt nicht an "Dunkeldeutschland", einen der  Kandidaten zum Unwort des Jahres 1994 (als Schimpfwort für Ostdeutschland) und auch nicht an Herrn Gaucks spätere Verwendung des Begriffs im Zusammenhang mit der Ablehnung bundesdeutscher Einwanderungspolitik.

 

Weit über die Gebirgsregion galt dieses Gebiet als gefährlich, undurchdringlich, lebensgefährlich. Verirren konnte man sich in diesen endlosen und dichten Wäldern; es gab Felsklippen und Moore. Räuber und andere böse Gesellen hatten hier ihre Verstecke; es gab jede Menge wilde Tiere. Auch größere Raubtiere, die für Menschen durchaus gefährlich sein konnten: Wölfe und Bären.

 

Heute ist das alles sicherer, heller, übersichtlicher - weniger geheimnisvoll?!

 

Viel mehr Menschen als früher bewohnen das Erzgebirge, der Urwald wurde abgeholzt und später wieder aufgeforstet. Was entstand, das waren Nutzwälder, die mit der Ursprünglichkeit des Miriquidi nichts mehr zu tun hatten. Der letzte hier lebende Bär wurde im 18. Jahrhundert erschossen. Heute gibt es wieder wenig berührte Naturschutzgebiete und gemischte Wälder. Die Bären aber bleiben verschwunden. Ist auch für sie wahrscheinlich besser so, denn sonst geht es ihnen noch wir Bruno, dem "Problembären" in Bayern.

 

Nur in den Ortsbezeichnungen kann man sie noch entdecken.

 

Zum Beispiel Bärenfels, Bärenhecke, Waldbärenburg haben wir gefunden. Und Oberbärenburg, was wir jetzt besuchen wollen. Oberbärenburg und Waldbärenburg heißen zusammen Bärenburg. Und Waldbärenburg wird auch Talbärenburg genannt. Unübersichtlich - nee, bärig!

 

Wir erkunden an einem Urlaubstag Mitte Mai die ehemalige Bärenheimat.

 

 

In 750 m Höhe im Osterzgebirge liegt dieser kleine Ort mit ca. 230 Einwohnern. Oberbärenburg gehört heute zur Stadt Altenberg. Es liegt relativ ruhig zwischen Wald und Wiesen, eine Durchgangsstraße gibt es nicht - ein Vorteil für die Ruhe. Viele Hotels, Pensionen und Ferienwohnungen gibt es hier - Oberbärenburg ist seit der Zeit um 1900 ein gut besuchter Erholungsort - in jeder Jahreszeit. 

 

Momentan ist coronabedingt noch alles still. Auch das Café Laubert mit seiner schönen, kleinen Terrasse. 

 

 

Warum soll man nach Oberbärenburg kommen?

 

Die Umgebung ist sehr reizvoll. Berge, Wald, kleine Dörfer, die Bergstadt Altenberg. Schön wandern lässt es sich hier, zum Beispiel über den Berg Tellkoppe nach Kipsdorf hinunter. Wer gerne Wintersport macht, ist hier in der kalten Jahreszeit auch richtig. Für das leibliche Wohl ist bestens gesorgt - für verschiedenen Geschmack findet man etwas. Nach Corona.

 

Es gibt einen 14 Meter hohen Aussichtsturm (mit Fernrohr), von dem man bei guter Sicht (auch ohne Fernrohr) bis ins Elbsandsteingebirge gucken kann. Unseren Luchberg, wo wir vor ein paar Tagen mit Dir waren, sehen wir von hier aus heute wieder.

 

 

Ein besonderes Kleinod des Ortes ist die 1913 gebaute kleine evangelische Kapelle nahe dem Ortszentrum. Sie ist offen, wir können hinein.

 

Die Dresdner Architekten Lossow und Kühne, die hier ihre Ideen ins Werk setzten, bauten auch die Zinnwald-Georgenfelder Exulantenkirche, die wir uns schon gemeinsam HIER angeguckt hatten. 

 

 

Finanziert wurde dieses kleine Bauwerk durch eine kirchliche Landeskollekte, aber auch durch Spenden der Gläubigen: von Waldarbeitern, Dienstboten und wohlhabenden Geschäftsleuten - so berichtet die Ortschronik. Ein Dresdner Verein, der sich extra für den Kirchenbau gegründet hatte, kümmerte sich. In den 1950er Jahren wurde der Kircheninnenraum von Herrn Prof. Dr. Rietzschel umgestaltet. Seitdem steht das beeindruckende Holzkreuz mit der Inschrift "VIVIT" (Er lebt!) da.

 

Im Jahr 2000 erfolgte eine Sanierung der Kapelle.

 

Hotel Friedrichshöhe, Ansichtskarte von 1915 (www.zvab.com)
Hotel Friedrichshöhe, Ansichtskarte von 1915 (www.zvab.com)

 

Beliebt ist das kleine Kirchlein auch bei Brautpaaren. Allein im Jahr 1937 heirateten hier 249 Paare aus verschiedenen Gegenden Deutschlands.

 

Ein kleiner Kriegsgräberfriedhof des 2. Weltkrieges liegt hinter der Kapelle, davor ein Kriegerdenkmal für die Toten des 1. Weltkrieges. Während des 2. Weltkrieges fungierten Oberbärenburger Hotels teils als Lazarette. Die 17 hier gestorbenen Soldaten bestattete man an der Kapelle.

 

 

Es liegt alles so dicht beieinander: das Leben und der Tod, die Hochzeit und die Beerdigung, die Freude und das Leid.

 

 

Geht man den Wolfssteg von Oberbärenburg aus entlang, in Richtung Tellkoppe, da erwarten einen - nein, keine Wölfe und Bären - sondern sehr schöne Aussichten:

 

 

Also dann, auf gehts: nach Oberbärenburg!

 

Kaffee am Turm
Kaffee am Turm

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P.S.: "Dunkeldeutschland", das neben "Besserverdienende", "Buschzulage", "Peanuts" und "Freisetzungen" Unwortkandidat 1994 war, hat damals verloren.

 

Gegen "Peanuts", das Gewinner-Unwort des genannten Jahres.