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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (27)

Felsige Zickigkeiten

 

Bei fantastischem Wetter machen wir einen Ausflug zum Ziegenfelsen. Der Maulwurf und ich.

 

Dieser Felsen liegt im Zschopautal bei Schönbrunn, unterhalb des Schlosses Wolkenstein. In Wolkenstein sind wir seit Jahren unterwegs. Schon oft kletterten wir in die Wolfsschlucht, saßen auf der Anton-Günther-Höhe oder erkundeten die Wolkensteiner Schweiz, die schöne kleine Stadt mit ihrem Schloss und der herrlichen Barockkirche sowieso.  Wir aßen Himbeertörtchen im Becher beim Bäcker Haase am Markt oder tranken an heißen Tagen etwas sehr Kaltes aus Tongefäßen im Gasthaus "Zum Grenadier".  

 

Kurios: Manchmal waren wir unterhalb Wolkensteins an der Zschopau unterwegs, zum Beispiel eben im Wolfsgrund oder zum Floßplatz hin, wo die schöne Brücke ist. Aber immer auf der flussabwärts gesehen rechten Seite, der Wolkenstein-Seite sozusagen.

 

Eines Tages sah ich bei Twitter das Foto, von Ronny L. gemacht,  des sogenannten "Ziegenfelsens", einem Aussichtspunkt bei Wolkenstein. Direkt auf das Schloss guckte man von da. Ich staunte, war doch dieser bizarre Felsen in den ganzen Jahren meiner Aufmerksamkeit entgangen. Obwohl er so klein ja nicht ist .... Nun aber! 

 

Die nächstmögliche Gelegenheit sollte ergriffen werden, um zum Ziegenaussichtspunkt zu reisen. Letzten Samstag war es dann soweit.

 

***

 

Bei schönstem Sonnenschein und einem angenehmen Wind gehen wir los.

 

Der Maulwurf ist neugierig wegen der Ziegen. Ob da vielleicht welche im Wald unterwegs wären? Ich sage ihm, dass ich das nicht glaube - denn in unseren Breitengraden gibt es meines Wissens nach nur sehr selten wildlebende Ziegen. So wie zum Beispiel die alpinen Steinböcke. Und außerdem attackieren die weder Mensch noch Maulwurf einfach so, falls der Maulwurf sich etwa fürchten sollte. Dazu lachte er nur verächtlich und blies mutig die Backen auf. Trotzdem ist eine Ziege ja ganz schön groß für so einen kleinen Maulwurf ....

 

Über das Zschopautal, den Wanderweg und den Felsen selber berichten wir Dir in den nächsten Tagen innerhalb unserer "Käffererkundung". Hier soll es jetzt nur um Menschen, Maulwürfe und Ziegen gehen.

 

Wir unterhalten uns, während wir wandern:

 

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Auf dem Ziegenfelsen mit Blick in das Zschopautal auf Schönbrunn
Auf dem Ziegenfelsen mit Blick in das Zschopautal auf Schönbrunn

 

Maulwurf (neugierig): "Wieso heißt der Felsen eigentlich Ziegenfelsen, wenn da gar keine Ziegen sind? Oder - vielleicht sind da doch ein paar?"

Yvonne: "Das glaub` ich nicht. Vielleicht hat es da früher Bergziegen, Steinböcke oder sowas ähnliches gegeben. Oder von den Hausziegen, die man hier gehalten hat, ist ab und zu dort eine abgestürzt, wenn sie nicht aufgepasst hat...."

Maulwurf (schnappt nach Luft, es geht ordentlich bergauf gerade): "Na... dass.... hoffent ... lich nicht. Vielleicht ist es auch der "Doofe-Ziegen-Felsen", wo die Männer immer hingehn, wenn sie zu Hause von ihrer Frau drangsaliert werden. Da nehmen sie sich ein oder zwei Bier mit und was zu rauchen. Dann genießen sie die Aussicht und treffen einen Kumpel oder zwei, die gerade auch dort sitzen und dasselbe wollen. Ihre Ruhe. Und dann schweigen sie gemeinsam oder vielleicht - also ganz, ganz selten - sprechen sie miteinander über ihre Probleme."

Yvonne: "Das ist ja sehr schön, dass Du Dich so für das Wohlbefinden der Männer einsetzt. Und wo gehn die Frauen hin, wenn der Mann ihnen auf die Nerven geht?"

Maulwurf: "In die Küche natürlich. Die können doch nicht einfach so abhauen. Und Kinder und Maulwürfe schutzlos ihrem Schicksal überlassen. Außerdem ist der Mann ja dann schon auf dem Ziegenfelsen, da hat sie doch sowieso ihre Ruhe zuhause .... "

Yvonne: "Das finde ich jetzt wenig liebevoll von Dir....."

Maulwurf (aufmüpfig): "Bin halt kein Feminist."

Yvonne: "Ich weiß..."

Maulwurf: "Die Damen können ja in der Küche eine rauchen, so wie Du manchmal zu Hause."

Yvonne: "Ja. Hat auch seine Vorteile. Wer will schon im Dunkeln, bei Hagel und Regen, auf den Ziegenfelsen? (Oder den Balkon...)  Da stürzt man noch ab, stell Dir vor, was für ein blöder Tod. Wegen zickigem Beleidigtsein vom Felsen gefallen - wie peinlich. Kannste niemandem erzähln."

Maulwurf (ironisch): "Nee. Kannste dann wirklich nicht mehr..... " (lacht) "Siehste, war meine Idee doch ganz gut und im Sinne der Sicherheit aller Frauen....." (grinst und zwinkert charmant)

Yvonne (lacht jetzt auch): "Du alter Gauner. Tu' bloß nicht so scheinheilig!"

Maulwurf (zeigt vor sich, auf einen auftauchenden Felsen): "Orr, guck mal, wir sind da! Was für eine Aussicht! Und eine Ziege ham wir hier auch; nur ist die aus Blech ...."

Yvonne (begeistert): "Das ist wirklich schön hier. Gute Empfehlung vom Ronny L., dem Erzgebirgsfotografen...."

Maulwurf (nickt): "Jawoll! Danke, Ronny."

 

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Wir setzen uns jetzt auf die Bank, die hier oben steht und genießen die Aussicht. Ganz alleine sind wir hier. Natürlich haben wir das Kaffeerohr dabei. Und einen Mohnzopf und eine Streuselschnecke. Man sieht: natürlich Schloss Wolkenstein auf dem gegenüberliegenden Felsen, Schönbrunn mit Zughotel, Bahnhof, das griechische Restaurant, Café "Burgblick" (Kuchenempfehlung: Winterbirne - herrlich!), die Zschopau, Bäume und Sträucher und Wiesen, die Bahngleise, ab und zu einen kleinen Zug. Paar Leute, Motorräder, einen Hund, Autos. Nicht zu viele heute. Einfach nur schön, hier oben.

 

Wenn wir wieder zu Hause sind, erforschen wir die Namensherkunft des Felsens, was es hier mit den Ziegen so auf sich hat. Und erzählen es Dir dann in der Käffererkundung.

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Pawel guckt gerade nachdenklich ins Zschopautal runter und knabbert ein paar Zuckerstreusel von der Gebäckschnecke. "Wenn ich den Felsen so sehe und daran denke, dass da jemand runterfallen könnte..... (Hier schüttelt er sich kurz.) " Da gruselt es mich,  aber - mir fällt auch was ein. Nämlich der Klassiker für heute. Willste hören?" Natürlich will ich.

 

Und so hat der Maulwurf das Wort, er räuspert sich kurz und spricht dann:

 

„Und ich würde am Rande einer verrückten Klippe stehen. Ich müßte alle festhalten, die über die Klippe hinauslaufen wollen - ich meine, wenn sie nicht achtgeben, wohin sie rennen, müßte ich vorspringen und sie fangen. Das wäre alles, was ich den ganzen Tag lang tun würde. Ich wäre einfach der Fänger im Roggen. Ich weiß schon, daß das verrückt ist, aber das ist das einzige, was ich wirklich gern wäre. Ich weiß natürlich, daß das verrückt ist.“ (Der Fänger im Roggen / J. D. Salinger)

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Ich bin dem Maulwurf dankbar für dieses Zitat, denn mir geht es auch so wie dem Romanhelden Holden Caulfield aus dem "Catcher in the Rye": Ich wäre wie er gerne der Fänger im Roggen. Ein schöner Gedanke, auf die durch das Feld tobenden Kinder achtzugeben.

 

Die noch zu klein sind, um über das hohe Getreide zu gucken.

 

Buchcover (www.vox.com / Little, Brown and Company)
Buchcover (www.vox.com / Little, Brown and Company)

 

Fazit des 27. Mensch-und-Maulwurf-Dialogs: Leute, fahrt zum Ziegenfelsen nach Wolkenstein und lest Salingers "Der Fänger im Roggen"! Haltet Euch fern von gefährlichen Klippen.

 

Und folgt Ronny Lohse auf Twitter, wenn Ihr auf Twitter seid:  @RonnyLohse6

 

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