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Auf dem Kahleberg bei Altenberg

Die Schneise der Wahrheit

Blick vom Kahleberg zum Speicher und  den Galgenteichen
Blick vom Kahleberg zum Speicher und den Galgenteichen

 

Es ruft der Berg. Nach mir! Nein, nicht die Eiger-Nordwand, sondern der Kahleberg. An einem schneestürmischen Vorfrühlingstag mache ich mich deshalb auf den Weg zu ihm nach Altenberg. Ausgerüstet mit Kaffeerohr, warmer Kapuzenjacke und dicken Stiefeln bin ich, denn die Wetterlage  oben am Berg kann einen überraschen. Du wirst noch sehn, ich tat gut mit dieser Einstellung.

 

Vom Großen Galgenteich aus sieht man den Kahleberg.
Vom Großen Galgenteich aus sieht man den Kahleberg.

 

Ich nähere mich dem Beeindruckenden von Zinnwald-Georgenfeld aus. Ein Stück hinter dem Großen Lugstein steht eine Wetterhütte. Hier wird das Kaffeerohr feierlich eröffnet. Die Sonne scheint auf ganz weißen Schnee, manchmal stürmt es kurz mit wehenden Flocken.

 

 

Über den Hochmoorweg gehts zu Schneise 28. Als ich in diese unterhalb des Biathlonzentrums einbiege und ich sehe, was vor mir liegt, bin ich kurz sprachlos. Das merkt keiner, denn Pawel hat heute andere Aufgaben und kann mich deshalb nicht begleiten.

 

Weit vor mir erstreckt sich die Schneise, die heute mein Weg sein soll. Dick verschneit ist sie, ohne Fuß- und Skispuren eventueller Vorgänger. Die Sonne scheint. Ich fühle mich abenteuerlustig und stapfe in den hohen Schnee. Frisch und trocken ist er und liegt ziemlich hoch. Teilweise bis übers Knie sinkt man an manchen Stellen ein, Schneewehen neben dem Weg schaffen Bauchhöhe.... Bäche von Tauwasser murmeln unsichtbar unter der Schneedecke, manchmal knarrt Eis unter den Sohlen. Vögel schnarren aus dem Wald, Äste knacken.

 

Die Schneise der Wahrheit - hier muss ich durch :-).
Die Schneise der Wahrheit - hier muss ich durch :-).

 

Bald bin ich tatsächlich oben. Ein letzter Kilometer bis zum Berggipfel muss noch gegangen werden. Natürlich geht es immer ordentlich bergauf, schließlich habe ich hier einen respektablen Erzgebirgsgipfel vor mir und fahre nicht mit Rückenwind Fahrrad auf dem Nordseedeich.

 

Ich meckere nicht, sondern bin guter Dinge. Und dann passiert es.

 

 

Kurz vor dem Gipfel - der muss nach Google Maps in 800 Metern Entfernung sein - biege ich seitlich vom Hauptweg auf den Kammweg ab. Nur ein kleines Schild und die Fußspuren einer Einzelperson weisen darauf hin, dass hier ein Weg ist. Sein soll. Was dann passiert, kann ich nach den ersten ganz gängigen Metern fotodokumentarisch nicht mehr verfolgen. Ich habe voll mit mir zu tun, denn dieser Weg ist kein Weg. Zumindest nicht heute, bei immer höherem Schnee hier oben. Und nach den Winterstürmen, die es gab. Ich orientiere mich an den kaum noch sichtbaren Schuhspuren vor mir. Sie kommen mir entgegen, gehen sozusagen in die andere Richtung. Das heißt, derjenige ist von irgendwoher durch das Dickicht wieder vorn am Hauptweg gelandet. Es muss also funktionieren. 

 

 

Manchmal krieche ich unter einem unter der Schneelast auf den Weg gedrückten Baum durch. Manchmal überklettere ich einen, der umgestürzt ist. An Bächen und Wasserlachen unter und über dem Schnee mangelt es nicht, Vorsicht, nicht hineingeraten. Zum Glück scheint die Sonne, so dass man gut sieht. Aber es weht ein scharfer Wind. Es dauert nicht lange, ca. zwanzig Minuten, dann lichtet sich der Wald und ich bin oben! Ein schönes Gefühl.

 

Die Aussicht ist fantastisch, die Anzahl der anderen Gipfelstürmer übersichtlich. Ich mache mir eine Bank schneefrei und gucke in Richtung der Galgenteiche ins Land. Es gibt natürlich Kaffee, ich sitze in der Sonne und bin glücklich. Niemand stört, nur ein riesiger Ungarischer Hirtenhund mit ponyzurückhaltender Haarklammer kommt neugierig und freundlich zu mir. Wir plaudern ein wenig.

 

Großer Galgenteich
Großer Galgenteich

 

Mit 905 Metern Höhe über dem Meeresspiegel ist der Kahleberg der höchste Berg des Osterzgebirges auf deutscher Seite. 129 Meter ragt er aus seiner Umgebung auf und besteht aus Quarzporphyr. Seinen Namen verdankt er dem regionalen Zinnerzbergbau. Dafür wurden Unmengen Holz gebraucht, unter anderem für Grubenholz und die Erzverhüttung. Wälder wurden gerodet, der Berg war wahrscheinlich in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts schon kahl.

 

Später pflanzte man Fichten an, die der Umweltverschmutzung nicht standhielten. Erst in den 1990er Jahren, die Luftqualität war besser geworden, konnte erfolgreich aufgeforstet werden.

 

Vom Kahleberg aus sieht man die Stadt Altenberg mit dem Geisingberg im Hintergrund.
Vom Kahleberg aus sieht man die Stadt Altenberg mit dem Geisingberg im Hintergrund.

 

Für den Abstieg wähle ich wohlweislich nicht den Kammweg, sondern nehme erst Schneise 30 und dann den breiten Alten Zaunhäuser Weg. Ein gemütliches Herunterrutschen bis zum Altenberger Skihang. Der Lift ist coronabedingt außer Betrieb, einige Skifahrer und Rodler sind unterwegs.

 

 

Dann verabschiede ich mich vom Altenberger Skifahrer, der schon lange vor dem Bahnhof hier auf seinem Sockel steht und an die erfolgreiche Wintersporttradition der Bergstadt erinnert.

 

Ich habe zwar keinen Wintersport gemacht heute, dafür aber in eisiger, menschenfeindlicher Wildnis überlebt, sage ich ihm im Vorbeigehn. Er grinst und zwinkert, glaube ich, sogar ein bisschen. 

 

Auch der Maulwurf wird gespannt meiner Geschichte lauschen. Da hat er wirklich was verpasst.