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WAS 22

Unromantische Frühlingsgedanken

John William Waterhouse / "Die Seele der Rose" (1908)
John William Waterhouse / "Die Seele der Rose" (1908)

 

Heute ist schon der 30. März. Der Frühling schreitet voran. Gleich kommt Ostern, kleine grüne Knospen zeigen sich an den Bäumen, die Blätter sind in Vorbereitung. Und erst die Blüten! Sie platzen vor Freude fast, dass sie jetzt endlich dran sind. In dieser schönen Jahreszeit, den Wochen der  Aufbruchs- und Erneuerungsstimmung. Voller Kraft und mutiger Entschlossenheit.

 

Jedenfalls in der Natur ist das so. Die Vögel lärmen, paaren sich, bauen Nester, brüten und kümmern sich um ihre Jungen. Viele andere Tiere auch. Bäume und Sträucher werden grün und blühen; Blumen wachsen hoch und entfalten ihre Knospen, die Wiese leuchtet frisch. Es gibt Froschhochzeit im Teich; die Kater plärren. Winden klettern an Bauzäunen hoch und verhandeln über die Anzahl ihrer großen weißen Blüten, die sie im Sommer haben werden.

 

Auch wir wollen uns der Erneuerung, der Freude, der Liebe, anderen Ideen und neuer Hoffnung   - bitte nicht in den Weg stellen. In der Natur klappt das nämlich auch nur deshalb so gut, weil sich keiner dagegen wehrt oder zur Gegenwehr überhaupt in der Lage ist. So ein Vogel zum Beispiel muss singen, muss eine Familie gründen, muss seine Bestimmung erfüllen. Dem setzt er nichts entgegen. Genauso der Baum. Jedes Jahr im Frühling wachsen seine Blätter und Blüten, damit es später Früchte und Samen geben kann. Sagt der Baum jemals: "Ich will nicht. Ich brauche ein Jahr frei!"? Meint der Vogel denn: "Mein Gefieder ist zu struppig und meine Figur zu dürr nach dem Winter, da schäme ich mich und suche mir lieber keinen Partner...." ? Nein. Vogel und Baum ergeben sich in diesen gefährlichen, schönen und kräftezehrenden Lebenstanz, solange sie selber am Leben und in der Lage dazu sind. Zur Not auch ausgelaugt, struppig und dürr. Der Frühling sorgt für sie und macht sie wieder schön.

 

Bei uns Menschen ist das scheinbar anders.

 

 

Denn wir sind ja schlauer als alle anderen. Wir folgen nicht einfach irgendeinem natürlichen Rhythmus. Wo kämen wir da wohl hin? Vielleicht würden wir dann auch trällernd durch den Wald rennen und wären einfach glücklich? Zumindest mal eine Weile?! Denn, das ist auch klar, der Natur ist es wurscht, ob wir glücklich sind oder nicht. Glück ist wahrscheinlich in der Evolution nicht so wichtig und erfüllt nur einen bestimmten Zweck: das Leben muss immer weiter gehn. Wir müssen da sein, für unser Überleben sorgen und für Nachkommen. Ob wir dabei traurig sind oder lachen. So einfach. Kein Hintersinn. Nur kaputtheulen sollen wir uns von der Natur her auch wieder nicht, deswegen hat sie ab und zu Schönes für uns vorbereitet. Denn sie braucht uns noch.

 

Wir überlegen uns immer mal was anderes. Wir spielen mit den Bauklötzern, die wir von der Natur bekommen haben. Würden wir das nicht tun, wären wir niemals vom Baum runtergeklettert. Wobei man sich manchmal fragt, ob das nicht besser gewesen wäre. Nein, falsch. Es wäre besser gewesen (oben zu bleiben). Denn wir gingen dann als eine Horde Affen durchs Leben, die wesentlich weniger Schaden anrichten können als wir Menschen es hinkriegen.

 

Aber: es ist, wie es ist. Die Zahnpasta geht nicht mehr in die Tube zurück. Darüber zu jammern ist nicht nur deprimierend, sondern auch noch reine Zeitverschwendung. Sinnlos also und nichts für uns, die glückssuchenden Pragmatiker.

 

Egal ob Mensch, Affe, Maulwurf, Kohlmeise, Teichfrosch, Kugelfisch, Kirschbaum, Moosflechte oder Amöbe: wir gehen alle denselben Weg: den des Lebens. Und das hat, solange es währt, hierzulande jedes Jahr einen Frühling für uns. 

 

Und deshalb nutze ihn jetzt. Auch dieses Jahr!

 

***

 

(Bissel Romantik hier doch noch:)

 

 

Die eine Rose

 

Die eine Rose überwältigt alles,

Die aufgeblüht ist aus dem Traum.

Sie rettet uns vom Grund des Falles.

Schafft um uns einen reinen Raum,

In dem nur wir sind und die Rose.

Und das Gesetz, das sie erweckt.

Und Tage kommen, reuelose.

Vom Licht der Rose angesteckt.

 

(Eva Strittmatter)

 

 

...Das Gesetz, das die Rose erweckt. Das ist es.