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Heute keine Presseschau, sondern: Der Grenzsteinhof

...und eine Geschichte von Liebe und Tod

 

Eigentlich ist heute Freitag und damit ja die "Kleine Presseschau" dran. Es gibt auch Wichtiges, womit wir uns beschäftigen müssen. Trotzdem gönne ich uns heute eine Abwechslung, bevor ich Dich morgen wieder strapaziere, wahrscheinlich.....

 

Machen wir doch heute eine kleine Entdeckungsreise: Den Grenzsteinhof in Zinnwald-Georgenfeld, ein altes Gasthaus, haben wir gefunden, als wir kürzlich dort in der Gegend unterwegs waren. Das alte Haus belohnt uns, wenn Du ein wenig genauer hinguckst:

 

"Der Grenzsteinhof war einst das Erbgericht von Georgenfeld und der Sitz des Gemeindeoberhauptes. Der jetzige Name stammt von einem alten Grenzwahrzeichen, das sich ca. 200 m südöstlich von ihm befand. Diese Steinsäule mit der Jahreszahl 1673 und dem kurfürstlich-sächsischen Wappen weist auf die damaligen Herren des sächsischen und böhmischen Zinnwalds hin, die Herren von Bünau und der böhmische Graf von Sternberg." Diesen Eintrag findet man bei Wikipedia, wenn man nach Informationen über den Georgenfelder Grenzsteinhof sucht. Außerdem gibt es auf verschiedensten Portalen jede Menge alte Postkarten zu sehen, zu kaufen, zu ersteigern. Daran erkennt man noch, was für ein beliebtes Ausflugsziel dieses Gasthaus mal war. Lange her.

 

Heute steht das große alte Haus als Ruine am alten Platz an der Teplizer Straße, Bushaltestelle "Lugsteinhof" gleich davor. Ein sehr guter Ausgangspunkt für weite Touren über den Erzgebirgskamm, vor der Haustür. Ein paar hundert Meter zur tschechischen Grenze. Das Georgenfelder Hochmoor, den Großen und Kleinen Lugstein in 1 - 2 km Reichweite. Ein schöner alter Landgasthof könnte das heute sein.

 

Aber so, wie es jetzt aussieht, nimmt man das Anwesen nur noch als störenden Schandfleck wahr und will den gerne loswerden, das Haus abreißen. Aber auch das kostet was. Ist so ähnlich wie bei Menschen die Beerdigung, die gibts auch nicht geschenkt.

 

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Hier ein paar alte und aktuelle Bilder vom "Grenzsteinhof". Auf den alten Fotos sieht man das Anwesen als Gasthof, später als HO-Gaststätte.

 

 

Nichts ist umsonst bzw. kostenfrei, nicht der Tod und nicht der Abriss. Das Leben ist Veränderung, das Alte weicht dem Neuen. Vielleicht entsteht an der Stelle des alten Grenzsteinhofs ein neues Haus. Wir werden ab und zu mal nachsehen....

 

Apropos "Grenzschänke": Es gibt einen Roman des Schriftstellers Joseph Roth (Österreich, 1894 - 1939), wo so ein Etablissement eine Rolle spielt. Das Buch heißt "Das falsche Gewicht" und erzählt die Geschichte vom österreich-ungarischen Eichbeamten Anselm Eibenschütz und dem Halunken Leibusch Jadlowker. Und der Zigeunerin Euphemia Nikitsch. Eine gute Geschichte mit Liebe, Hoffnung, Lüge, Schuld, Betrug, Pflichtbewußtsein, Alkohol, Gemeinheit, Krankheit und Tod. Und in allem, trotz allem - dieses immerwährende Streben nach Glück. Das in einer längst verschwundenen Welt: dem königlich-kaiserlichen österreichischen Galizien, irgendwo am Fluss Struminka mit den verschiedensten Bewohnern. In einer Zeit zum Anfang des 20. Jahrhunderts, noch  vor dem Ersten Weltkrieg. Galizien gehört heute zu Südpolen und der Westukraine.

 

Zitat:

 

"In der Grenzschenke Jadlowkers war es warm und gut und fröhlich. Man trank, man spielte Karten, man rauchte. Der Rauch stand über den Häuptern der Männer. Es waren keine Frauen vorhanden, und das war gut. Der Eichmeister Eibenschütz hätte schwer die Anwesenheit einer Frau vertragen können, es sei denn die der Euphemia Nikitsch. Aber sie zeigte sich nicht. Eibenschütz wußte gar nicht, daß er hierhergekommen war, sie zu sehen. Erst, als er Platz genommen und einen Schluck getan hatte, glaubte er zu wissen, daß er eigentlich hierhergekommen war, um die Frau wiederzusehen. Gelegentlich kam Leibusch Jadlowker an seinen Tisch und setzte sich für eine Weile hin, flüchtig, wie sich eine Biene auf Honig setzt, ein Schmetterling auf Blumen. Je ernster der Eichmeister Eibenschütz wurde – und er wurde immer ernster, je mehr er trank –, desto heiterer erschien ihm Jadlowker. Heiterer erschien er ihm und gehässiger. Er wußte wohl, der Eichmeister Eibenschütz, daß die meisten Denunziationsbriefe von der Hand Jadlowkers stammten. Sehr wahrscheinlich war es, daß Jadlowker die Aufmerksamkeit des Eichmeisters von sich ab und auf andere lenken wollte. Er wußte das, er glaubte, es zu wissen, der Eibenschütz. Dennoch ertrug er die süßliche Freundlichkeit des Gastwirtes mit unerschütterlicher Geduld und sogar mit einer andächtigen Sanftmut. Er sah das widerliche, breite, stets grinsende Angesicht Jadlowkers an. Ein spitzes rotblondes Bärtchen zierte es. Man kann sagen: zieren, nichts hätte es entstellen können. Es war blaß, von einer wächsernen Blässe. Zwei winzige grünliche Äuglein glommen darin wie Lichter, die bereits erloschen sind, und dennoch immer noch Lichter; den Sternen ähnlich, von denen die Astronomen wissen, daß sie seit Jahrtausenden bereits erstorben sind, und die wir trotzdem immer noch leuchten sehen. Das einzig Lebendige war noch der rote Spitzbart. Er sah aus wie ein dreieckiges Feuerchen, das etwa überraschenderweise einer längst tot geglaubten, erloschen geglaubten Materie entspringt."

 

Es gibt eine gute Verfilmung aus dem Jahr 1971. Mit dem berühmten Helmuth Qualtinger in der Rolle des Eibenschütz, Regie Bernhard Wicki.

 

 

Hier ein kleiner Trailer für Dich: 

 

Was einem so einfällt zum Thema Grenzschänke....