· 

Das alte Schloss Mulda - Die Sage

Zacharias Hegewald und sein Schatz

https://commons.wikimedia.org/wiki/File:20160718220DR_Mulda_Herrenaus_Rittergut.jpg
https://commons.wikimedia.org/wiki/File:20160718220DR_Mulda_Herrenaus_Rittergut.jpg

 

Gerade bin ich über eine Erzgebirgs-Sage gestolpert, die von einem alten Schloss in Mulda berichtet. Im 13. Jahrhundert soll es gebaut worden und bis ins 18. Jahrhundert noch als Ruine sichtbar gewesen sein. Heute sind  auch die Überreste verschwunden. Ich bin neugierig, suche und finde folgendes: 

 

"Oberhalb des Ortes Mulda bei Freiberg liegt am linken Muldenufer in der sogenannten „Grüne“ ein Platz, auf welchem einst ein altes Schloss stand. Von den Ruinen ist seit einer Reihe von Jahren nichts mehr zu sehen, da man die Steine bei einem Wegebau verwendete. Die Sage erzählt nun, dass zu dem Schlosse eine kupferne Wasserleitung von dem Brunnen auf dem Burgberge geführt habe und dass dasselbe von einem gewissen Hegewald niedergerissen worden sei. Die Steine verwendete derselbe zum Aufbau des jetzigen Rittergutes.....

 

(Quelle: www.sagenhaftes-mittelsachsen.de/2017/09/18/das-alte-schloss-mulda)

 

Flußaufwärts im heutigen Wald stand das alte Schloss Mulda (Geodaten und Karte am Beitragsende zu finden)
Flußaufwärts im heutigen Wald stand das alte Schloss Mulda (Geodaten und Karte am Beitragsende zu finden)

 

Den Mann Zacharias Hegewald, der aus den alten Steinen des Muldaer Schlosses ein Rittergut erbaute, gab es wirklich. Und zwar lebte er von 1670 - 1731. Seine Initialien ZH finden sich noch heute am Wohnaus des Rittergutes, wie Du oben auf dem Bild siehst. 

 

Wer weiß schon genau, was sich damals ereignete, ob Zacharias wirklich einen Schatz fand, wie die Sage berichtet und daran zugrunde ging? Oder erfanden das nur seine zeitgenössischen Neider?

 

Komm mit in die geheimnisvolle Sagenwelt voller Überraschungen, mit ein paar Bildern aus Mulda. Es könnte - könnte vielleicht - so gewesen sein:

 

Colorierte Lithographie um 1855, Künstler unbekannt: Mulda mit Kirche und rechts daneben dem Rittergut (https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/1452745)
Colorierte Lithographie um 1855, Künstler unbekannt: Mulda mit Kirche und rechts daneben dem Rittergut (https://skd-online-collection.skd.museum/Details/Index/1452745)

 

***

 

An einem Sommertag vor ungefähr dreihundert Jahren macht sich ein Mann bergan auf den Weg. In Mulda. Er heißt Ritter Zacharias Hegewald, ist reichlich fünfzig Jahre alt und er hat etwas vor.

 

Ein großes Haus, ein Anwesen, ein Rittergut will er bauen für sich und seine Familie, in Mulda - gleich neben der Kirche. Dort besitzt er Land.

 

Als Junge trieb sich Zacharias mit seinen Freunden oft auf einer kleinen Burgruine herum, die in Flussnähe steht. Oben, am Hang über der Mulde, wo es zum Wald hoch geht. Dort haben sich die Kinder oft versteckt, kleine Tiere gefangen oder ein Feuer gemacht, wenn es kalt war. Lange her alles. Zacharias lächelt, er erinnert sich. Auch seine jetzige Frau Elisabeth war damals schon dabei, aber sie war noch nicht Frau, sondern ein dünnes Mädchen mit langen schwarzen Zöpfen. Damals sah man noch nicht, welch stattlichen Umfang Frau Elisabeth später haben und welche üppige Lockenpracht ihr energisches Gesicht verschönern würde.

 

Es ist noch früh am Morgen an diesem Tag, der heiß zu werden verspricht. Zacharias hat die Ruine erreicht und lädt die Steine, die er beim letzten Mal nicht mehr mitnehmen konnte, in seinen großen Tragekorb. Dann schlägt er weiter Steine aus den Mauern des alten Schlosses, putzt sie ab und legt sie auf einen Haufen. Schon oft ist er hier gewesen, um seinen Vorrat an Baumaterial mit den Schlosssteinen aufzufüllen. Sie waren gut, kosteten nichts, mussten nur gebrochen und heruntergeschafft werden. Ohne Pferd und Wagen, denn Fahren war auf diesem Weg unmöglich. Manchmal helfen ihm seine beiden Söhne, aber die haben im Grunde mit sich und ihren eigenen Familien zu tun. Nicht jeder ist bereit, hier oben aus der Schlossruine Steine zu holen. Manche behaupten, es brächte Unglück. Aber darüber denkt Ritter Zacharias ganz anders. Aberglauben war das, eine Spukgeschichte für Kinder und Weiber. Ein mutiger Mann glaubt nicht an derlei Spinnereien, sondern tut das Richtige und muss sehn, wo er bleibt.

 

Ja, man sucht sich nicht alles aus im Leben. Zacharias seufzt. Müde ist er geworden von Hitze und Arbeit, hat sich eine Pause verdient jetzt. Der Erschöpfte findet einen schattigen Winkel an den Resten des alten Schlossturms, verspeist seinen Proviant, trinkt noch kühles Brunnenwasser aus der mitgebrachten Flasche - und schlummert dann sofort ein in der Mittagshitze.

 

Nun flimmert die heiße Luft über der Schlossmauer in der Sonne, die Vögel schweigen und sparen ihre Kräfte, aber die wilde Kamille duftet stark und gut. Zacharias schläft tief und hat einen seltsamen Traum: Er liegt schlafend im Schatten, etwas raschelt plötzlich und gleitet kühl über sein Handgelenk. Im Traum erwacht der Mann von dieser Berührung und sieht eine kleine grüne Eidechse neben seiner Hand.

 

 

 

Sie guckt erwartungsvoll und dann spricht sie - ganz deutlich - : "Du hast nun genug Steine genommen, Zacharias. Baue mit Glück Dein Haus und nimm dafür diese Goldmünzen. Aber schlage hier keine weiteren Steine aus den alten Mauern. Möge es Dir gut gelingen, aber beherzige bitte meine Worte.". Dann huscht sie davon und verschwindet in einer dunklen Ecke kurz vor dem alten Burggraben. Zacharias sieht, das ein kleiner Haufen Goldmünzen neben seiner Hand liegt. Schnell greift er nach den hell glänzenden, großen und dicken Geldstücken. Was für ein Wert! Er fasst es kaum. Damit kann er bauen und für Frau und Kinder ein paar schöne Dinge zusätzlich anschaffen. Auch einen eigenen Bullen könnte sein Gut gebrauchen. Er fühlt noch im Traum, wie kühl, ja kalt, die Goldstücke in seiner Hand liegen. "Auch ein Ritter ist nicht immer auf Rosen gebettet.", so denkt er noch für sich.

 

Dann wacht er auf. Er kommt zu sich und stellt etwas Eigenartiges fest: die Goldstücke in seiner Hand sind immer noch da! Plötzlich hellwach springt er auf und rennt hinaus ins Sonnenlicht. Hier besieht er sich das funkelnde Gold, beißt darauf und schüttelt ungläubig den Kopf. Aber - es ist alles wahr.  Ihm fällt der Bulle wieder ein. Und wie sehr Elisabeth sich über schöne neue Kleider für sich und die Kinder freuen würde. Außerdem hat er den Goldschatz sozusagen gefunden - wer will ihm das streitig machen?

 

***

 

 

Dass er so eine leuchtend grüne Eidechse wie im Traum hier noch nie gesehen hat, dass dieses seltsame Tier sogar zu ihm sprach und an seine Goldgabe eine eindeutige Forderung knüpfte - darüber denkt Zacharias nicht nach. Er will es vielleicht vergessen, und deshalb vergisst er es auch. Mit der ersten gefüllten Kiepe steigt er bergab. Noch dreimal wiederholt er heute den Weg.

 

Die Goldmünzen liegen derweil wohlverwahrt in einer eisenbeschlagenen kleinen Truhe zu Hause. Noch niemand weiß davon.

 

***

 

Der Sommer vergeht, der Herbst kommt, danach der Winter. Der Gutsbau geht voran, Zacharias kann nicht klagen. Dank der Goldmünzen kann er vielerlei Baumaterial, Hausrat, sonstige nötige Dinge kaufen, Helfer bezahlen. Er bekommt seinen neuen Bullen, ein prächtiges braunschwarz glänzendes Tier. Frau Elisabeth und die Kinder erhalten neue Garderobe, jede Menge Putzwerk und neue Gesangbücher; fein in Leder gebunden. Als Zacharias im vergangenen Frühling am Ostersonntag seiner Frau ein goldenes, mit kleinen Rubinen verziertes Kreuz an breiter Goldkette um den schönen Hals legt, ist Elisabeths Freude groß. Die tiefroten, fein geschliffenen Edelsteine sehen aus wie kleine Blutstropfen.

 

Noch oft in den nächsten Monaten geht der Ritter zum alten Schloss, bricht Steine aus der Mauer und schichtet sie zum Abtransport auf. Begleitet wird er ab und zu von seinen Söhnen; denn die bezahlten Helfer weigern sich, zur Ruine zu kommen. Sie haben Angst. Zacharias aber lacht sie aus und nennt sie kindische Narren. Er will soviele Steine wie möglich aus der Ruine holen. Am besten wäre es, das alte Gemäuer ganz abzutragen.

 

Nie mehr denkt er an die leuchtend grüne Eidechse und ihre Worte.

 

Nur manchmal, beim Herausbrechen der Steine, hat er plötzlich ein unerklärliches Angstgefühl, ein dringendes Bedürfnis sich zu erinnern - nur ganz kurz,  vielleicht auch ein Stechen in der Brust. Aber das vergeht schnell. Und wieder - vergisst Zacharias.

 

 

***

 

Zwei weitere Jahre vergehen. Das Rittergut ist fast fertig. Nur die Umrandung des neuen großen Brunnens muss noch eingefasst werden. Die Familie ist längst eingezogen, das Gut hat seinen Betrieb aufgenommen. Es ist früher Herbst. Der schwarzbraune Bulle steht glänzend auf der Weide, sein erster Nachwuchs ist gezeugt. Vor dem Haus hat Frau Elisabeth Blumen gepflanzt: gelbe Mittagsblumen, dunkle Malven, schwerduftende Levkojen blühen im Sommer. Dazwischen wächst ganz von allein immer ein wenig wilde Kamille, auch wenn Elisabeth sie immer wieder auszupft.  Manchmal, wenn Zacharias hier vorbeiläuft, dann weht ein Kamillenduft um seine Nase, ganz wie oben am alten Schloss. An dem Sommertag, als die Eidechse erschien.

 

Der Eilige stutzt dann immer kurz, hält inne. Geht wohl auch eine Pfeife rauchen, weil ihm so nachdenklich ist. Aber er verscheucht die aufkommende Erinnerung an den Zusammenhang zwischen Eidechse, Goldstücken und Schlosssteinen.

 

***

 

Einige Jahre vergehen. Gute Jahre für Zacharias und die Seinen.

 

Eines Tages, kurz bevor der erste Schnee fällt, will Zacharias die letzte Kiepe Steine vom Schlossberg holen. Er macht sich auf den Weg. Oben auf dem Berg angekommen belädt er seinen Tragekorb. Probeweise hebt er ihn an. Eigentlich ist er schon viel zu schwer. Aber ein paar Steine liegen noch einzeln herum, auch die will er noch mitnehmen. Also packt er diese letzten mit ein. Der Mann setzt jetzt den Korb mit großer Mühe auf. Das eine Mal wirds gehen, denkt der Unbesorgte und tritt den Weg talwärts an.

 

Am Himmel ballen sich grauschwarze Wolken. Es gibt ein kräftiges Gewitter, donnert, blitzt, schüttet und hagelt. Der Ritter setzt unbeirrt, aber mühsam seinen Weg fort, den zu schweren Korb auf dem Rücken. Vorsichtig setzt er einen Fuß vor den anderen, blickt aufmerksam auf den Weg, um ja nicht fehlzutreten und zu stürzen. Das Wasser läuft ihm trotz Hut in die Augen, die graupengroßen Hagelkörner schmerzen, wo sie hintreffen. Einen kurzen Moment sieht er etwas Leuchtgrünes auf dem nassen Weg aufblitzen.

 

Und da - denkt er plötzlich an die Eidechse und ihre Mahnung. Wieder spürt er Angst und diesen Herzschmerz.  Nur ganz kurz ist er dadurch abgelenkt, tritt auf einen lockeren glatten Stein, rutscht aus, stürzt. Und bleibt liegen. Die Schlosssteine sind aus dem Korb gefallen auf und neben Zacharias. Sie sehen nicht mehr hellgrau, matt glitzernd und freundlich aus, sondern sind nass geworden. Und glänzen schwarz und unheilvoll.

 

***

 

Stunden später wird Zacharias gefunden. Er ist tot.

 

Einer der Männer, die ihn heimbringen, schwört, im Dunkeln eine kleine grüne Eidechse gesehen zu haben. Ungewöhnlich, in dieser Jahreszeit, zum Beginn des Winters. Am nächsten Tag bringt dieser Mann die letzten Schlosssteine, die aus des Ritters Tragekorb gefallen waren, heimlich zurück zum Schlossberg und legt sie behutsam auf einen kleinen Haufen.

 

"Man weiß ja schließlich nie.... " wird er sich gedacht haben.

 

***

 

Vielleicht machst Du im nächsten Sommer ja selbst einen Ausflug nach Mulda zum alten Schlossberg unweit von Kirche und Rittergut. Wenn Du auf dem Berg, wo die Wasserburg einst stand, einen Haufen Steine findest - und darauf eine Eidechse in der Sonne sitzt, dann weißt Du, um wen es sich handelt. 

 

Keine Angst, falls sie Dich anspricht. Aber Steine mitnehmen würde ich lieber nicht....

 

 

Efeublatt
Efeublatt

 

Wikipedia weiß über das alte Schloss in Mulda:

 

"Die Burg liegt 2,5 km südöstlich der Kirche von Mulda im heutigen Staatsforstrevier Frauenstein ... in einem leicht nach Nordosten geneigten Gelände oberhalb des westlichen Steilhanges der Freiberger Mulde.

 

Die Anlage ist rund und hat einen Gesamtdurchmesser von 35 m. Das Kernwerk von 22 m Durchmesser ist im Süden und Osten von einem Graben und im Norden und Westen von einem doppelten Graben mit einem Wall dazwischen umgeben. Die Gesamtbreite der Befestigung beträgt 4–5 m. Auf dem Plateau des Kernwerkes lässt die Massierung von Bruchsteinen ehemaliges Mauerwerk vermuten.

 

Vermutlich handelte es sich um einen viereckigen (quadratischen?) Turm und ein an dessen Nordseite angebautes rechteckiges Gebäude.

 

***

 

Bei der Denkmalinventarisation im Landesamt für Archäologie Sachsen wurde 1997 von Manfred Ruttkowski die Wasserburg auf dem Blatt 276 der sogenannten Freiberger Kopie des Meilenblattes aus der Zeit um 1830 anhand des Flurnamens "Altes Schloss" erkannt und anschließend von ihm und dem damals zuständigen Gebietsreferenten im Landesamt Volkmar Geupel auch im Gelände lokalisiert.

 

Geodaten (GMM): 50.794244, 13.444337

 

 

***

 

Demnächst gucken wir uns in Mulda mal das Rittergut an, dass Zacharias Hegewald aus den Schlossteinen gebaut hat. Ein paar Bilder davon bringen wir Dir dann hier mit und nennen das Ganze "Das alte Schloss Mulda - Was daraus wurde". Vielleicht bist Du wieder neugierig? Ich hoffe es.