· 

Das graue Männel von Rauenstein

....oder: "Das sagenhafte Bild"

Am Eingang von Burg Rauenstein (Das ist nicht das "sagenhafte Bild", der Schatten ist auch kein Gespenst - sondern das bin ich beim Fotografieren....)
Am Eingang von Burg Rauenstein (Das ist nicht das "sagenhafte Bild", der Schatten ist auch kein Gespenst - sondern das bin ich beim Fotografieren....)

 

Ende November besuchten wir Burg Rauenstein bei Lengefeld im Erzgebirge. Davon haben wir Dir schon erzählt, und zwar HIER

 

Was Du vielleicht noch nicht weißt: es gibt dort ein Gespenst! Oder sogar zwei, genaugenommen. Wenn Du unerschrocken bist und auch ein wenig neugierig, dann höre hier die Sage vom "grauen Männel von Rauenstein". Ich habe sie direkt aus einem Sagenbuch (Quellenangabe s. Artikelende) unverändert so übernommen, deshalb blau markiert und in Anführungszeichen.

 

Dazwischen findest Du ein paar Bilder aus Lengefeld, was einige Minuten Fußweg vom Schloss entfernt liegt. Mehr Schlossbilder und ein Video vom Schlossinneren sind im November-Beitrag zu sehen.

 

Höre also die dramatische Geschichte:

 

Rauenstein, / Alte Ansichtskarte (www.akpool.de)
Rauenstein, / Alte Ansichtskarte (www.akpool.de)

 

"In den Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg war Wolf-Dietrich Arras Verwalter der Burg Rauenstein. Auf Grund seines schweren Lebens war er ein einsamer Mensch geworden.

 

Seinen Vater hatten die Schweden umgebracht, und seine Mutter war wegen des entbehrungsreichen Daseins gestorben. Und so war die Verwaltung der einsamen, ringsum von dichtem Wald umgebenen Burg Rauenstein so recht nach dem Geschmack Wolf-Dietrichs. Er wohnte ganz allein in der Burg. Nur ein altes Ehepaar, das ihm das Haus ein wenig in Ordnung hielt, war noch bei ihm.

 

Selten kamen Menschen auf die Burg. Einige Lengefelder fürchteten sich sogar vor Arras, da er immer einen finsteren Blick hatte. Wenn ihn sein Weg nach Lengefeld führte , trug er einen grauen Überhang und einen ebensolchen Dreispitzhut.

 

Die Lengefelder sagten dann immer: "Seht, da kommt das graue Männel von der Burg". Bald merkten aber die Lengefelder , dass Arras gar nicht so böse war wie er aussah. Da er im Walde aufwuchs, kannte er sämtliche Heilkräuter und ihre Wirkung. Aus diesen Heilkäutern fertigte er Medizin an und heilte damit viele kranke Menschen.

 

Da er selbst auch etwas herzkrank war, machte er sich selbst eine Medizin aus der giftigen Fingerhut-Pflanze. Einige Tropfen halfen ihm jedesmal über den Berg. Nahm man jedoch mehr davon, konnte das den sicheren Tod bedeuten."

 

 

"Eines Tages kam eine fahrende Zigeunertruppe auf die Burg.

 

Da für ihre Vorstellung der erwartete Lohn ausblieb, schlug man jämmerlich auf ein Äffchen ein, bis es laut aufheulte. Das konnte Arras nicht mit ansehen und warf Geld in die Menge, und als man darauf von dem Affen abließ, nahm Arras ihn mit in die Burg. Beide wurden auch bald gute Freunde. Nach einigen Wochen kam ein Bote des Kurfürsten nach Rauenstein geritten. Arras bekam die Meldung, dass der Kurfürst gedenke, bald in den Wäldern von Rauenstein eine Hetz und Treibjagd zu veranstalten. 

 

Nun wurde Arras beauftragt, dieselbe vorzubereiten. Doch Arras wollte nicht dulden, das man hier auf Tiere schoss. Seine Antwort war deshalb: " Saget um Gnaden dem Kurfürsten, bei den Wäldern um Rauenstein werde ich keine Treibjagd durchführen lassen!" Auch dem zweiten und dritten Boten gab er die gleiche Antwort. Der Kurfürst, erzürnt über die Hartnäckigkeit des Verwalters, beauftragte nun den Verwalter der Augustusburg, die Jagd in Rauenstein zu veranlassen. Nun war ein emsiges Kommen und Gehen auf der Burg. Drei Tage lang brachten Wagen Mobiliar, Geschirr und Bestecke von Augustusburg nach Rauenstein, denn in Rauenstein selbst war keinerlei Zeug für ein Jagdfest vorhanden.

 

Die Jagd selbst dauerte drei Tage. Abends wurden dann im Fürstensaale rauschende Feste gefeiert.

 

Als am letzten Abend der Jagd das Fest fast schon seinen Höhepunkt erreicht hatte, rief plötzlich ein Edelfräulein: "Wo ist denn eigentlich Arras, der komische Kauz abgeblieben? Ich habe ihn noch gar nicht zu Gesicht bekommen. Er soll kommen und uns die Zeit vertreiben!"

 

Auch der Kurfürst hatte gar nicht mehr daran gedacht, das Arras fehlte. Er befahl daraufhin einigen Dienern, dass sie Arras suchen und in den Fürstensaal bringen sollten. Arras hatte sich auf sein Turmstübchen zurückgezogen und wollte es erst dann wieder verlassen, wenn der ganze Trubel vorbei war. Außerdem fühlte er sich nicht so recht wohl , denn sein Herz machte ihm zu schaffen, so dass er öfter zu seiner Medizin greifen musste. Als ihn die Diener gefunden hatten, weigerte er sich mitzugehen. Doch sie brachten ihn schließlich mit aller Gewalt in den Fürstensaal. Jeder der Anwesenden wollte ihn betrunken machen und reichte ihm die Flasche. Jedoch wehrte Arras immer wieder ab."

 

 

"Das Äffchen sah nun, wie fremde Menschen seinem Herrn die Flasche reichten. Es hüpfte ins Turmstübchen und holte die Medizinflasche. Als die Anwesenden die Flasche in der Hand des Affen sahen, riefen sie: " Ah, der Arras will nicht von unseren Getränken, er hat seinen eigenen Schnaps!" Sie nahmen dem Affen die Flasche aus der Hand und zwangen Arras nun daraus zu trinken. Sie ahnten in ihrer Trunkenheit nicht, was sie anrichteten. Arras und das Äffchen wurden auf einmal ganz still und bleich.

 

Das Äffchen winselte leise, hatte jedoch noch so viel Kraft, um zu Arras zu kriechen und sich an seine Seite zu schmiegen. Zuerst merkte man gar nicht, was geschehen war. Als nun der Affe scheinbar so friedlich neben Arras lag und beide sich nicht bewegten, ließ der Kurfürst seinen Hofmaler Breitschneider rufen.  Er befahl ihm, die beiden Gestalten an die Wand über dem Kamin zu malen.

 

Der Maler packte Farbe und Pinsel aus und begann, Arras und seinen Affen an die Wand zu malen. Als er die Augen gemalt hatte, rief auf einmal ein Edelfräulein: "He, Maler, was machst du da? Er schaut mich mit so einem finsteren Blick an, als ob er mir drohen wollte!" Doch die auf der anderen Seite waren der Meinung, sie selbst schaue er so drohend an. Andere riefen: " Uns schaut er an, als ob er jeden Moment aus der Wand steigen würde!" Plötzlich zeigten einige mit ausgestreckten Arm auf Arras und seinen Affen: "Seht doch, sie sind tot!"

 

Und zur gleichen Zeit , da sie das gesagt hatten, bewegte sich das Bild an der Wand! Arras stieg herab und jagte all die Menschen vor sich her. In ihrer Angst schrien und riefen die Menschen alle durcheinander und versuchten, alle gleichzeitig aus dem Fürstensaal zu entkommen. Sie stürzten die Treppe hinunter, und viele brachen sich das Genick, Arme und Beine. 

 

So übte das graue Männel Rache an diesen Menschen. Die Besitzer der Burg versuchten nun in den folgenden Jahren oftmals, das Bild von der Wand zu entfernen, weil Arras gar so einen fürchterlichen Blick hatte. Sie übertünchten es immer wieder mit weißem Kalk.

 

Doch es war immer dasselbe:  am nächsten Morgen war der Kalk abgebröckelt - und das graue Männchen stand unverändert da wie vorher."

 

 

 

Quelle: "Die Wunderblume vom Schlettenberg" / Sagen aus dem mittleren Erzgebirgskreis (S. 69 - 71; 1995, Verlag Landratsamt Mittlerer Erzgebirgskreis,  Nora Tippmann / Wolfgang Buschmann)

 

Affe von Albrecht Dürer (1471 - 1528) / www.kunstkopie.de
Affe von Albrecht Dürer (1471 - 1528) / www.kunstkopie.de

 

Leider konnten wir der Sage nicht auf den Grund gehen und im Schloss nach dem Bild von Arras und seinem Affen suchen - aber vielleicht kommen wir ja später einmal hinein. Dann holen wir das nach.