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Ab heute gültig

Novelle Bevölkerungsschutzgesetz gestern verabschiedet

Das 3. Bevölkerungsschutzgesetz ist nun gültig. Gestern wurde es von Bundestag, Bundesrat und dem Bundespräsidenten bestätigt. Klar hatte man es eilig.

 

Hier die Abstimmungsergebnisse und die Informationen aus dem Bundestag (Quelle: https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2020/kw47-de-bevoelkerungsschutz-804202).

 

Man sieht, dass die parlamentarische Opposition im Bundestag fast komplett gegen (pink) das Gesetz gestimmt hat. Ausnahme sind die Grünen, die sich wahrscheinlich schon als Regierungspartei fühlen.

 

Draußen vor der Tür demonstrierten inzwischen Bürger gegen die aktuelle Corona-Politik, für ihre Grundrechte - die sie gefährdet sehen. Über 10.000 Menschen waren es, eine bunt gemischte Menge mit ganz verschiedenen Hintergründen. Herablassende Verunglimpfungen dieser Demonstranten verbieten sich für wirkliche Demokraten, solange sich die Demonstranten selbst demokratisch verhalten.  Im Verlauf des Tages wurden die Demos aufgelöst, teilweise mit Gewalt.

 

Quelle: www.bundestag.de
Quelle: www.bundestag.de

 

Die bisher gemachte Corona-Politik der Regierung ist jetzt gesetzlich abgesichert.

 

Auch künftige Einschränkungen zu verhängen wird leichter. Über dieses ganze Vorgehen und den Umgang mit der neuen Gesetzeslage wird noch zu reden sein. Wichtig ist, das alle Beteiligten sich dabei um einen angemessenen Ton bemühen und ihre eigenen Standpunkte hinterfragen. Richtig finde ich, was der Journalist Gabor Steingart in seinem heutigen Morning-Briefing dazu schreibt:

 

"Die Debatte muss geführt werden, aber nicht mit feuchter Aussprache. Die Regierung hat das erste Wort, aber nicht das letzte. Auf die Einlassung des Bundesverfassungsgerichts darf man gespannt sein."

(Morning Briefing G. Steingart, 19.11.2020, E-Mailabo)

 

Was für mich zählt, mir selber aber nicht immer gelingt: Ein sachlicher und höflicher Diskurs über alle Themen, die uns wichtig sind, muss in der demokratischen Gesellschaft möglich sein. Jeder Einzelne kann mit seinem Verhalten dazu beitragen. Was dabei stört und unbedingt weg muss: Das moralische Sendungsbewußtsein, der Tunnelblick, die arrogante Besserwisserei, die Unfähigkeit zuzuhören, der Unwillen zu verstehen, das Verbarrikadieren in der eigenen Traumwelt unter massiver Abwehr äußerer Einflüsse, die Realitätsverweigerung, das Herumgeifern ohne Selbstbeherrschung, die Zerstörung des Gegenübers.

 

***

 

Einen kleinen Seitenhieb a la "Wenn zwei dasselbe tun....." kann ich mir hier nicht verkneifen. Liegt einfach zu gut auf der Hand. Herr Orbán in Ungarn ist natürlich ein böser rechter Bube, wohingegen wir in Deutschland die verfolgte Unschuld vom Lande mimen.....

 

Ich finde, ein Vergleich mit 1933 ist in beiden Fällen absolut unangemessen.

 

 

 

Quelle: www.twitter.com / @argonerd

 

 

Auszug aus den heutigen Informationen des Bundestages

(Zitat):

 

Angenommener Koalitionsentwurf

Der angenommene Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen (19/23944) beinhaltet eine gesetzliche Präzisierung hinsichtlich der Eingriffe in grundrechtliche Freiheiten. In einem neuen Paragrafen 28a des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) werden mögliche Schutzvorkehrungen zur Bekämpfung der Epidemie konkret aufgeführt. Zudem werden Grenzwerte sowie Befristungen und Begründungen für Einschränkungen genannt.

Die Einschränkung von Demonstrationen oder etwa Gottesdiensten wird an besondere Auflagen geknüpft. Die Feststellung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite orientiert sich an den Vorgaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Festgeschrieben wird auch eine Berichtspflicht der Bundesregierung an den Bundestag.

Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser

Das Paket beinhaltet zudem Regelungen für Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, die Corona-Intensivbetten freihalten. Was die künftige Impfprogramme betrifft, sollen nicht nur Versicherte einen Anspruch auf Schutzimpfungen und Testungen haben können, sondern auch Nichtversicherte. Zur besseren Kontaktnachverfolgung im Reiseverkehr kann eine digitale Einreiseanmeldung nach einem Aufenthalt in einem Risikogebiet verordnet werden. Zugleich erhält der Begriff des Risikogebiets eine Legaldefinition.

Das Paket sieht außerdem Hilfe für berufstätige Eltern vor. Die im März 2020 geschaffene Entschädigungsregelung für Eltern soll fortgeführt werden, wenn die Betreuung der Kinder nach einer behördlichen Schließung von Einrichtungen nicht mehr möglich ist. Bei einem unter Quarantäne gestellten Kind soll künftig auch eine Entschädigungszahlung möglich sein. Eine Entschädigung wegen Verdienstausfalls wird hingegen ausgeschlossen, wenn die betreffende Person eine vermeidbare Reise in ein Risikogebiet unternommen hat.

 

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AfD: Größte Grundrechtseinschränkung seit 1949

Heftige Gegenwehr kam hingegen von der AfD-Fraktion, die zwischendurch sogar Plakate mit Hinweisen auf das Grundgesetz hochhielt und dafür von Parlamentspräsident Dr. Wolfgang Schäuble ermahnt wurde. Nach Ansicht von Fraktionschef Dr. Alexander Gauland haben die gesetzlichen Regelungen zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt. Das IfSG stehe für die größte Grundrechtseinschränkung in der Geschichte der Bundesrepublik.

Das Misstrauen werde wachsen, sagte Gauland voraus, das sei an den Demonstrationen, die gerade vor dem Bundestag stattfänden, gut zu sehen. Er mahnte: „Die Menschen treten für ihre Grundrechte ein und müssen nicht vom Verfassungsschutz beobachtet werden.“ Viele Bürger hätten existenzielle Nöte und fürchteten um ihre Freiheit. Gauland sagte: „Wir werden noch viele Monate mit dem Virus leben müssen.“ Die Bürger wüssten das, die Bevölkerung verhalte sich kooperativ und einsichtig. „Dass man sie zusperrt, ist unerträglich, und das läuft auf Diktatur hinaus.“

FDP: Freifahrtschein für die Regierung

Ganz so weit wollte FDP-Fraktionschef Christian Lindner nicht gehen, wenngleich auch die FDP das Paket äußerst kritisch sieht. Im November seien zunächst einschneidende Freiheitsbeschränkungen beschlossen worden, wenig später sei bereits infrage gestellt worden, ob die Befristung Bestand haben könne, ohne die bisherigen Beschränkungen in Gastronomie oder Kultur zu analysieren. „So stellt man das nach wie vor große Vertrauen der Bevölkerung in die Politik unnötig auf die Probe.“

Das neue Bevölkerungsschutzpaket leiste zur Risikostrategie nur wenige Beiträge. Eine reine Aufzählung von möglichen Freiheitseinschränkungen sei unzureichend. Es müsste klar zugeordnet werden, welche Maßnahmen in welcher Lage angeordnet würden. Lindner betonte: „Wir können und müssen die Entscheidungen der Regierungen lenken und ihnen klare Leitplanken geben, wenn in Grundrechte eingegriffen wird.“ Das neue Gesetz gebe der Regierung keine Leitplanken vor, sondern stelle einen Freifahrtschein aus.

Linke warnt vor schleichender Demokratiekrise

Jan Korte (Die Linke) kritisierte, die Bundesregierung habe „den Sommer verpennt“, statt die Lage zu analysieren. Das jetzt gewählte Eilverfahren der Gesetzgebung sei zwar zulässig, aber politisch unklug. Die Mehrheit der Menschen zeige nach wie vor ein solidarisches Grundverhalten. Daher trage es fast schon „monarchische Züge“, wenn nach den Bund-Länder-Gesprächen die Neuerungen verkündet würden. Damit werde Akzeptanz verspielt.

Es gebe Verbesserungen mit dem Gesetz, aber jeder Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte, die so bitter erkämpft seien, bedürfe einer Debatte im Bundestag. Korte mahnte: „Die schreckliche Corona-Krise darf nicht zu einer schleichenden Demokratiekrise werden.“

 

(Zitatende)

Demo in Berlin 18. 11. 2020 gegen den Eingriff in die Grundrechte (Screenshot Video: rbb|24 | 18.11.2020 | Video: rbb, TNN, ARD-Aktuell | Bild: dpa/Paul Zinken)
Demo in Berlin 18. 11. 2020 gegen den Eingriff in die Grundrechte (Screenshot Video: rbb|24 | 18.11.2020 | Video: rbb, TNN, ARD-Aktuell | Bild: dpa/Paul Zinken)

 

Ein Gespräch mit Hans-Georg Maaßen, dem ehemaligem Präsidenten des Verfassungsschutzes; dem Rechtsanwalt und Publizisten Carlos A. Gebauer und dem Journalisten und Schriftsteller Burkhard Müller-Ullrich kannst Du hier hören. Interessante Diskussion: