Gerade habe ich mich wieder gewundert

Der kleine Moritz unterwegs: Forderung nach fachübergreifendem Pandemierat - erst jetzt ?!

 

Du kennst das: Es wird über eine Sache gesprochen, ein Vorhaben. In der Familie, im Freundeskreis, in Deinem Unternehmen, in der Schule Deines Kindes, in der Politik, in den Medien. Dass man jetzt beschlossen habe, XYZ zu machen. Oder jemand fordert zumindest, über XYZ nachzudenken. Du hörst das und denkst Dir: "Naaaa, da hätte ich jetzt aber vermutet, das wäre schon längst so .... ?!"

 

Wie wenn der Tod in schwarzem Umhang ein Interview gäbe und schulterzuckend sagte, er dächte jetzt nun doch über die Anschaffung einer Sense nach ..... Hä? Sollte der nicht längst eine haben? So in etwa. Wer dieses Beispiel nicht so geschmackvoll findet, hat recht. Aber es verdeutlicht, was gemeint ist.

 

Mir fällt dazu gleich noch ein realer Sachverhalt ein. Ich sah vor einigen Jahren eine Fernsehdokumentation über unsere deutschen Sicherheitsbehörden im Inland. Die einzelnen Bundesländer hatten beschlossen, bundesländerübergreifend datenbasiert zusammenzuarbeiten. Gemeint war, eine Art "Online-Verbrecherkartei" (meine Namensgebung, real heißt das natürlich politisch korrekter)  anzulegen mit dem Ziel, bundesweit einen besseren Überblick zu haben. Und nein - es war nicht vor hundert Jahren, sondern ist noch nicht so lange her.

 

"Donnerwetter!" dachte ich mir damals. Wie haben die das dann bisher gemacht? Rauchzeichen im Saarland? Hinterlegte Geheimzettel in Baumhöhlen im Schwarzwald? Keilschrift auf westfälischen Tontafeln?  Anrufe aus Telefonzellen am Straßenrand von Sachsen nach Bayern, um einen flüchtigen Kriminellen zu fangen? Verfolgungsjagden zu Pferd durch brandenburgische Dörfer? Notizblöcke in Schreibtischschubladen in der Eifel? Oder noch schlimmer: kein oder lückenhafter Informationsaustausch. 

 

Gemeine Gedanken an Glaskugel, Pendel und Kaffeesatz kamen mir in den Sinn..... Das ist der Nachteil des Förderalismus. Man hat zum Beispiel 16 Landeskriminalämter und dazu noch die Bundesbehörden. Da ist ganz klar: Kommunikation ist eine Herausforderung.

 

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Ähnlich ging es mir heute, als ich eine Forderung der Grünen-Politikerin Frau Schulz-Asche (MdB, Fraktionssprecherin für Pflege- und Altenpolitik) las. Sie schlug doch tatsächlich vor, einen fachübergreifenden Pandemierat zu gründen. Waaas ?! Ich war verwirrt, aber nur kurz. Leichtsinnigerweise war ich kleiner Moritz davon ausgegangen, dass man nach immerhin einem dreiviertel Jahr Corona-Pandemie in Deutschland längst so ein Gremium hat. Haben sollte, gerne hätte.....Ja. Nein. Doch.

 

Eine kleine Recherche ergab, dass diese Forderung seitens der Grünen schon seit Juni 2020 besteht....

 

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Auf www.boerse-online.de zu lesen am 16.11. 2020:

 

BERLIN (dpa-AFX) - Vor den Beratungen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und den Ministerpräsidenten der Länder hat die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kordula Schulz-Asche die Einrichtung eines fachübergreifenden Pandemie-Rates gefordert. Darin dürften sich "nicht nur Epidemiologen und Ärzte wiederfinden, sondern auch weitere Experten wie etwa Sozialwissenschaftler, Experten für Digitalisierung, Schulen und Kommunikation", sagte sie der "Welt".

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Seit Monaten werden immer neue Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung erlassen, teilweise mit drastischen Folgen für die gesamte Gesellschaft. Man spricht in Deutschland von der größten Krise seit dem 2. Weltkrieg. 

 

Da bin ich (Schaf) bisher davon ausgegangen, dass zur Beratung der Entscheidungsträger nicht nur die Herren Drosten und Wieler allein herangezogen werden, sondern dass es, ganz wie von Frau Schulz-Asche vorgeschlagen, ein fachübergreifendes Expertengremium gibt. Leute, die sich mit Viren und Epidemien, mit Intensivmedizin, mit Hygieneschutzmaßnahmen, mit Krankenhäusern, mit dem Hausarztdasein, mit Wirtschaft, technischer Infrastruktur, Lüftungsbau, Sicherheit im öffentlichen Raum, Grenzschutz, Polizei, Justiz, Schulen, Kitas, Psychologie, Soziologie, dem gesellschaftlichen Leben in der Krise, mit Bereichen wie öffentliche Verkehrsmittel, Gastronomie und Kulturbetrieb auskennen. Und dann GEMEINSAM eine Entscheidungsvorlage für die Verantwortlichen, unsere Politiker, erarbeiten.

 

Denn worauf gründen sich sonst die Entscheidungen der Entscheider? Eine zufällige Anzahl von positiven PCR-Tests, deren Treffsicherheit auch noch fragwürdig ist? Tesla-Gründer Elon Musk hatte kürzlich an einem Tag vier Corona-Tests bei sich machen lassen. Das Ergebnis: zwei positiv, zwei negativ.....

 

Die Beratung durch das Robert-Koch-Institut und einige ausgewählte Virologen und Mediziner? Eine sauteure App, die viele Leute gar nicht benutzen und an deren Funktionieren noch gearbeitet werden muss? Das Bauchgefühl?

 

Ja, ich weiß. Unken und Meckern vom Spielfeldrand ist immer einfach. Und Entscheidungen müssen getroffen werden, auch, wenn es einem nicht passt, auch dann, wenn man es nicht genau weiß. Aber ist es nicht so, dass diese Forderung nach einem fachübergreifenden Gremium in Pandemiezeiten eine grundlegende Sache ist und keine ausgefuchste Strategie, auf die man nicht gleich kommt? Ich nörgele nicht, ich versuche zu verstehen. Und kritisiere natürlich Selbstherrlichkeit, Rechtsbeugung und Ignoranz.

 

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Was müsste nicht alles darüber hinaus GEMEINSAM diskutiert werden: Die Belegung der Krankenhäuser, speziell der Intensivstationen. Wie das medizinische Personal damit klar kommt.  Wo sich wer ansteckt, ist größtenteils bisher nicht nachvollziehbar, die Wirksamkeit der Atemschutzmasken bewertet man unterschiedlich, die Kollateralschäden in Gesellschaft und Wirtschaft sind immens, aber schwer einschätzbar.

 

Verschobene Operationen in den Krankenhäusern, Verlust der wirtschaftlichen Existenz, Vereinsamung vieler Menschen, Zunahme von interfamiliärer Gewalt, Anstieg der Suchtkranken, Gefahr politischer Radikalisierung und Unruhen u.s.w. - alles nicht einfach in ein Konzept zu bringen und abzuwägen.

 

Aber gemeinsam möglich, auch in relativ kurzer Zeit - wenn man sich einen gewissen Rahmen setzt. Das geht.

 

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Vielleicht stellt sich ja auch noch heraus, dass es längst, von Frau Schulz-Asche und mir bisher unbemerkt, schon einen Pandemierat gibt.....

 

Diese Version wäre mir persönlich die liebste, auch, wenn ich nicht gerne unrecht habe. Aber in dem Fall schon. Doch es ist eher unwahrscheinlich.

 

Nicht wegen mir, sondern wegen Frau Schulz-Asche. Wenn sie in ihrer Funktion als Sprecherin der Grünen für Pflege- und Altenpolitik im deutschen Bundestag nicht wüsste, das es so ein Gremium, so einen Pandemierat schon gibt - wäre das doch äußerst bedenklich.

 

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Aber was weiß ich schon. Schließlich kandidieren heutzutage ganz lässig und selbstverständlich Betrüger*innen für hohe Bürgermeisterämter und Parteipositionen in Deutschland. Dafür werden sie weniger kritisiert, sondern vielmehr gelobt und gefördert. Das alles bezahlt der Bürger durch seine Steuern und wundert sich (nicht mehr). Eigentlich doch auch unfassbar.

 

Ach, kleiner Moritz....