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Edelprostituierte und Kolumnenschreiberin Hanna Lakomy

Nachtgesichter

Hanna Lakomy alias Salomé Balthus (www.pressreader.com)
Hanna Lakomy alias Salomé Balthus (www.pressreader.com)

 

Salomé Balthus alias Hanna Lakomy heißt eigentlich Klara Johanna Lakomy. Ihre Eltern sind der in der DDR sehr bekannte Ostberliner Sänger und Komponist Reinhard Lakomy - er starb 2013 - und die Schriftstellerin Monika Erhardt. Beide erfanden Musik und Text zum "Traumzauberbaum", einer wunderbaren Sammlung von Geschichtenliedern, nicht nur für Kinder. Mit den Liedern von Reinhardt Lakomy bin ich aufgewachsen. Seine Schallplatten gehörten in unseren Alltag. "Das Haus, wo ich wohne", "Heute bin ich allein" und natürlich "Die Liebe im Wald" konnte ich als Kind mitsingen, gerade im letztgenannten Song nicht immer verstehend, worum es eigentlich ging.

 

Besser weiß das Hanna Lakomy, auf deren Kolumne in der BZ ich gestern zufällig aufmerksam wurde. Ich las nur ihren Namen und dachte: "Lakomy? Hat die was mit Onkel Laky zu tun?" So hieß der Sänger bei uns zu Hause. Ich las nach und - tatsächlich, sie ist seine Tochter.

 

Und nicht nur das: Hanna Lakomy ist Kolumnistin der "Berliner Zeitung" und hat Philosophie studiert. Sie lebt in Berlin und arbeitet da als Edelprostituierte mit ihrer eigenen Plattform www.hetaera.de.  Weil sie es will und kann. Außerdem ist sie als "Sexarbeiterin" auch Feministin und bezeichnet sich als links - was für diese Frau offenbar kein Widerspruch ist.

 

Sie sagt in einem Interview mit dem DLF vom 23. 07. 2018

 

„Ich bin so erzogen, dass es etwas Schönes ist, etwas Besonderes zu sein. Dass es nicht darauf ankommen kann zu sein wie alle anderen."

 

Guckt man sich Fotos von Hanna Lakomy an, sieht man eine zarte, dunkelhaarige Frau mit tiefen blauen Augen. Ich finde sie sehr attraktiv, besonders - sie strahlt Geheimnis, Kraft, Selbstbewusstsein aus. Eine grandiose Schönheit ist sie nicht. Die Basis ihres beruflichen Erfolges sind nicht Körbchengröße und auffälliges Aussehen. Eigentlich sieht sie so aus wie viele Frauen, aber eben auch wieder nicht.

 

Ich glaube, sie hat etwas, wozu nur wenige Frauen und Männer in der Lage sind. Sie kann sich auf ihr Gegenüber wirklich einstellen und die Person sein, die der andere sich wünscht, ohne sich selbst dabei preiszugeben.

 

Nun könnte man unken: ja, für 3000 € ( das kostet eine Nacht mit der Dame), da könnte man "das" auch. Aber ich glaube es nicht. Es ist ein besonderes, seltenes Talent, was nicht in erster Linie mit körperlicher Akrobatik und gut vorgetäuschtem Orgasmus zu tun hat.

 

Sondern damit, den anderen verzaubern zu können. Für eine Weile. 

 

 

Hanna Lakomy schreibt in der Berliner Zeitung am 13. 11. 2020 in ihrer Kolumne "Nachtgesichter" (Zitat):

 

"Herzklopfen! Jedes Mal, wenn mein Taxi mich durch die Berliner Nacht fährt – entweder Richtung Kudamm, auf dem geschwungenen Verlauf des Lützowufers, mit Blick auf das schwarz-goldene Wasser des Landwehrkanals, oder aber nach Mitte, durch die quirlige Oranienstraße, am Springer-Hochhaus vorbei … dorthin, wo die Hotels sind, in denen man mich erwartet.

Wie oft ich diese Strecke schon gefahren worden bin von den Taxis dieser Stadt. Es gibt Hotelzimmer, die ich inzwischen wiedererkenne – déjà-vu. Trotzdem kennt mich niemand vom Hotelpersonal, so professionell diskret wie ich bin. Jemand in meinem Gewerbe muss mit der Umgebung verschmelzen, eins werden mit dem luxuriösen Interieur. Niemand wird mich erkennen. Oder doch? Vielleicht der Portier, der mich so freundlich wie jeden grüßen wird, aber irgendwie demonstrativ? Oder der Barmann, der so tun wird, als wüsste er nicht, wie ich meinen Gin Tonic trinke? Oder die diskreten Rezeptionistinnen, die geschäftig den Kopf senken werden, gerade wenn ich an ihnen vorbeimuss.

Doch irgendwo in der marmorgefliesten Lobby, in der schummrigen Bar wird es zumindest einen Menschen geben, der mich auf jeden Fall identifizieren wird – derjenige nämlich, der mich dort hinbestellt hat. Für Geld. Das ist so eine Sache für mich mit dem Erkanntwerden. Nie weiß ich, ob es mir passiert. Ob man mich auf der Straße erkennt oder nicht. Erst recht, seit mein Nachtgesicht immer wieder in Tageszeitungen auftaucht. Ich bin angeblich die bekannteste Prostituierte Deutschlands. Das ist doch sie, die kennt man doch! – Kennt man die, muss man die kennen?"

 

Ich gönne Frau Lakomy ihr aufregendes, einträgliches und interessantes Leben. Doch denke ich, in ihrem Berufsstand gibt es sehr wenige wie sie.

 

Frauen, die sich dazu berufen fühlen, was sie tun - die es gern, ohne Not und Zwang machen. Frauen, die davon gut und unabhängig leben, für ihr Alter vorsorgen können. 

 

Die Mehrheit der Prostituierten, man geht von 90 % aus,  macht es nicht gerne oder besonders gut, sondern weil ihnen aus finanziellen Gründen gar nichts anderes übrig bleibt. Vielleicht, weil sie gar keine Wahl und wenig Perspektive haben oder zu Sex gegen Geld gezwungen werden. Eine Welt, die neben dem Glamour auch unglaubliches Leid und Elend erzeugt. Das ist mir wichtig, im Zusammenhang mit chicer Edelprostitution, Glanz, Am-gekühlten-Gin-Tonic-Nippen, Kolumnenschreiben und Talkshowauftritten das auch noch mal zu sagen hier.

 

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Ca. 800.000 Prostituierte gibt es in Deutschland nach Schätzungen, wohlgemerkt ist der Großteil von ihnen nicht so privilegiert wie Frau Lakomy. 2001 wurde die Prostitution in Deutschland gesetzlich legalisiert und gilt als normale Dienstleistung.