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Ehrenfrau?

Ohne Titel weiter so

Konsequenz?     (www.twitter.com / @IrenaBuzarewicz)
Konsequenz? (www.twitter.com / @IrenaBuzarewicz)

 

Die Freie Universität Berlin wies Bundesfamilienministerin Frau Dr. Franziska Giffey nach, dass sie in ihrer Doktorarbeit betrogen hat. Die Konsequenz daraus war nur eine Rüge, die die Ministerin erhielt. Weil diese Vorgehensweise kritisiert wurde, Studenten protestierten und die FU Berlin eine Rufschädigung befürchtet, wurde das Verfahren erneut aufgenommen. Aktueller Stand: Die Verfasserin hat nachweislich mehrfach in großem Umfang  fremde Texte verwendet, die nicht als solche gekennzeichnet sind. Diese Arbeit ist ein Betrug. Das Verfahren der FU Berlin läuft und ist noch nicht abgeschlossen, das Abschreiben wurde jedoch schon nachgewiesen und steht fest.

 

So weit, so unschön. Aber auch damit ließe sich umgehen, am besten ehrlich und konsequent seitens der Ministerin. Ein Rücktritt wäre angemessen.

 

Das ist aber wahrscheinlich nur meine persönliche und unflexible Meinung. In Berlin sieht man das anders:

 

"Berlin (dpa/bb) - Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Benjamin Höhne könnte es für Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) Vorteile haben, die Reißleine zu ziehen und auf das Führen ihres umstrittenen Doktortitels zu verzichten.

 

"Dann kann sie sich ganz auf ihre politischen Aufgaben konzentrieren. Um eine herausragende Politikerin zu sein, braucht man keinen Doktortitel", sagte der stellvertretende Leiter des Instituts für Parlamentarismusforschung am Montag der Deutschen Presse-Agentur." (Quelle dpa/bb, siehe Button 1)

 

 

Für mich sagt das Statement des Politikwissenschaftlers aus: Du brauchst als Politiker keine akademischen Titel. Ok. Dem stimme ich zu. 

 

Aber was doch für öffentliche Verantwortungsträger unabdingbar ist, das ist außer der fachlichen Kompetenz ihre Integrität, ihre "Ehre", ihre Loyalität. Ihr Verhalten, das Vertrauen rechtfertigt. Was macht sie sonst stattdessen für dieses Amt geeignet? Skrupellosigkeit, Korruptheit, grenzenloser Egoismus, Eitelkeit?

 

Ich finde es nachvollziehbar, wenn Menschen Fehler machen und dann dazu stehen. Solche Leute, die zu Selbstkorrektur und Konsequenz fähig sind, die haben meinen Respekt. Jemanden, der ignorant in seinem hohen Sessel sitzenbleibt und hofft davonzukommen, mit der Hilfe eines unterstützenden Systems - der fügt dem alten Fehler nur neue hinzu. Wieso sollte so eine Person in solch einem angesehenen, sehr gut bezahlten Amt mit weitreichender Entscheidungsbefugnis bleiben?

 

Schon unsere Kinder versuchen wir zu Ehrlichkeit und selbständigem Tun zu erziehen. Besser selber aus eigener Kraft eine nicht perfekte Leistung abliefern als abschreiben und betrügen. Der Grund: unser eigenes Tun macht uns aus, gibt uns Inhalt. Klauen wir das dauernd woanders, werden wir zur leeren Hülse.

 

Frau Giffey setzt sich besonders für die Rechte von Frauen und für Frauenquoten ein. Wenn sie selber ihren akademischen Titel durch Betrug erlangt hat und gleichzeitig Frauen weiter emanzipieren will und damit in der Öffentlichkeit steht, dann schadet sie den Frauen sehr. Denn es wirft ein schlechtes Licht auf alle gut qualifizierten Frauen, die sich ihre Abschlüsse vom Facharbeiter bis zum Doktortitel selbst hart erarbeiteten und auch dazu gestanden haben, mal etwas nicht zu schaffen.

 

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Dass solches Fehlverhalten wie von Ministerin Giffey problemlos möglich ist in unserem Land, dass unsere Gesellschaft so eine schräge Fehlerkultur hat ("Konsequenzen? Nein, danke."), das sehe ich als großes Problem. Verantwortungsträger müssen keine Heiligen sein. Sie sind Menschen und machen Fehler.

 

Wie sie damit umgehen, das zeigt ihre wahre Größe. Oder eben auch nicht.

 

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Vielleicht überrascht uns die Ministerin anstatt mit ihrem Rücktritt lieber mit einem neuen Gesetz, das namentlich zu seinen Vorgängern passt? Es könnte "Gutes-Abschreibe-Gesetz" oder "Schummeln-nicht-so-schlimm-Gesetz" heißen und mit bunten Piktogrammen versehen werden. Damit hätten wir dann wieder gleiches Recht für alle, egal ob Bundesministerin oder Schulkind.