Kintsugi

金継ぎ

Das japanische Wort "Kintsugi" bedeutet soviel wie "Goldflicken".

Kintsugi ist eine asiatische Reparaturtechnik und geht auf japanische Teemeister des 16. Jahrhunderts zurück. Sie waren dem Zen-Buddhismus verbunden und pflegten die Einfachheit und die Wertschätzung des Unvollkommenen.

Mit der Erfindung der speziellen Gold-Klebe-Technik wurde diese Haltung sozusagen sicht- und greifbar. Die Klebenähte konnte man sehen und anfassen, weil sie eben gezeigt und hervorgehoben anstatt kaschiert und versteckt wurden.

Ich wurde darauf aufmerksam, als ich so eine goldgeklebte Schale in der Fernsehwerbung sah. Da mich Kaputtes bzw. zu Reparierendes interessiert, da wollte ich mehr wissen. Was steckt hinter dieser Kleberei?

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Die der Kunst dieser Art von Reparatur innewohnende Einstellung ist das sogenannte "Wabi Sabi".

'Wabi’ drückt Einfachheit, Vergänglichkeit, Fehler und Unvollkommenheit aus,

'Sabi’ die Wirkung der Zeit auf eine Substanz oder ein beliebiges Objekt, also das Altern.

Da fragst Du jetzt: Ist Wabi Sabi dann das Altern von etwas Fehlerhaftem? Sozusagen. Und das soll was Besonderes und gar Schönes sein? Ja, es kann.

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Betrachtet man das Ganze aus neuem Blinkwinkel, weg von Perfektion und Makellosigkeit, dann ergibt sich was  Neues, sehr Interessantes, sogar ein Sinn - wie ich finde.

Wabi Sabi ist die Grundlage für diese besondere Kintsugi-Reparaturtechnik, aber auch für eine bestimmte Art der Garten- oder Wohngestaltung. Hier spielen ebenfalls die Einfachheit eine Rolle, das Unperfekte und das Dauerhafte.

Also es ist nicht das Ziel, sich aller drei Jahre irgenwelche neuen Pappmöbel zu kaufen, die dann etwas anders aussehen als ihre Vorgänger. Sondern  Solides, Funktionelles, Hochwertiges und dafür Langlebiges zu bevorzugen und zu erhalten. Insgesamt weniger und auf den Punkt gebrachter. Auch die Individualität und Nicht-Perfektion von Gegenständen, Materialien wird einbezogen. Warum eine alte, unebene Wand unbedingt mit Tapete bekleben? Warum nicht die rauhe, unebene Struktur lassen und in die Gestaltung des Raums einbeziehen?

Beispiele nur. Aber Du verstehst, wie ich es meine.

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Das Besondere ist die Lebenseinstellung dahinter. Die Schönheit und Einmaligkeit des Unperfekten, des Verletzten, des Angeschlagenen. Und nicht einfach mit Häßlichkeit und Handicaps durchs Leben gehen und sagen - ja, das ist eben so - sondern etwas daraus zu machen. Es geht also nicht darum, sich mit Unzulänglichkeiten verdrängend zufriedenzugeben, sondern sie BEWUSST wahrzunehmen und zu nutzen. Anstatt sich beim Erreichenwollen der Perfektion selbst kaputt zu machen.

Dabei sind neben den Äußerlichkeiten wie kaputten Vasen oder einer menschlichen Narbe die ganzen vielen Geschehnisse in unserem Alltag wichtig. Die Kämpfe, die wir verloren haben. Gescheiterte Arbeitsprojekte und vergangene Liebesbeziehungen, gestrandete Träume und fehlgegangene Wünsche. 

Na und? Das alles haben wir nicht nur er- , sondern vor allem überlebt! Sonst könnten wir ja heute nicht hier stehen und darüber rumräsonieren. Ist ja auch schon was.

Also bitte: eine kaputte Vase? Kleben wir, sogar mit Gold! Hinterher ist sie sehr besonders und vielleicht für manchen Betrachter schöner als vorher. Aber man muss sich bemühen und diese Reparatur sehr gut und geduldig ausführen.

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Ein mehr oder weniger grandioses Scheitern in Liebe und Beruf? Wir lügen uns nichts in die Tasche, sind hart und ehrlich zu uns selbst - aber lernen daraus. Und werden hinterher besser sein. Wie die reparierte Vase. Aber auch hier stecken Arbeit, Verstand, Geduld und Mut hinter dem "Reparaturprozess".

Wir setzen uns selbst instand. Eine Idee, die mir natürlich schon aus beruflichen Gründen sehr gut gefällt. Damit das aber funktioniert, bedarf es der ungeschönten Analyse und danach der Einschätzung der Möglichkeiten. Dabei kommen wir an Grenzen, natürlich.

Aber es geht immer etwas, das weißt Du ja.

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P.S.: Es gibt Kintsugi-Reparatur-Sets zu kaufen, da kann man es mal ausprobieren: das Goldkleben.