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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (11)

Heute: Respekt!

 

Kürzlich waren wir Eis essen, der Maulwurf und ich. 

 

Eine ruhige Ecke haben wir uns dann ausgesucht und große Eisportionen. Trotz der Verstecktheit dieses Sitzplatzes können wir durch die großen Schaufenster unserer Lieblingseisdiele gucken, auf die Passanten und einen  wunderschönen, knallroten Strandkorb. Der steht hier den ganzen Sommer vor der Tür und lockt Gäste an.

 

***

 

Der Maulwurf hat gerade eine große Amarenakirsche aus seinem Eisbecher geholt, auf den Löffel gelegt und schon genüsslich ein Stück abgebissen.

 

Mein Eis sieht ganz grün aus, von der Kiwi-Soße, die da drauf ist. Eine Extraportion, weil ich die so gerne habe, diese köstliche waldmeisterfarbene Matsche.

 

***.

 

Eine ganz gute Woche liegt hinter uns, ziemlich viel Arbeit und wie immer mehr Ideen, als sich umsetzen lassen. Aber etwas haben wir schon geschafft, das ist gut so. Und mehr musses eh immer werden. Wissen wir nicht erst seit Horst Schlämmer. 

 

Gut gelaunt löffeln wir also Eis.

 

 

Maulwurf (laut und deutlich): "RESPEKT!"

Yvonne (mit vollem Mund): "Waff?"

Maulwurf (rollt die Augen): "Heute ist der Tag des Res-pe-hekts."

Yvonne: "Ach so?"

Maulwurf (klettert am Eisbecher hoch, um noch eine Kirsche zu fischen): "Jaha. Der kommt aus den USA, also der Tag. Dort hat in 2008 die Organisation Family Violence Prevention, die sich gegen häusliche Gewalt einsetzt, gemeinsam mit Macy's, der berühmten amerikanischen Kaufhauskette, diesen Tag erfunden. Ziel: Respekt in der Gesellschaf steigern, Gewalt dadurch verringern. Der 18. September wurde ausgesucht. Aber auch in anderen Ländern gibts so einen Respektstag. In Japan zum Beispiel."

Yvonne: "Warum gerade der 18. September?"

Maulwurf: "Keine Ahnung, vielleicht, weil der 18. 09. auch der Tag des Knotens ist? Und alles so verstrickt erscheint mit dem fehlenden Respekt, der Gewalt, der Geringschätzung, dem Unglück vieler Menschen und Tiere."

Yvonne: "Tag des Knotens..... Hat vielleicht ein Seemann erfunden. Oder ein verzweifeltes Kindergartenkind...." (denkt an vergangene, eigene Schleifenbindeversuche)

Maulwurf (unwillig): "Komm, nicht abschweifen jetzt. Schließlich gehts heute um Respekt...."

Yvonne: "Ja, klar, entschuldige. Ich denke ja, das ist so was Grundlegendes, der Respekt. Eine Voraussetzung für ein gutes Leben. Wenn die fehlt, dann gehen automatisch viele andere Sachen auch nicht. Guck mal, wie viele Leute zusammen sind, die sich angeblich lieben oder doch so tun - aber scheinbar keinen Respekt voreinander haben. Oder jahrelang gemeinsam arbeiten und sich nicht achten. Oder in der Politik. Die immer den Kopf schütteln, weil der Andere so bekloppt, vergeblich, alt, fett, hässlich, unfähig, rückständig, egoistisch und einfallslos ist....."

Maulwurf: "Korrekt. Dabei merken die gar nicht, wie sie sich selber damit bloßstellen, mit iher Respektlosigkeit ihrem Partner gegenüber. Oder ihren Eltern, ihrem Kind, ihren Kollegen. Oder ihrem Maulwurf! Schließlich sind wir Maulwürfe auch kleine Respektspersonen..." (hier guckt der Maulwurf mich kämpferisch über seinen mit Erdbeereis gefüllten Löffel an...)

Yvonne: "Absolut, da hast Du recht. Und Du meinst also, wenn man Respekt für andere zeigt, dann erhöht und verbessert man sich auch irgendwie selber, im guten Sinne?"

Maulwurf: "Klar. Weil das ein guter Charakterzug ist, respektvoll zu sein. Etwas Edles. Man zeigt ja damit, dass man freundlich, klug und souverän ist. Herr der Lage. Also ganz cool eigentlich. Denn wer selber kleinkariert, böse und missgünstig ist - der hat auch wenig Respekt vor anderen, höchstens Angst."

Yvonne: "Ja, da gibts so gemeine, kleine Wadenbeißernaturen. Die immer nach oben buckeln und die Wehrlosen schlecht behandeln, wo sie nur können. Leute, die neidisch sind und anderen nichts gönnen. Die denken immer, sie selber sind zu kurz gekommen."

Maulwurf: "Stimmt, aber auf die muss man nicht sauer sein, weil die sich eigentlich schon selber bestrafen. Mit ihrer Unzufriedenheit. Wahrscheinlich sind die auch oft respektlos behandelt worden."

Yvonne: "Kann sein. Trotzdem könnten sie sich ändern, anstatt weiter ihr Kind und die Großmutter zu beschimpfen und den Hund zu treten. Sie sind erwachsen und eigenverantwortlich. Sie könnten an sich arbeiten."

Maulwurf: "Oh ja....Was verstehst Du denn unter Respekt?"

Yvonne (überlegt): "Respekt...... bedeutet für mich, andere Menschen, aber auch alle anderen Lebewesen, eine Arbeit, ein Kunstwerk, eine Leistung, einen Ort, ein Bauwerk, die Natur zu achten. Keine Gewalt auszuüben, es sei denn, um sich zu wehren. Zu verstehen, was das bedeutet für alle und alles, auf der Welt zu sein. Als Mensch, Maulwurf, Kuh, Kaktus, Papagei, Spinne oder Pantoffeltierchen. Als Buch, Kirche oder Gemälde. Zu kapieren, was Würde ist. Und das dem Anderen zu zeigen. Achtsam zu agieren. Nìcht überall geistlos draufhaun."

Maulwurf: "Du meinst, zeigen, dass man das Leben, in dem einer ist, ein bisschen versteht und ihn deshalb achtet? Egal, wie arm oder reich, wie doof oder klug, wie erfolgreich oder nicht, wie schön oder unansehnlich der ist, wie schwarz oder weiß, wie anders als man selbst?"

Yvonne: "Ja, genau. Und das ausdrücken: mit einem freundlichem Gruß, einem Lächeln oder Nicken. Die Tür aufhalten. Ein anerkennendes Wort über seine getane Arbeit, seine geäußerten Gedanken, seine Vorschläge, sein Aussehen - irgendein positives Detail. Anderes Denken zu tolerieren, auf sinnlose Gewalt zu verzichten. Etwas tun für Menschen, die auf einen angewiesen sind. Zum Beispiel, wenn man Chef ist auf Arbeit oder in der Familie das Oberhaupt. Der, welcher die Macht hat, ist meiner Meinung nach zu besonderem Respekt seiner Umwelt gegenüber verpflichtet. Auch der Natur."

Maulwurf: "Ja, aber in echt. Nicht nur ein Schild ans Werkstor schrauben, wo "Respekt" draufsteht."

Yvonne: "Nein. Insgesamt brauchen wir viel mehr Respekt füreinander in unserer Gesellschaft. Im Kleinen wie im Großen. Zu Hause, im Job, in den Parlamenten und auf der ganzen Welt. Jemanden zu respektieren heißt nicht ihn zu lieben oder alles gut zu finden, was er macht und sagt. Aber es bedeutet echte Höflichkeit, nicht nur aufgesetzte Manieren oder die ganze Hysterie ums Gendern oder den Rassismus. Jemanden achten, auch wenn man mit ihm nicht übereinstimmt. Grenzen ziehen. Für mich kein Widerspruch: Ich achte und respektiere Frau Wagenknecht und Frau Weidel, Herrn Maaßen und Herrn Chrupalla, meine Nachbarn, Kollegen, die Verwandtschaft. Alles ganz verschiedene Personen, nicht unbedingt mit meiner Meinung übereinstimmend. Es gibt aber auch Menschen, die ich nicht respektiere: weil sie selber respektlos sind."

 

Jetzt kommt noch ein zweiter Kaffee für jeden, in der schönen, dicken Jannys-Tasse.....

 

***

 

Maulwurf (schlürft heißen Kaffee und guckt gespannt): "Und Liebe?"

Yvonne: "Hä? .....Ich meine: ...wieso DAS jetzt?"

Maulwurf: "What? DAS? Na, Respekt und Liebe?

Yvonne (überlegt): "Man kann jemanden respektieren, ohne ihn zu lieben oder auch nur zu mögen. Aber man kann niemanden lieben, ohne ihn zu respektieren. Kann sein, man vergisst das manchmal, wenn man schon lange zusammen ist. Oder man zieht die falschen Schlüsse, denn Respektlosigkeit ist ein deutliches Zeichen für "falsche" Liebe. Hab ich festgestellt. Also auch, wenn man glaubt, jemanden zu lieben, den man eigentlich nicht respektiert  - dann sind das die Hormone, nicht Liebe."

 

***

Maulwurf (erst irritiert, dann kichert er und guckt freundlich): "Noch eine Kirsche, Mylady?"

Yvonne: "Gerne doch, Du kleiner Ritter.... Dankeschön!"

Maulwurf (guckt edelmütig, atmet tief): "'Der Narben lacht, wer Wunden nie gefühlt.....'"

Yvonne (gerührt, lacht leise): "Oh, Shakespeare......genauso ist es. Wir verstehn uns eben."

 

Kaffee?
Kaffee?