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Der Hase im Rausch

... natürlich mit Eberhard Esche

So ein Hase. (Grundlage: www.shz.de)
So ein Hase. (Grundlage: www.shz.de)

 

Kennst Du den "Hasen im Rausch"?

 

Nicht irgendein beliebiges, bedauernswertes Tier, was betrunken einhertorkelt, sondern das berühmte Exemplar aus dem Vortrag des Schauspielers Eberhard Esche. Geschrieben hat den Text, die Fabel, das Gedicht, der Russe Sergej Wladimirowitsch Michailow (2013 - 2009).

 

Dieser Mann schrieb einst auf Stalins Anweisung den Text der Nationalhymne der Sowjetunion. Nachdem man sich später in der UdSSR nach dessen Tod von Stalin distanziert hatte, schrieb Michailow den Text um. Nach dem Zerfall der Sowjetunion gab es kurzfristig eine andere russische Hymne für die nun autarke Russische Republik, mit der niemand so richtig warm wurde. Auch Wladimir Putin wollte die legendäre Althymne wiederhaben und beauftragte kurzerhand den betagten Dichter mit der Erstellung eines neuen, passenden Textes. Der tat das und verfasste den heute gesungenen Text der russischen Nationalhymne.

 

***

 

Eberhard Esche und seine eindrucksvolle Interpretation des Hasen-Gedichtes ist seit den 1960er Jahren sehr bekannt. In der DDR galt dieses "Hasenstück" als Kult-Metapher auf herrschende Zustände, als Kritik an den Parteifunktionären. Jedes Kind kannte es. Unser Deutschlehrer in der Schule brachte die Schallplatte mit Esche in den Unterricht mit. Eine der seltenen Stunden, wo wir alle zuhörten.

 

Der in Leipzig geborene Eberhard Esche selbst schrieb mehrere Bücher, darunter ein autobiographisches Werk mit Namen "Der Hase im Rausch". Ein anderes Buch von Esche heißt "Wer sich grün macht, den fressen die Ziegen". Auch ein sehr gelungener Titel, finde ich.

 

 

Dichter Michailow hinterließ Kinderbücher, Gedichte, Drehbücher. Über zwanzig Jahre war er Präsident des Schriftstellerverbandes seiner Heimat.  Michailows beide Söhne, Andrej und Nikita, sind Filmregisseure geworden. Er selbst wurde mit vielen Ordnen ausgezeichnet, zuletzt mit dem Vaterländischen Verdienstorden 2. Klasse im Jahr 2003.

 

Nennen möchte ich hier auch den Übersetzer des "Hasen" ins Deutsche. Die hier verwendete Version stammt von Bruno Tutenberg und ist aus dem Jahr 1955. Dichtkunst in eine andere Sprache zu übersetzen ist selbst eine Kunst. Deutlich wird das, liest man mal bewusst zwei verschiedene Übersetzungen des gleichen Werks.

 

Gleich folgt der Text zum Nachlesen.

 

Sergej Wladimirowitsch Michalkow (www.alamy.de)
Sergej Wladimirowitsch Michalkow (www.alamy.de)

 

DER HASE IM RAUSCH (Sergej W. Michalkow / deutsch: Bruno Tutenberg)

 

Der Igel hatte einst zu seinem Wiegenfeste

Den Hasen auch im Kreise seiner Gäste,

Und er bewirtete sie alle auf das Beste,

Und geradezu in Strömen floß der Wein,

Die Nachbarn gossen ihn sich gegenseitig ein.

So kam es denn, daß Meister Lampe

Bald zu schielen anfing. Er verlor den Halt.

Er konnte nur mit Mühe sich erheben

Und sprach die Absicht aus,

Sich heimwärts zu begeben.

 

Der Igel war ein sehr besorgter Wirt

Und fürchtete, daß sich sein Gast verirrt.

"Wo willst du hin? Mit einem solchen Affen!

Du wirst den Weg nach Hause nicht mehr schaffen

Und ganz allein im Wald dem Tod entgegengehn!

Denn einen Löwen wild hat jüngst man dort gesehn!"

Dem Hasen schwoll der Kamm.

 

Er brüllt in seinem Tran:

"Was kann der Löwe mir? Bin ich sein Untertan?

Es könnte schließlich sein, daß ich ihn selbst verschlinge!

Den Löwen her! Ich fordre ihn vor die Klinge!

Ihr werdet sehn, wie ich den Schelm vertreibe!

Die sieben Häute, Stück für Stück,

Zieh ich ihm ab von seinem Leibe

Und jage ihn dann nackt nach Afrika zurück!"

 

Und so verließ der Hase alsobald das fröhlich - laute Fest,

Und er begann, im Wald von einem Stamm

Zum anderen zu schwanken

Und brüllt' dabei die kühnlichsten Gedanken

Laut in die dunkle Nacht hinaus:

"Den Löwen werde ich zerzausen,

Wir sahen in dem Wald ganz andre Tiere hausen

Und machten ihnen doch den blutigen Garaus!"

Infolge des geräuschvollen Gezeters

Und des Gebrülls des trunkenen Schwerenöters,

Der sich mit Mühe durch das Dickicht schlug,

Fuhr unser Löwe auf mit einem derben Fluch

Und packt' den Hasen grob beim Kragen:

 

"Du Strohkopf willst es also wagen,

Mich zu belästigen mit dem Gebrüll?

Doch warte mal, halt still,

Du scheinst mir ja nach Alkohol zu stinken!

Mit welchem Zeug gelang es dir,

Dich derart sinnlos zu betrinken?"

Sofort verflog der Rausch dem kleinen Tier,

Es suchte rasch, sich irgendwie zu retten:

"Sie ... Wir ... Nein, ich, oh, wenn Sie Einsicht hätten!

 

Ich war auf einem Fest und trank viel Alkohol,

Doch Immer nur auf Euer Gnaden Wohl

Und Eurer guten Frau und Eurer lieben Kleinen!

Das wäre doch, so wollte es mir scheinen,

Ein trifft'ger Grund, sich maßlos zu besaufen."

 

Der Löwe ging ins Garn und ließ den Hasen laufen.

Der Löwe war dem Schnaps abhold

Und haßte jeden Trunkenbold,

Jedoch betörte ihn, wie dem auch sei,

Des Hasen Speichelleckerei.