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Wir sind Welterbe - unterwegs in der Montanregion Erzgebirge (1)

Das Reichenauer Grubenfeld "Friedrich Christoph"

Huthaus an der Pfaffengrube / Friedrich- Christoph-Stollen (Reichenau / Erzgebirge)
Huthaus an der Pfaffengrube / Friedrich- Christoph-Stollen (Reichenau / Erzgebirge)

 

Im Sommer 2019 wurde das Erzgebirge mit einigen seiner bedeutendsten bergbaugeschichtlich geprägten Landschaften und Städte Welterbe der UNESCO. 22 Stätten wurden zum Welterbe gekürt, darunter die Stadt Freiberg mit ihrer Umgebung, der Annaberger Pöhlberg oder die alten Silberbergwerke in Dippoldiswalde.

 

Nun gibt es viele erkundenswerte Orte im gesamten Erzgebirge, die nicht auf dieser Liste stehen und sich teilweise fernab der Touristen-Hotspots befinden. Es lohnt sich, ihre Geheimnisse zu entdecken. Einen solchen Geheimtipp haben wir besucht und legen ihn Dir hier mal ans Herz. Die Silbererzgrube "Friedrich-Christoph" in Reichenau bei Frauenstein.

 

 

Los geht es am Markt in Frauenstein. Die schöne Burgruine lassen wir heute mal links liegen und gehen die Wassergasse hinunter. So verlässt man die historische Innenstadt und kommt in einen dörflichen Teil der kleinen Stadt rund um das Weidegut. 

Frauenstein / Erzgebirge
Frauenstein / Erzgebirge

 

Gärten, kleine Häuser, Wiesen und Wege prägen das Bild. Wir gehen auf dem "Reichenauer Weg" stadtauswärts. Die Ferne lockt.

 

 

Vom Limousinhof Klemm aus geht es noch ein Stück bergauf. Rückwärts hat man einen tollen Blick auf Stadt und Burg. Vorwärts überquert man die kleine Landstraße am Ortsausgang und betritt sofort einen Feldweg auf der anderen Seite. Er führt nach Reichenau. Eine sehr schöne Strecke von Frauenstein über Reichenau nach Hermsdorf. Beste Aussicht die ganze Zeit. Sieh selbst:

 

 

Unser Ziel ist heute die Pfaffengrube des Friedrich-Christoph-Stollens, in der seit 1520 Silbererz gefördert wurde. Bis 1888. An der Pfaffengrube steht noch das 1795 erbaute Huthaus, das den Spitznamen "Ölkeulchenvilla" trägt. Sicher ist der Grund dafür, dass es hier früher mal die sehr leckeren "Keulchen", eine Erzgebirgsspezialität, gab.

 

Dafür werden für drei hungrige Personen 1 kg gekochte Kartoffeln, 500 g Quark, 100 g Mehl, Zucker nach Bedarf, Prise Salz, Spritzer Zitronensaft verknetet und kleine Fladen geformt. Die brät man dann in reichlich Öl mehrfach beidseitig, bis sie goldbraun und "durch" sind. Dazu gibts traditionell Apfelmus. Ein Gedicht, sag' ich Dir.

 

 

Aber zurück zum Huthaus. Nach Ende des Bergbaus nutzte man es als Kleinbauernhaus. Es liegt so schön in der Landschaft mit seinem kleinen Obstgarten, die baumbewachsene Halde der Pfaffengrube gleich nebenan. Schon als Kind gefiel es mir. Ob heute jemand dauerhaft darin wohnt, weiß ich nicht. Es sieht auf jeden Fall solide, gut gedeckt und nicht vergammelt aus.

 

 

Der Pfaffenschacht selbst, dessen kleine Halde, ist über einen kleinen abgesicherten Weg begehbar. Eine Infotafel erklärt Geschichtliches, ein Ruheplatz lädt zum Sitzen ein.

 

Wer sich für den bergbaulichen Hintergrund interessiert, findet dazu weitere Infos am Artikelende.

 

 

Wir umrunden die Halde und das Huthaus. Das Wetter ist angenehm frisch. Wind weht. Herrliche Wolken ballen sich und spiegeln sich in einer tatsächlich vorhandenen großen Pfütze. 

 

Der Maulwurf meckert allerdings über den Kaffee, der unerklärlicherweise heute vergessen wurde. Es gibt nachher welchen in der Bäckerei Schmieder unweit vom Frauensteiner Markt. Falls Du mal im Oktober in eine der Filialen des Schmieder-Bäckers kommst: probiere die Reformationsbrötchen. Es sind die besten.....

 

Von der Aussicht auf Kaffee ermuntert, machen wir uns auf den Rückweg unserer kleinen Bergbaurunde heute.

 

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Wenn man Lust dazu hat, so kehrt man nicht am Keulchen-Huthaus wieder um so wie wir heute. Sondern folgt diesem Weg nach Reichenau und weiter bergan in Richtung Hermsdorf. Hier zwischen Reichenau und Hermsdorf kann man die Quelle der Bobritzsch finden und einen sagenumwobenen Ort namens "Wüste Kirche". 

 

Aber das - ist wieder eine neue Geschichte.

 

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Kein Kaffee!
Kein Kaffee!

 

Die "Bergbaufreunde Sachsen" informieren auf ihrer Website ( https://www.bergbaufreunde-sachsen.de/erzgebirge/reichenau/) über die sächsischen Bergbauregionen. Zu Reichenau erfahren wir:

 

 

 

Zur Geschichte des Silberbergbaus in Reichenau bei Frauenstein

Der Reichenauer Bergbau ist urkundlich seit dem frühen 16. Jahrhundert bekannt. Grundlage des Abbaus waren mehrere Silbererzgänge der edlen Quarzformation, die sich in einem etwa 2.000 x 200 Meter großen Grubenfeld westlich von Reichenau befanden.

 

Die beiden wichtigsten (und ältesten?) Gruben waren "Friedrich August" und "Friedrich Christoph". Letztere Grube lieferte bereits seit 1520 mit Unterbrechungen Silber nach Freiberg. Die Pochwerke und Schmelzhütten der Reichenauer Gruben befanden sich im Gimmlitztal südlichwestlich von Reichenau. Beide Grubenbereiche besaßen vermutlich bereits frühzeitig Entwässerungsstollen zum Bobritzschtal.

 

Von den Wirren des Dreißigjährigen Krieges erholte sich der Bergbau erst Ende des 17. Jahrhunderts allmählich, die Erfolge blieben jedoch (vorerst) bescheiden. "Friedrich August" lieferte zwischen 1711 und 1784 nur knapp 187 Kilogramm Silber, wiederholt war man hier beim Vortrieb auf bereits weitgehend ausgeerzte Bereiche des frühen Bergbaus gestoßen. 1799 brach zudem die Zimmerung des Linsenschachtes, des Hauptschachtes von "Friedrich August", in sich zusammen.

 

Unter diesen schwierigen Bedingungen erschien nur eine Maßnahme für die Aufrechterhaltung des Bergbaus erfolgversprechend: die Erschließung tieferer (noch unerschlossener) Bereiche der Erzgänge. Dafür wurde der "Friedrich Christoph Stolln" als tiefster Entwässerungsstollen vom Grubenfeld "Friedrich Christoph" ins Grubenfeld von "Friedrich August" verlängert. "Friedrich Christoph" arbeitete zu dieser Zeit rentabler, als "Friedrich August", zwischen 1787 und 1834 erbrachte die Grube eine Ausbeute von fast 2.800 Kilogramm Silber.

 

1834 wurden beide Gruben vereinigt. 1850 erreichte der "Friedrich Christoph Erbstolln" nach einer Länge von ca. 2 Kilometern den Linsenschacht an der Straße Frauenstein - Hermsdorf. Die Jahre ab 1855 erbachten nochmals hoffnungsvolle Erzanbrüche, allein 1865 konnten 477 Kilogramm Silber erschmolzen werden. Von da an ließ die Ausbeute jedoch nach. Weitere Erze wurden in größeren Tiefen vermutet, wegen der Unsicherheit dieser Vermutung ließ sich jedoch ein weiterer Vortrieb über die bislang erreichte Teufe von reichlich 200 Metern hinaus nicht finanzieren. Deshalb wurde der Reichenauer Bergbau 1887/88 endgültig stillgelegt.

 

Heute zeugen Halden, Schachtpingen, das Huthaus der Grube "Friedrich Christoph" (erbaut 1795) und das Mundloch des "Friedrich Christoph Erbstolln" von der Reichenauer Bergbaugeschichte. Der "Friedrich Christoph Erbstolln" wurde 2008-2010 vom sächsischen Oberbergamt saniert, um die geregelte Wasserabführung aus den alten Grubenbauen zu gwährleisten. Im Gimmlitztal haben Bergbaufreunde in den letzten Jahren zudem die Grundmauern der alten Silberwäsche freigelegt.