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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (8)

Heute: Vom Unterwegs-Sein

 

Der Maulwurf und ich sitzen im Zug, wir sind unterwegs zu einem schönen Ort. Ein Schloss an einem Fluss.

 

Gemütlich sitzen wir in unseren blaugemusterten Sesseln am Fenster; außer uns sind heute nur wenige Leute unterwegs um diese Zeit. Das Wetter ist  sehr abwechslungsreich; Sonne, Wolken, sogar ein paar ganz wenige Regentropfen zwischendurch gibt es. Die Lufttemperatur bewegt sich auf die dreißig Grad zu heute.. Aber der Zug ist angenehm klimatisiert. Wir haben das Kaffeerohr ausgepackt und schauen in die vorbeiziehende Landschaft. Die Sonne spiegelt sich im Fluss, der immer wieder zu sehen ist. Wolken. Laubwald und Feld, Dörfer, Vögel, Kühe und Ziegen bestimmen das Bild. Wenige Menschen, auch an den Haltestellen des Zuges tut sich nicht viel. Ein, zwei Leute steigen aus. Einer ein. So ungefähr geht das auf dieser Strecke. Um diese vormittägliche Zeit in der Woche. Die Pendler sind durch, die Schüler haben noch Ferien. Genau die richtigen Stunden, um zum Vergnügen unterwegs zu sein.

 

Zum Vergnügen unterwegs sein. Das ist es.

 

Wir können uns nicht satt sehen und gucken die ganze Zeit zum Fenster raus. Da der Zug eine kleine Bahn und kein schneller ICE ist, kann man gut beobachten, was draußen so vor sich geht. Währenddessen unterhalten wir uns über das Reisen und das Sein an verschiedenen Orten. Der Kaffee dampft, sobald man die Kanne kurz aufschraubt.... 

 

 

Maulwurf (genüsslich): "Ja, so ein Kaffeerohr ist ein unverzichtbares Reiseutensil." (schlürft Kaffee aus seinem kleinen Unterwegs-Becher)

Yvonne (nickt zustimmend): "Das ist wahr. Wenn Du im ICE unterwegs bist, bringt Dir vielleicht jemand Croissants, eine Bockwurst und Kaffee. Und es gibt ein Bordrestaurant, wo man hingehn kann. Wenn aber die Servicekraft gerade die Grippe hat und kurzfristig kein Ersatz da ist. Oder die Kaffeemaschine im Bordrestaurant geht kaputt. Da bist Du immer gut beraten, wenn Du wenigstens Kaffee und Wasser mithast. Unabhängigkeit - Du weißt - ein wichtiges Gut. Vielleicht noch ein, zwei trockne Brötchen und zwei Snickers, dann bist Du gut ausgerüstet.

Maulwurf (guckt skeptisch): "Waaas, zwei Snickers, meine Lieblingsschokoriegel....Die reichen ca. für 50 km, und dann? Will damit sagen, es kommt schon drauf an, wo man hinfährt. Wie lange, wie weit."

Yvonne: "Stimmt. Fährst Du, sagen wir, von Döbeln aus nach Klosterbuch, bist Du paar Minuten unterwegs. Da kannste Deinen Kaffee in der Tasche lassen für später.Und die Snickers auch."

Maulwurf: "Verstehe. Für den nächsten Ort, an den man kommt, wo es auch keinen Kaffee gibt."

Yvonne: "Genau. Lohnt sich ja oft nicht, in ganz kleinen Dörfern oder überhaupt für wenige Leute etwas auszuschenken. Versteh' ich schon, ist aber trotzdem schade."

Maulwurf: "Ja, ich stelle mir das auch schön vor. Überall, wo man hinkommt, in jedem winzigen Dörfchen, gäbe es ein ganz kleines Café. Das immer auf hat, wenn man vorbeikommt und wo es große Tassen Kaffee gibt. Und vielleicht ein Snickers und eine Wurst. (überlegt kurz) "Zur Not ess' ich auch ein Bounty...."

Yvonne: "Hm, das wär' schön. Ist aber nicht realistisch und auch nicht so schlimm. Um so mehr freun wir uns, wenn wir was Schönes finden, zum Kaffeetrinken und Ausruhen."

Maulwurf: "Ja, mir reicht schon ein Bäckerladen mit Kaffeeautomat. Wenn das Gerät nicht schon drei Stunden vor Ladenschließung saubergemacht und desinfiziert wurde - weißt Du noch, so wie letztens?"

Yvonne (nickt): "Ja, ich erinner' mich. Aber dafür gabs bei diesem Bäcker die besten Pfannkuchen, die ich seit langem gegessen hab. Und mit Zuckerguss...." (verdreht verzückt die Augen)

Maulwurf: "Allerdings. Aber wir sind ja nicht nur zum Fressen unterwegs...."

Yvonne: "Richtig. Was willst Du sonst noch so? Warum fährst Du überhaupt so gerne in der Gegend rum?"

Maulwurf: "Genau wie Du! Warte mal....warum? Ich weiß: Ich seh' so gerne die Landschaft. So verschieden, je nachdem, wo man hinfährt und wie die Jahreszeit ist. Abenteuer! Immer was Neues. Da ist schon der Wald ganz anders in Annaberg als hinter Altzella oder in der Paulsdorfer Heide. Schöne Städte, große und kleine. Grimma und Leipzig, Dresden und Dippoldiswalde, Chemnitz, Aue und Annaberg und die Perle - Schwarzenberg - .....Hohe Berge oder kleinere oder gar keine. Flüsse, Bäche, Seen. Bäume, Wiesen, Felder, Tiere, Dörfer, Kneipen, Cafés, Bäder, Seilbahnen, Fähren, Burgen und Schlösser, Ruinen und schöne Museen...." (heiser, hat sich in Begeisterung geredet)

Yvonne: "Ja, so alte Gebäude haben's mir auch angetan. Mir erscheint es immer so, als ob die Mauern sich aufladen mit dem, was in ihnen und um sie herum passiert ist. In der ganzen Zeit. Findest Du das lächerlich?"

Maulwurf: "Nee, überhaupt nicht. In alten Kirchen zum Beispiel riecht es nicht nur nach kühlem Stein, alten Holzbänken und Kerzenwachs. Sondern auch nach der Freude, der Angst, der Hoffnung und der Trauer der Leute, die hier seit Jahrhunderten herkommen, finde ich. Und die armen Kirchenmäuse nicht zu vergessen."

Yvonne: "Ja. Eigentlich ganz einfach. Und schön. Ich bin so ein "Anfasser", Du weißt das ja. Wenn ich irgendwo Besonderes bin, in einem Schloss oder einer Burg, einer Kirche, an einer Klostermauer oder auch in einer alten Fabrikhalle oder einem Wohnhaus: da fasse ich einen Mauerstein, einen Fenstergriff, eine Balkonbrüstung, ein altes Werkzeug, einen Baumstamm an. Das verbindet einen dann mit seiner Umgebung." (guckt etwas schräg auf den Maulwurf, ob der lacht)

Maulwurf (ernsthaft): "Brauchst gar nicht so zu gucken, ich finde das nicht lächerlich! Wir sind unterwegs, nicht nur an diesem Tag zu irgendeinem Ort. Sondern doch das ganze Leben lang. Sozusagen durch Raum und Zeit. Und alle anderen auch, Menschen, Maulwürfe, Bäume, Kirchenmäuse, sogar die Steine und Fenstergriffe. Und deshalb können wir alle was erzählen, nicht nur mit Worten. Man muss sich doch immer, immer wieder auf was Neues einlassen. "

Yvonne: "Was für ein philosphisches und reiselustiges Tier der Maulwurf doch ist."

Maulwurf (beißt hungrig eine Erdnuss aus dem Snickers): " 'Wer an der Küste bleibt, kann keine neuen Ozeane entdecken.' "Das ist von Ferdinand Magellan, dem portugiesischen Seefahrer und Forscher."

Yvonne: ".....Er hat recht, der alte Kapitän....Klingt aber nicht sehr portugiesisch, sein Name...."

Maulwurf (grinst): "Jaaa, eigentlich heißt er ja auch Fernão de Magalhães. Aber weil das so schwierig ist, hat man bei uns den Namen eingedeutscht. Da staunst Du, was?"

Yvonne: "Eigentlich nicht." (Beide lachen.)

 

Pawel unterwegs
Pawel unterwegs

 

 

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