Sprachverrückt

Diese Wörter wurden aus dem Duden 2020 gestrichen

MEINE WORTE! (www.twitter.com / @IrenaBuzarewicz)

Der Duden ist in 2020 mit einer neuen, überarbeiteten Auflage herausgekommen.

Das passiert alle drei bis fünf Jahre. Neue Wörter wurden aufgenommen, andere entfernt. Das interessiert mich immer, denn ich bin sprachverrückt. Will heißen: mir gefallen Worte, deren Kombination, die Vielfalt der Möglichkeiten. Ein richtig guter Satz ist wie eine ausgesuchte Praline; langsam zergeht sie auf der Zunge, der Geschmack entfaltet sich und bleibt im Gedächtnis.

Worte und Wörter.

Wörter sind die einzelnen Buchstabengebilde. Wie Passwörter und Fremdwörter. Worte dagegen meinen den Gehalt. Wie beispielsweise Grußworte, Widerworte oder - Zauberworte. Die bei mir so heißen des schönen Klanges wegen. Sowas wie "Wiesenschaumkraut", "Estragon", "eingemummelt", "herumlungern" oder "Stahlspitze"....

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Der Duden - erscheint seit 1880 und ist wichtigstes Nachschlagewerk unserer Sprache.

Wer das Buch "Das verborgene Wort" von Ulla Hahn oder die deutschen Verfilmung "Teufelsbraten" kennt, versteht mich um so besser. Es ist die Geschichte einer Sprachverrückten, der Hildegard "Hilla" Palm. Und das ist in weiten Teilen die Geschichte der Autorin Ulla Hahn selber. Tolles Buch.

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Der Philosoph Martin Heidegger schrieb 1949: "Die Sprache ist das Haus des Seins."

Genau.

Darüber sollte man besonders im Zeitalter von HDL, LOL und WTF lieber nochmal nachdenken. Ist nicht so ein abgekürztes Haus dann recht instabil, zugig, fragwürdig, unschön, wenig gemütlich?

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Aber wieder zurück zum Duden:

Neu dazu gekommen sind 2020 zum Beispiel "Prepper", "Influencer" und "Lifehack". Auch "Klimakrise" und "Dieselaffäre" stehen jetzt darin.

Entfernt wurden 300 Wörter, dabei so schöne wie "erschrecklich", "Grillenhaftigkeit", "irrwerden" oder "saugrob". Eine Auswahl habe ich Dir hier gleich mitgebracht, siehe Liste weiter unten im Text.

Nicht so schlimm eigentlich, können wir die alten Wörter doch weiter benutzen, wie es uns beliebt. Wenn wir wissen, was die Aussortierten bedeuten und wie man sie schreibt, dann brauchen wir ja auch nicht im Duden nachzugucken.....

Schöne Kombinationen von alt und neu lassen sich bilden, so etwas wie "erschrecklicher Influenzer" oder "Irrwerden durch Lifehacks mit nachfolgender nicer Grillenhaftigkeit".

Ich liebe es jetzt schon.

Wahrscheinlich sitzt in der Duden-Redaktion ein Haufen hipper Leute zusammen. Sie heißen zum Beispiel Thorben, Fabio, Marie und Susanne. Die Männer tragen fein ausrasierte Bärte oder Männerdutt, alternativ Glatze in Kombination mit krasser Brille. Die Frauen verwenden wenig Make-up und natürliche Deos ohne Aluzusatz. Das ist alles so, wie der kleine Moritz (also ich) sich die Berliner Duden-Redaktion vorstellt. Dass die Redaktionsleiterin dagegen Frau Kathrin Kunkel-Razum heißt, ist die Wahrheit. Wahr ist auch, dass wir als Gesellschaft die Arbeit so einer Redaktion brauchen. Es ist wichtig, die Sprache zu pflegen. Was das bedeutet, darüber kann man freilich verschiedener Meinung sein.

Dieses Duden-Team also geht gemeinsam Jahr für Jahr einen elektronischen Wortbestand durch, macht Sprach-Inventur. Sie gucken jedes der armen Wörter an und sagen: "Oh, so what! Was haben wir denn da..... Völlig old school, veraltet, unmodern, ungewöhnlich. DAS sagt doch heute kein Mensch mehr. Kann weg." Und dann opfern sie den Hackenporsche und den Jungfernkranz, das Dawiderreden und den Freiersmann, gleich auch noch den Hochzeitsbitter und den Murrkopf. Zwischendurch trinken sie einen Espresso aus schicker Alfredo-Tasse oder ein ganz stilles Mineralwasser aus blauschimmerndem Glas. Die ausgestoßenen Wörter winden sich unglücklich und verdorren lautlos auf dem glatten Konferenztisch.

Ich stelle mir vor: Säße ich dort, sozusagen als Anti-Marie, mit Sprudelwasser und Riesenkaffeepott, ich würde für so manches alte Wort auf der Abschussrampe kämpfen, einfach indem ich es andauernd benutze. Durch ihre Präsenz blieben die Worte dann lebendig, zumindest im Umfeld des Sprechers, von mir.....

Beispiel: "Mensch, hat hier in dieser Blindenanstalt mal einer von euch netten Murrköpfen ne Ersatzrolle für meinen Hackenporsche? Ich könnte noch irrwerden in diesem erschrecklichen Glaskastenambiente hier. Aber nun zum Wörteraussortieren: müssen wir unbedingt die Vorführdame im Tressenrock in den Wolfsrachen werfen und sie um ihren letzten Zehrpfennig bringen....? "

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Und sag' jetzt nicht, Du weißt nicht, was ein Hackenporsche oder auch Zwiebelmercedes ist.....Achtung, ein Bild:

Da fällt mir gerade einer meiner alten Lehrer ein, der immer, wenn er sich sehr ärgerte, laut ausrief: "Da kenn' ich keine Verwandten! Da werd' ich saugrob!"

Nun ja. Wie ein Wort wirklich in den Duden kommt, das erfährst Du im gleich folgenden Video. Und dass das regelmäßige Überarbeiten des Duden-Wortschatzes notwendig ist, das steht außer Frage.

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