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Alle sind anders und keiner "normal"

Gendergerechte Kinderliteratur

 

Heute wollen wir in unserer Freitagspresseschau einen Exkurs in die moderne Kinderliteratur machen.

 

Es gibt auch heute gute Kinderliteratur. Schöne Geschichten. Fantastische Bilder. Aber es gibt auch Eigenartiges, finde ich.

 

Dazu habe ich Dir hinter dem Button ganz unten einen Artikel des Portals "flinkfeed.com" mitgebracht. Darin werden einige aktuelle Kinderbücher vorgestellt, was die Kleinen heute so vorgelesen kriegen oder sich anschauen, solange sie noch nicht selbst lesen können. Sie sind den Erwachsenen ausgeliefert, auch bei der Auswahl des Lesestoffs. Mach Dir selbst ein Bild davon. Vielleicht siehst Du es ja auch ganz anders als ich.

 

Vorab ein paar Gedanken zum Thema:

 

Comunity Editions
Comunity Editions

 

Über das Buch "Jill ist anders" schreibt der herausgebende Salmo-Verlag:

 

„Dieses Buch soll dazu beitragen, dass in naher Zukunft die Mutter eines Kindergartenkindes auf die Frage, ob das Kind denn nun Mädchen oder Junge sei, wie Jills Mutter antworten kann: ‚Das wissen wir noch nicht. Vielleicht ist es ja beides oder keins von beidem‘. Dieser Traum kann sich vielleicht schon bald erfüllen. Noch schöner wäre es, wenn wir es schaffen könnten, bei Kindern das Geschlecht und deren Unterschiede nicht mehr so stark in den Vordergrund zu rücken.“ (fembooks.de)

 

(Ursula Rosen, Alina Isensee: Jill ist anders – Ein Kinderbuch zur Intersexualität, 2015, ab 4 Jahren)

 

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Ich weiß, dass es zwischen Himmel und Erde der Kinderbücher mehr gibt als den "Struwelpeter", "Grimms Märchen", "Donald Duck", "Benjamin Blümchen", "Bibi Blocksberg",  "Harry Potter"  oder "Timur und sein Trupp" (!).... Vielfalt begrüße ich. Und nicht jedem kann alles gefallen.

 

Ich mochte zum Beispiel schon als kleines Kind die Märchen vom Andersen lieber als die der Brüder Grimm. Auch Wilhelm Hauff war gut, aber sehr gruselig.  Später liebte ich Helden wie Robinson Crusoe, Heidi in ihrer Alpenwelt, Wildkatze Katja, den Stier Ferdinand oder das Mädchen Anne aus "Annes Geheimnis". Mir gefiel es immer, wenn die Hauptperson Schwierigkeiten bekam und die dann letztlich auch meisterte. Was mir heute an diesen alten Geschichten auffällt, ist, dass die Protagonisten in der Hauptsache mit der Lösung von Problemen zu tun haben, die nicht (nur) mit der eigenen Person zu tun haben. Nein, es gab Ereignisse, Aufgaben, Kämpfe, Niederlagen. Man hatte Probleme, suchte Lösungen, kämpfte, weinte, lachte, verlor, gewann. Das alles.

 

Man suchte nach seinem Platz in der Welt, versuchte klarzukommen mit dem, was einen umgab. Das Beste daraus zu machen war die Devise, anderen zu helfen, SELBST klüger, stärker, besser zu werden. Bestimmte Charaktereigenschaften wie Mut, Klugheit, Hilfsbereitschaft, Ehrlichkeit, Zuverlässigkeit galten etwas. Feige, eine Petze, kein guter Freund oder einfach nur dumm und ungeschickt wollte keiner sein. Damit hatte man eigentlich den ganzen Tag zu tun, mit diesem Leben.

 

Auch meinem Sohn habe ich vorgelesen, als er klein war. Zu meinen alten Kinderbüchern kamen neue dazu. Von "Winnie Puuh" bis Harry Potter und "Tintenherz", viele schöne Geschichten mit den vielfältigsten Helden. Sehr lieb geworden sind uns mit den Jahren die besonderen Märchen von Ernst Wiechert. Die kann man immer wieder lesen. Für Kinder oder auch so für sich. Meine Empfehlung. Lange schon steht das dunkelblaue, glänzende und ziemlich dicke Buch zu Hause in unserem Bücherregal.

 

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Wir lieben es. (www.amazon.de)
Wir lieben es. (www.amazon.de)

 

Heute beschäftigen sich Menschen immer öfter in erster Linie mit sich selbst. Und zwar ausgiebig. Zu ausgiebig für meinen Geschmack. Was soll aus einer Gesellschaft werden, in der sich viele ihrer Mitglieder die Ich-Bezogenheit zum Lebensinhalt gemacht haben und darauf auch noch stolz sind? Wo eine Abgrenzung zwischen dem "Normalen" und den "Randerscheinungen" nicht erfolgt? Wir sind so divers, dass früh erst mal überlegt wird, wer und was man ist. Und warum. Und ob man das so will. Oder doch ganz anders. Da bleibt nicht viel Raum für mehr.

 

Egal, was man betrachtet. Es gibt rein statistisch gesehen immer in einer nicht homogenen Menge X die Ausprägung von Mehrheit und Minderheit. "Im Topf" sind solche und solche. Schon der Mathematiker Gauß analysierte diese sogenannte Glockenkurve, die "Normalverteilung". Das heißt, bei vielen Sachverhalten gibt es eine breite Mitte, das ist der Normalbereich, hier in gleich folgender Skizze grün ummalt. Und es gibt die Ränder, links und rechts davon. Je weiter außen, umso größer ist die Abweichung. Dafür ist die betroffene Menge umso kleiner.  

 

Viele Vorgänge, ihre Wahrscheinlichkeiten, folgen dieser Normalverteilung. Deswegen nennt man sie auch das "Schweizer Taschenmesser der Statistik".

 

Grundlage: Grafik / www.kagels-trading.de
Grundlage: Grafik / www.kagels-trading.de

 

In diesem statistischen Sinne benutze ich hier auch das Wort "normal" als Synonym für "die Mehrheit abbildend".  Beispiele für Wahrscheinlichkeit nach Normalverteilung:

 

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Die Mehrheit der Menschen ist  durchschnittlich intelligent, es gibt wenige besonders Intelligente und wenige besonders Beschränkte.

 

Die Mehrheit der Menschen erreicht ein bestimmtes Lebensalter. Es gibt wenige, die sehr früh sterben und wenige, die sehr alt werden.

 

Die Mehrheit der Menschen fühlt sich mit ihrem biologischen Geschlecht identisch. Mann ist Mann und Frau ist Frau. Eine Minderheit ist divers und fühlt sich anders.

 

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Das sind Fakten, die ich nicht bewerte, sondern nur nenne. Niemand muss sich ausgegrenzt oder angegriffen fühlen. Ich finde es nicht schlimm, wenn jemand nicht "normal" ist, nicht "der Norm entspricht", nicht in den Mittelteil der Glockenkurve passt. Er/sie/es soll gleichberechtigt und gut behandelt werden.

 

Aber deshalb so zu tun, als ob das alles "normal" sei, ist schon statistisch gesehen einfach falsch. Ränder gibt es, die sind nicht positiv, die sind nicht negativ, die sind eben da. Genauso wie die "normale" Mitte. Beides unterscheidet sich voneinander. Da kann die gutmenschliche Kindergartentante noch so lange hoch- und runterspringen, den Gauß verändert sie nicht. Denn es geht um Fakten und nicht um Befindlichkeiten. Abweichungen haben auch Gründe, manchmal ist das anzuerkennen besser als das  "normal" zu finden.

 

Und deswegen finde ich es problematisch, Kindern schon zum Beginn ihres Lebens zu vermitteln, dass alle Abweichungen "normal" sind. Keine gute Grundlage für ein glückliches Leben miteinander.

 

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Bringen wir ihnen doch lieber bei, dass alle Menschen gleichviel wert, aber trotzdem unterschiedlich sind. Dass jeder einen Anspruch auf ein erfülltes Leben hat, aber dafür auch selber etwas tun muss. Und richtig tolle Kinderbücher für verschiedene Geschmäcker gibt es genug, alte und neue.

 

Und: Vergiss den Wiechert nicht. Lohnt sich.

 

 

www.fembooks.de
www.fembooks.de