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Der Fall Marcel Bohnert

Oder "Die verlorene Ehre der Katharina Blum" in 2020

Oberstleutnant Marcel Bohnert (www.facebook.com)
Oberstleutnant Marcel Bohnert (www.facebook.com)

 

In einer öffentlich-rechtlichen Fernsehsendung, dem "Panorama" des ZDF, wurde Ende Juli 2020 ein Oberstleutnant der Bundeswehr, Marcel Bohnert, denunziert und als rechtsextrem bezeichnet.

 

Was genau passiert ist, lesen wir in Jan Fleischhauers Kolumne im "Focus" vom 01. 08. 2020 (Zitat):

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"Das ARD-Politmagazin „Panorama“ hat am Donnerstag vergangener Woche einen Filmbeitrag über einen Oberstleutnant der Bundeswehr gesendet, den die Redaktion der Sympathie mit Rechtsradikalen verdächtigt. Der Soldat ist in der Pressestelle der Bundeswehr als Referent beschäftigt, bis zu dem Fernsehbeitrag dürfte ihn außer seinen Kameraden kaum jemand gekannt haben. Das hat sich schlagartig geändert. Seit diesem Donnerstag ist Oberstleutnant Marcel Bohnert der Beweis, dass rechte Gesinnung in der Bundeswehr allen Ankündigungen zum Trotz ihren Platz hat, wie die Moderatorin Anja Reschke in ihrer Anmoderation ausführte.

 

Die Beweislage sieht so aus: Als Beleg für die Vernetzung des Soldaten ins rechtsradikale Milieu präsentierte das Magazin zwei Likes, die die Redaktion nach einer „Instagram-Recherche“ zutage gefördert hatte. In einem Fall hatte Oberstleutnant Bohnert ein Foto von Büchern des rechten Antaios-Verlags mit „gefällt mir“ markiert. Bei dem zweiten Like handelte es sich um ein Herzchen unter dem Urlaubsfoto eines Wasserfalls, das unter anderem mit dem Hashtag „Defend Europe“ versehen war, ein Motto, das auch bei der extremen Rechten beliebt ist."

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Daraufhin kam eine Lawine ins Rollen. Der Sender verteidigt seine veröffentlichten Vermutungen mit dem Begriff der "Verdachtsberichterstattung". Die teilweise linksextremen Vernetzungen der beteiligten Journalistinnen sind natürlich kein Thema.

 

Wie leicht es heute wieder ist, einen Menschen aufgrund fadenscheinigster und nachweislich fehlerhafter Recherche zu denunzieren und zu beschädigen. Der Grund ist: es geht nicht nur den "Panorama"-Machern darum, etwas zu beweisen. Und zwar, dass man selber recht hat, der Gute ist. Grundsätzlich. Was braucht es da Gründlichkeit, Differenziertheit, Professionalität?

 

Trotzdem die Panorama-Recherche zu Oberstleutnant Bohnert einer sachlichen Überprüfung nicht standhält, ist man beim ZDF nicht zu einer Klarstellung in der Lage. Von einer Entschuldigung mal ganz abgesehen.

 

Die öffentliche Debatte dazu war von Anfang an ein Streit gegeneinander, keine Auseinandersetzung um die eigentliche Sache.

 

Diese Politpropagandisten, die eigentlich als Journalisten der öffentlich-rechtlichen Medien die vierte Gewalt im Staat sein sollten, sind zu Marionetten geworden. Widerspruch ist nicht nur unerwünscht, sondern teilweise sehr schmerzhaft.

 

Diese Entwicklung schadet dem Einzelnen und der ganzen Gesellschaft. Wir entwickeln uns rückwärts, weil die Rechthaberei die Herrschaft übernommen hat. Fortschritt, der aus der friedlichen und guten Auseinandersetzung der Meinungen entsteht, gedeiht nicht in dieser beschränkten Atmosphäre.

 

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Jan Fleischhauer dazu in seinem Artikel:

 

"Schlimmer als ein denunziatorischer Beitrag ist für den Betroffenen ein denunziatorischer Beitrag, für den der Sender unter Rechtfertigungsdruck gerät. Undenkbar, dass man einen Fehler eingesteht oder die Recherche im Nachhinein korrigiert. Stattdessen werden die Anstrengungen verdoppelt. Erst wenn das Ansehen des Opfers vollständig ruiniert und ausgelöscht ist, gibt man sich zufrieden."

 

Mich erinnert diese bittere Kampagne (ebenso wie Herrn Fleischhauer, wie ich gerade festgestellt habe....) an eina alte Geschichte, nämlich die der Katharina Blum.

 

Heute sehr aktuell, geht es in »Die verlorene Ehre der Katharina Blum«, einer Erzählung des Schriftstellers Heinrich Böll, um die Politik der Medien und die Gefahren gesellschaftlicher Konformität damit. Genau unser Thema heute.

 

1974 erschien das Werk und kritisierte den Missbrauch der Pressefreiheit zur Zerstörung von Existenzen. Wieder mal lesenswert, diese Geschichte um die verleumdete und pressegehetzte Haushälterin Katharina Blum, die schließlich einen Journalisten ermordet und wie es dazu kommen konnte. Der Roman wurde auch verfilmt, 1975 von Volker Schlöndorff. 

 

Vielleicht liest Du ja diese Erzählung mal (wieder).

 

Link zum Buch, das es als Kindle-Download und Papier-Ausgabe gibt, hier. Auch den oben in Teilen zitierte Artikel aus dem "Focus" habe ich hinterlegt, falls Du ihn gerne komplett lesen möchtest.

 

Buchcover (www.amazon.de)
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