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Absolutist EU

....oder Demokratieverzwergung

Die göttlichen Rechte der EU? (www.liberaldictionary.com)
Die göttlichen Rechte der EU? (www.liberaldictionary.com)

Zur Zeit tagt der EU-Sondergipfel zur Entscheidung über das Corona-Aufbaupaket und das EU-Finanzbudget für die nächsten Jahre.

 

Heute früh (21.07.2020) einigte man sich nach schwierigen Verhandlungen bezüglich der Höhe und Zusammensetzung des Corona-Aufbau-Szenarios. Kurz nach halb sechs am Morgen hieß es: "Deal!"

 

Ich hatte die unsinnige Hoffnung, dass diese Entscheidung  doch bitte eine andere sein würde. Jetzt ist diese Entscheidung getroffen worden und ich muss sagen: sie gefällt mir nicht. Aber wer bin ich schon?

 

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Die Politik der Kanzlerin in den letzten zehn Jahren hat mich ganz persönlich verändert. Von einem Anhänger der europäischen Idee, einem Befürworter der EU bin ich zu ihrem Kritiker, nicht Gegner, geworden. Nicht gegen den europäischen Gedanken stelle ich mich, der ist mir nach wie vor sehr nahe. Aber dieser APPARAT EU, der die Nationalstaaten zu Abhängigen macht oder machen will, diesen Apparat lehne ich ab.

 

Eine Europäische Union sollte für mich ein Verbund europäischer Staaten zur Sicherung des Friedens, zur politischen, militärischen, wirtschaftlichen, wissenschaftlichen, kulturellen Zusammenarbeit sein. Dabei muss jeder Nationalstaat in seiner Besonderheit erhalten werden und souverän sein. Das Ziel sind nicht die Vereinigten Staaten von Europa, sondern ein lockerer Zusammenschluss Gleichgesinnter auf Augenhöhe. Aber so denke ich und nicht die aktuellen Entscheider auf der politischen Bühne. Offensichtlich.

 

Hier gehts nicht um irgendwas, das weit weg in Brüssel passiert. Nein - um eine Veränderung unserer Gesellschaft, des Lebens von uns allen, in den einzelnen Ländern. Die EU verhält sich immer mehr wie ein absolutistischer Monarch. Er macht, was er will. Er missachtet seine eigenen Gesetze. Was geht ihn sein Geschwätz von gestern an - er macht heute das Gegenteil vom gestern Gesagten. Die Anderen dürfen zahlen, aber nicht wirklich mitreden, schon gar nicht aufmucken. Er verfolgt ein Ziel: die Befestigung und den Ausbau seiner Macht.

 

Mit Demokratie hat das wenig zu tun.

 

Ganz offen mischen sich EU-Politiker in nationale Belange ein. Seien es Wahlen in Polen oder Kroatien oder der Umgang mit Ungarn und dem Regierungsstil von Herrn Orbán.

 

Was haben wir denn als Bürger für Möglichkeiten?

 

Wir könnten auswandern, die Erwerbsarbeit einstellen und keine Steuern mehr zahlen oder anders wählen. Ich entscheide mich aktuell für die dritte Möglichkeit. 

 

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Bei der nächsten Wahl wird für mich wieder ein entscheidendes Kriterium sein, wie sich die zur Wahl Stehenden bezüglich der EU verhalten. Dass man anders handeln kann, zumindest in einem gewissen Rahmen, zeigen Länder wie Polen oder Ungarn. Andere europäische Länder wie die Schweiz oder Norwegen sind gar nicht erst EU-Mitglieder. So wie die Briten, die sich für den Austritt entschieden haben. Man kann erkennen, dass die aktuelle Europa-Politik der Herrschenden nicht alternativlos ist. Und davor fürchtet sich der Riesenapparat, vor der Aufmüpfigkeit und Abtrünnigkeit seiner Untertanen. 

 

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Aber was ist nun mit der am 21. 07. 2020  getroffenen Entscheidung ?

 

 

Das Corona-Hilfspaket, hier in der folgenden Grafik graublau, enthält 750 Milliarden Euro.

 

Davon sind 390 Milliarden Zuschüsse (nicht zurückzuzahlende Geldgeschenke) und 360 Milliarden Euro Kredite. (müssen theoretisch zurückgezahlt werden). Das 7-Jahres-Budget der EU beträgt 1074 Milliarden. Ab 2028 soll mit der Schuldentilgung begonnen  werden, wenn ich das richtig verstanden habe.

 

(Bitte nicht wundern über den Gebrauch von Billion und Milliarde. Beides meint hier 10 hoch 9 (= 1000 Millionen) und hängt mit den verschiedenen zugrundeliegenden Zahlensystemen im deutsch-englischen Sprachraum zusammen. Mehr dazu HIER.)

 

Quelle: NZZ/EU-Pressestelle
Quelle: NZZ/EU-Pressestelle

 

 

Damit ist die EU auch eine Schuldenunion geworden. Immer fester werden die Mitgliedstaaten eingebunden, was zu wachsender Abhängigkeit vom EU-Apparat führt. Die nationalen Parlamente verlieren an Macht, vom Bürger mal ganz abgesehen. Selbst Regierungen, die für ihr Volk arbeiten und nicht gegen es, haben es schwer, ihre Belange durchzusetzen.

 

Ist man als Regierung dagegen bereit, immer mehr von seiner Nation zugunsten des EU-Konglomerats preiszugeben, kann man sich als großer Europäer fühlen und feiern lassen. Sein eigenes Land hat man, wieder nur meiner Meinung nach, zugunsten dieser Europa-Idee vernachlässigt, vielleicht sogar verraten. Denn der Amtseid verlangt von den hohen Amtsträgern, dass sie sich in erster Linie für ihr eigenes Land einsetzen. Und?

 

Mit diesem nun beschlossenen Pakt erreichen wir die ewige Schuldenunion innerhalb der EU.

 

Damit wurde die Corona-Krise genutzt, um die strauchelnde EU zu befestigen.

 

Es ist, glaube ich, naiv zu denken, dass man aus diesen Schulden und den dafür zu leistenden Abgaben jemals wieder raus kommt. Es wird immer etwas geben, wofür man die Bürger der Mitgliedstaaten zahlen lässt. Hat sich dieser Apparat noch weiter verfestigt, wird man ihn schwer wieder los.

 

Auffällig für mich als politischen Laien ist, dass viele der Grundsätze, die für die EU bei Gründung und noch bis vor kurzem gegolten haben, abgeschafft bzw. übergangen werden, ohne dass rechtliche Grundlagen offiziell geändert werden?! Dazu gehören die Vergemeinschaftung von EU-Schulden (widerspricht dem Maastricht-Vertrag), die Erhebung von EU-Steuern (Steuerhoheit liegt bei den Nationalstaaten) und die EU-Asylpolitik (entgegen dem Dublin-Abkommen). Warum diese ständige Missachtung eigener Regeln? In diesem Zusammenhang diskutieren Fachleute über die Staatswerdung der EU. Der deutsche Finanzminister Olaf Scholz gilt als deren Befürworter. 

 

Das angestrebte EU-Finanzierungssystem verstehe ich so ähnlich wie den Länderfinanzausgleich in Deutschland. D. h., die, die zahlen, zahlen immer. Solange sie was haben. Damit einher gehen Bedrohung durch Inflation, EU-Bevormundung, Abhängigkeit, wachsende Ungerechtigkeit. Das alles für ein Konstrukt, was kein freies Bündnis unabhängiger demokratischer Staaten mehr ist, sondern mittlerweile (wieder nur meiner Meinung nach) ein leider fehlentwickeltes Gebilde. An dem krampfhaft festgehalten wird, statt es zu korrigieren.

 

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Deutsche Arbeitnehmer werden länger arbeiten müssen, später in Rente gehen und weniger Rente erhalten als die meisten ihrer europäischen Nachbarn. Weil Deutschland der größte EU-Nettozahler ist und sich EU-gemäß profilieren will, denkt die amtierende Regierung nicht daran, ihre eigene Bevölkerung (die arbeitende) zu schützen.

 

Auch wenn in anderen EU-Staaten das Renteneintrittsalter niedriger, die Rentenzahlungen höher und die Vermögen der einzelnen Bürger sowie deren Wohneigentum anteilig höher sind als in Deutschland. Wen scherts. Andere Länder, die sich dem "Deal" verweigerten, bekommen nun Zugeständnisse. Deutschland zahlt dafür in großer Geste "den Rest". Wir hams ja.

 

Für mich ist das wieder ein unglaublicher Vorgang.

 

Man redet von Demokratie, von fortschrittlichem Europa. Frau Merkel wollte das Corona-Aufbauprogramm nicht "verzwergen". Das, was hier verzwergt wird, ist die Unabhängigkeit und Selbständigkeit der Nationalstaaten, allen voran Deutschland als leistungsfähigste EU-Wirtschaft. Die Mehrzahl deutscher Bürger kann das eigentlich nicht wollen, was hier entschieden wurde. Andere Nationen haben sich gewehrt.

 

Deutschland nicht. 

 

Wir Deutsche waren schon alles mögliche, im besten wie auch im schlechtesten Sinne. Jetzt kommt noch etwas Neues dazu. Denn bald können wir sagen: "Wir sind Zwerg."

 

Ein Demokratie-Zwerg an der Leine der EU.

 

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Ein Leser des NZZ-Artikels zum aktuellen EU-Gipfel fasst es gut zusammen:

"Vorab nur 2 Punkte zum Titel "Die EU beschliesst nach einem epischen Streit ein umfangreiches Corona-Hilfspaket":


  a) Nicht die "EU", die ja nur ein Vertragswerk und als solches kein handlungsfähiges Lebewesen ist, hat hier was beschlossen, sondern die Regierungschefs der "EU"-Vertragsstaaten. Und zwar in neoabsolutistischer Manier, ohne jede Legitimation und ohne jede Einbindung der Staatsbürger oder Parlamente. 


  b) Das ist kein "Corona-Hilfspaket ", sondern willkürliche Geldgeschenke zugunsten der jeweils herrschenden Partei(en), die diese dann de facto nach Gutdünken zur Sicherung und Ausbau ihrer Herrschaft einsetzen werden."

Da ist der Zug abgefahren für den deutschen Zwerg? (Gemälde von Carl Spitzweg (www.wikipedia.de))
Da ist der Zug abgefahren für den deutschen Zwerg? (Gemälde von Carl Spitzweg (www.wikipedia.de))