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Heute, am 20. Juli

Würdige Erinnerung: Claus Schenk Graf von Stauffenberg und sein Kreisauer Kreis

Bild: imago / leemage
Bild: imago / leemage

 

Ich habe, als ich fünfzehn war, das einzige Mal in meinem Leben eine Seite aus einem Bibliotheksbuch herausgetrennt.

 

Dieses Buch war eine Biografie über Claus Schenk Graf von Stauffenberg, die auch einige Fotos enthielt. Darunter das Porträt, was Du hier am Artikelbeginn siehst. Lange Zeit hing es dann in meinem Zimmer an der Wand, denn ich bewunderte diesen mutigen Mann und seine Mitstreiter. Ich las alles, was ich an Informationen über diese Widerständigen bekommen konnte. Und ich beschloss damals, sollte ich jemals einen Sohn haben, so sollte er Stauffenbergs Vornamen tragen.

 

Meine Hochachtung für den "Kreisauer Kreis" und sein Oberhaupt Stauffenberg hält bis heute an. Deswegen ärgere ich mich besonders über die Verunglimpfung, die so eine Persönlichkeit von Teilen unserer Gesellschaft noch Jahrzehnte nach ihrem Tod erfährt. Von Menschen, die wahrscheinlich unter ähnlichen Umständen niemals so mutig und entschlossen gewesen wären. Deren einziges Merkmal es ist, abzulehnen, zu kritisieren, alles besser zu wissen.

 

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Ich will anders sein. Will diesem Tag gerecht werden. Nachdenken über das Geschehene und wie wir es heute sehen:

 

Claus Graf Schenk von Stauffenberg versuchte am 20. Juli 1944 ein Attentat auf Adolf Hitler. Es misslang. Hitler überlebte, Stauffenberg, sein "Kreisauer Kreis" und dessen Unterstützer und deren Angehörige wurden hingerichtet bzw. inhaftiert. Nach Kriegsende sah man in der alten Bundesrepublik die konservativen Kräfte um den hohen Militär Stauffenberg teilweise als Vaterlandsverräter, die gegen ihre Regierung handelten. Überlebende Angehörige dieser Widerstandskämpfer wurden auch nach 1945 diskriminiert und geächtet. Im Osten Deutschlands, in der DDR, spielte der Antifaschismus eine größere Rolle. Aber auch hier legte man keinen großen Wert auf Protagonisten wie Stauffenberg. Zu konservativ, zu militaristisch, zu wenig revolutionär im linken Sinne. 

 

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Natürlich muss man differenzieren. Natürlich ist nicht immer alles nur schwarz oder weiß. Kann man denken und hat nicht ein fettes Brett vorm Kopf, so sollte einem klar sein, das man Geschehnisse und handelnde Personen in der Vergangenheit immer in ihrem Kontext sehen muss. Nicht herausgelöst, heute hingestellt, beleuchtet, bewertet und für unzureichend befunden.

 

Ein junger Mann namens Air Tuerkis aus Berlin, Schüler und Gründer der Plattform "Apollo", hat einen Artikel zum heutigen Tag geschrieben, der mir aus dem Herzen spricht. Er hat es verstanden. Viele Ältere nicht.

 

Es folgt ein Auszug des bei der "Achse des Guten" veröffentlichten Beitrags von Air Tuerkis. Hinter dem Button am Artikelende findest Du den gesamten Artikel.

 

Air Tuerkis / "Achse des Guten", 20. 07. 2020:

"„Es ist Zeit, daß jetzt etwas getan wird. Derjenige allerdings, der etwas zu tun wagt, muß sich bewußt sein, daß er wohl als Verräter in die deutsche Geschichte eingehen wird. Unterläßt er jedoch die Tat, dann wäre er ein Verräter vor seinem eigenen Gewissen.“ sagte Stauffenberg kurz vor dem Attentat. Er sollte recht behalten. Er, der sein Leben für den Kampf gegen den Faschismus gegeben hat, wird in der Bundesrepublik als Verräter am Antifaschismus denunziert. Denn ideologisch war er nicht progressiv genug.

Jan Böhmermann schreibt: „Georg Elser wollte Hitler umbringen, damit er keinen Erfolg hat. Stauffenberg wollte Hitler umbringen, weil er keinen Erfolg hatte“, und steht damit sinnbildlich für die Meinung, die der heutige deutsche Mainstream von ihm hat. Ja, Stauffenberg war kein Demokrat, er war reaktionär. Im Anfang war er ein Nazi und womöglich ein latenter Antisemit. Wohin er sich entwickelt hat, ist schwer zu sagen. Und wie wollen wir dann Oskar Schindler bewerten? Aber, dass im Jahre 2020 ernsthaft darüber diskutiert wird, wer Hitler töten darf und wer ideologisch nicht ausreichend dafür qualifiziert ist – das ist dann doch ein starkes Stück. Es ist vielleicht der beste Beleg dafür, wie pervertiert die sogenannte Erinnerungskultur in diesem Land ist."

Gedenkstätte "Deutscher Widerstand" in Berlin (www.wikipedia.org)
Gedenkstätte "Deutscher Widerstand" in Berlin (www.wikipedia.org)