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Elizabeth Cook

Die Frau des Entdeckers James Cook

Elizabeth Cook (1741 -1835) / Theodore Ramos
Elizabeth Cook (1741 -1835) / Theodore Ramos

 

Mit Entdecker und Seefahrer James Cook beschäftigte ich mich im Verlauf der Antirassismus-Diskussionen und Proteste dieser Wochen. Denn auch er wird derzeit angefeindet; seine Statuen sind gefährdet. Nun erfuhr ich bei der Suche natürlich etwas über seine Familie. 

 

Dass die Frau eines Kapitäns in dieser Zeit, noch dazu eines Entdeckers und Erforschers, viel Zeit ohne ihren Gatten verbracht haben wird, das liegt auf der Hand. Langwierig, störanfällig und gefährlich die Expeditionen im 18. Jahrhundert. Auch das Dasein der zu Hause Lebenden war viel unsicherer als heute. Die Frauen- und Kindersterblichkeit waren hoch. 

 

Aber Frau Cook hat es besonders schwer gehabt, obwohl sie in guten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Verhältnissen leben konnte. Trotzdem sie ihren Mann nur in sehr großen Abständen bei sich hatte, oft vergingen Jahre, war sie regelmäßig nach seinen Besuchen schwanger. Insgesamt bekam sie sechs Kinder.

 

Das Traurige: alle ihre Kinder starben vor ihr. Im Kindes- bzw. jungen Erwachsenenalter. Im Zeitraum 1768 - 1794, in sechsundzwanzig Jahren, verlor Frau Cook alle sechs Kinder und ihren Mann. Denn Captain James Cook wurde auf Hawai von Einheimischen getötet.

 

Das jüngste Kind wurde nur 3 Wochen alt. Ihr Erstgeborener, James, starb als Letzter ihrer Familie. Er ertrank im Alter von 31 Jahren im Jahr 1794. Da war Elizabeth 53 Jahre alt. Der Schmerz ist unvorstellbar. Danach lebte sie noch über 40 Jahre allein weiter. Ich hoffe, sie konnte sich mit ihrem Schmerz arrangieren und ein einigermaßen komfortables Leben führen. Alles schwer vorstellbar.

 

***

 

Manchmal sind es gerade solche nüchternen Zahlen und Daten, die mich ergreifen und berühren. Wenn man sich mal vorstellt, was da dahintersteckt. Oft schäme ich mich dann heimlich meiner vergleichsweise lächerlichen Sorgen und Schwierigkeiten. Würde ich mit Mrs. Cook über das eine oder andere Problem sprechen, dass mich so beschäftigt, dann wäre ihre Reaktion sicher in den meisten Fällen ein höfliches, nachsichtiges Lächeln. Denken würde sie sich: "Na, Deine Sorgen möcht` ich haben...". Aber sagen würde sie das natürlich nicht, als Engländerin, immer höflich und distinguiert.

 

Bei der Suche nach Informationen über Mrs. Cook fand ich diesen schönen Artikel von Kirsten Wulff aus der Zeitschrift "Mare" von 2006:

 

Die "Discovery", das zweite Schiff von Captain James Cook (www.365sterne.de)
Die "Discovery", das zweite Schiff von Captain James Cook (www.365sterne.de)

Artikel in "Mare", Nr. 55/2006:

- Elizabeth Cook, Ehefrau von Entdecker James Cook - 

Der Käpten segelte, Elizabeth wartete. Ein Leben lang

Isaac hustete, als er das Wohnzimmer betrat. „Machst du Feuer, Elizabeth?
Einer der Dienstboten könnte doch …“ Elizabeth war plötzlich verärgert. „Ich verbrenne Briefe, Isaac. Was glaubst du denn, was ich hier tue?“
„Briefe?“, sagte Isaac. „Aber …“
„Sie sind private Korrespondenz zwischen mir und meinem Mann“, sagte Elizabeth.

 

Einige hundert Briefe sind es wohl gewesen, die die alte Dame kurz vor ihrem Tod verbrannte. Briefe von Captain Cook, ihrem Mann. Briefe, die sie Wort für Wort auswendig kannte nach so vielen Jahren des Wartens, während er, James, auf See war. Elizabeth Cook verwehrte der Nachwelt jeden Einblick in ihr Leben mit dem – oder vielmehr: ohne den – berühmten Seefahrer. In ihr Leben, das sich im Schatten seiner Expeditionen abspielte. Sie war die starke Frau im Hintergrund, die man vielleicht nur bemerkt, wenn sie nicht mehr da ist. Denn was ist ein Kapitän ohne Hafen?

 

Bevor Cook zur ersten Reise aufbrach, hatte er in sein Tagebuch notiert: „Ich bin froh, Zeit mit meiner Familie zu verbringen. Von ihnen fort zu sein ist schwer genug. Nicht zu wissen, ob ich zurückkehre, ist für uns alle eine Belastung. Aber noch eine größere Bürde lastet auf mir, da ich fürchte, sie könnten bei meiner Rückkehr nicht hier sein.“ Aber Elizabeth blieb an seiner Seite. Auch nach seinem Tod.

 

Zusammengerechnet verbrachten sie nur vier Jahre gemeinsam – vier von gut 14 Jahren Ehe, für die sich niemand richtig interessierte. Bis sich vor wenigen Jahren der Lokalhistoriker Herbert Hope Lockwood, Präsident der Barking & District Historical Society, endlich fragte, woher diese Elizabeth Batts eigentlich kam, die 1762 in der Kirche St. Margaret’s in Barking einen gewissen James Cook heiratete. Das Ergebnis seiner Spurensuche: Elizabeth Batts wächst im Pub „The Bell“ des Vaters auf, in den Londoner Docklands. Der Vater stirbt kurz nach ihrer Geburt – der erste Mann, der sie nur in ihrer Fantasie begleiten wird. Die Mutter übernimmt die Gastwirtschaft und schickt das kleine Mädchen zu einer befreundeten Quäkerfamilie nach Barking. Vielleicht ist es die religiöse Erziehung der Quäker, die Elizabeth später den nötigen Halt gibt, um zu überleben. Auch wenn sie Gründe genug haben wird, den Allmächtigen zu verfluchen.

 

Elizabeth trifft James vermutlich im „Bell“, der dort übernachtet, als er noch Kohle von Newcastle nach London verschifft. Als sie heiraten, ist Elizabeth 21 Jahre alt, 13 Jahre jünger als ihr Bräutigam. Und dann? Beginnt das Warten. Sechs Kinder bringt Elizabeth zur Welt. Mit schöner Regelmäßigkeit ist sie schwanger, wenn Cook Segel setzen lässt. Nach jeder der drei Reisen, die Cook unternimmt, um die fremden Küsten zu kartografieren, erwartet ihn ein weiteres Kind in dem Haus am Londoner Stadtrand: erst James, dann Nathaniel, schließlich Eliza. Joseph und George wird er nie sehen, sie sterben noch als Neugeborene, die vierjährige Eliza erliegt der Wassersucht, während ihr Vater Australien, Neuseeland und Tahiti erkundet.

 

In einem Tagebucheintrag nach seiner Rückkehr bedauert Cook, dass er nicht zu Hause war, „um meine Frau in diesen schwierigen Zeiten zu unterstützen“. Aber der Kapitän ist schon wieder auf dem Sprung. „Unglücklicherweise habe ich keine Zeit zu trauern. Ich muss sortieren, packen …“ Er plant bereits die zweite Fahrt in die Südsee.

 

www.mare.de / Nr. 55_2006
www.mare.de / Nr. 55_2006

 

Dennoch unternimmt das Ehepaar Cook vorher seine erste und einzige gemeinsame Reise. Der Weg nach Yorkshire, wo James aufgewachsen ist, wird die weiteste Entfernung sein, die Elizabeth Cook in ihrem Leben zurücklegt. Doch "meine Frau ist eine schlechte Reisende", stellt der Gatte in einem Brief an einen Bekannten, den er gerne noch besucht hätte, fest. Elizabeth ist schwanger, die Kutsche unbequem und eng, die Straße holperig. Die vorgesehene Route wird abgekürzt.

 

Nach der ruhmreichen zweiten Expedition, genauer: nach drei Jahren und 18 Tagen ohne Ehemann, träumt Elizabeth wahrscheinlich von einem ruhigen Familienleben. Captain Cook ist ein angesehener Mann, erhält eine stattliche Pension. Er ist 47 Jahre alt, Zeit, das Leben zu genießen. Elizabeth ist zum sechsten Mal schwanger. Cook arbeitet zu Hause an einem Buch über die zweite Fahrt; bis zum Sommer 1776 ist er damit beschäftigt. Doch wer mit einem Sehnsüchtigen verheiratet ist, muss mit dem Schlimmsten rechnen. Der Navigator hätte sich zur Ruhe setzen können. Er wollte, konnte nicht. Die Faszination der Südsee war stärker.

 

Cook erlebt noch die Geburt von Hugh, dem letzten Sohn. Als Cook auf Hawai ermordet wird, ist Elizabeth 37 Jahre alt. Die Nachricht von seinem Tod erreicht sie erst 20 Monate später. Sie heiratet nie wieder und überlebt auch ihre letzten drei Kinder: James und Nathaniel ertrinken auf See, Hugh stirbt an Scharlach.

 

Wenig ist von der Frau des Kapitäns geblieben. Eine Weste, die sie für seinen geplanten Besuch beim König nach der dritten Expedition in den Pazifik nähte; eine seidene Seekarte mit Cooks Routen, die sie nach seinem Tod stickte; und ein einziges Porträt von ihr, einer würdigen alten Dame mit einem feinen Lächeln.

 

Sie hatte die gesamte vorherige Nacht damit verbracht, noch ein letztes Mal durch die Briefe zu gehen. "Zu persönlich, um sie in einem Buch zu drucken", ergänzte sie, mehr zu sich selbst als zu irgend jemand anderem im Raum. "Es ist nur Papier, Isaac", sagte sie sanft.

 

(Beide (kursiv-grün markierten) Auszüge aus: Marele Day, "Mrs. Cook - The Real and Imagined Life of the Captain`s Wife", Sydney, 2002)