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Warum Spinner und Wirrköpfe was von Madonna lernen können

oder: Über eine gescheiterte Liebe

Aber ich liebe doch meine Tagesthemen.... (und die Comics von Joscha Sauer / www.nichtlustig.de)
Aber ich liebe doch meine Tagesthemen.... (und die Comics von Joscha Sauer / www.nichtlustig.de)

 

Wer wollte, konnte sich am 06. Mai in den ARD-Tagesthemen den Kommentar von ARD-Chefredakteur Rainald Becker zu den neuen Corona-Beschlüssen der Regierung anhören. 

 

 

Es wirkt auf mich ein wenig wie Satire, wenn Herr Becker damit droht, dass es keine Normalität mehr geben werde. Außerdem ruft er zu Umkehr und Selbstbesinnung auf und führt als beispielgebende Vorbilder Madonna und Robert de Niro an. Nun habe ich vor der künstlerischen Lebensleistung der Genannten allerhöchsten Respekt. Aber was haben diese amerikanischen Künstler mit der deutschen Politik zu tun? Und wieso soll ein einfacher Bürger sich ausgerechnet in puncto Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein an einem aufwändig lebenden Star orientieren? Die Formulierung "Madonna, Robert de Niro und 200 andere Künstler und Wissenschaftler" erscheint mir auch etwas ungelenk und putzig? Die Antwort wissen wahrscheinlich nur der Wind und der Kommentator, alle beide verraten sie uns nicht.

 

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Der Umstand, dass der Vertreter eines aus staatlichen Zwangsgebühren finanzierten Senders Bürger dieses Landes als "Wirrköpfe und Spinner" bezeichnet, sorgt bei mir für Unverständnis. Mal abgesehen davon, dass der Tonfall unverschämt und die Wortwahl beleidigend ist, hat doch jeder das Recht auf seine eigene Meinung. Öffentlich-rechtliche Medien werden aus Gebühren des Volkes finanziert, damit die Bürger durch die sogenannte vierte Gewalt im Land (Legislative, Exekutive, Judikative und eben öffentlich-rechtliche Medien) möglichst objektiv informiert werden. Das ist die Daseinsberechtigung für diese Institutionen. Eigentlich.

 

Dass man eine Meinung nicht teilt, vielleicht nicht akzeptiert, das verstehe ich. Und dass mancher Mensch einem selber eigenartig erscheinende Dinge denkt und glaubt und sagt - das ist so. Unklar dagegen ist mir, wieso ausgerechnet ein öffentlich-rechtlicher Kommentator sich in dieser Weise über die Leute äußert, die seinen Sender finanzieren. Weil sie sich erlauben, eine andere Meinung zu haben?

 

Ich finde das respektlos und arrogant.

 

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Meine Meinung zu diesem Thema deckt sich auch nicht mit der jedes Demonstranten, kann und soll sie auch gar nicht. Trotzdem darf er diese Meinung haben und auch im Rahmen gesetzlicher Möglichkeiten äußern, ohne deshalb beleidigt zu werden.

 

Hinzu kommt, dass durch das starke Framing unserer öffentlich-rechtlichen Medien und deren Weglassen bestimmter Berichte über wichtige Geschehnisse im In- und Ausland das Vertrauen des Nachrichtenkonsumenten in den letzten Jahren nicht gerade zugenommen hat. Dafür gabs ordentlich was mit der Nazikeule, sobald man im Bereich Europa-, Migrations- oder Klimapolitik anderer Meinung war. Auch so schöne Lieder wie die "Umweltsau" erfand man hier, im WDR. Das kann die Geduld des nach Information Suchenden schon erschöpfen.

 

Natürlich versucht man sich da als Zuschauer, Zuhörer oder Leser  auch mal anderweitig zu informieren und trifft dabei auf alles (Un)Mögliche. Auch schwierig, hier Orientierung zu bekommen.

 

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Kurz bevor ich diesen Artikel hier schrieb, habe ich vorhin im Deutschlandfunk ein Gespräch des Moderators Jörg Biesler mit dem ehemaligen EU-Grünen-Politiker und Aktivisten der 1968er-Studentenbewegung  Daniel Cohn-Bendit gehört. Herr Cohn-Bendit ist ein Politveteran des links-grünen Spektrums und schaut im Alter von 75 Jahren auf ein bewegtes Leben zurück. Er ist Gründungsmitglied der Grünen, verteidigte im Rahmen der sexuellen Befreiung in den 1980er Jahren auch das Recht auf Sex mit Minderjährigen ("Pädophiliedebatte") und besuchte RAF-Mitglieder wie Gudrun Ensslin im Gefängnis. Soll er.

 

Befragt zur aktuellen Situation im Land und den Protesten gegen die Corona-Maßnahmen bezeichnete er die Demonstrierenden als "Bekloppte" und "Spinner". Der Moderator Jörg Biesler hat dem nicht widersprochen. Oder tat er es so feinsinnig, dass ich grobmotorische Person das gar nicht bemerkt habe? 

 

Ja, jetzt lass doch mal den armen Wind aus dem Spiel.

 

Ich gebe zu: ich weiß es nicht.