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Schall und Rauch

Vorstellungsgespräch mit militantem Nichtraucher

Die polnische Lyrikerin Wisława Szymborska ("Coffee and Cigaretts") / www.twitter.com/@kaot50
Die polnische Lyrikerin Wisława Szymborska ("Coffee and Cigaretts") / www.twitter.com/@kaot50

 

Vor ein paar Jahren lud mich eine Firma zum zweiten Vorstellungsgespräch ein. Das erste Gespräch war gut und interessant verlaufen. Auf dem neuen Einladungsschreiben wurde mir mitgeteilt, dass der Geschäftsführer mich nun persönlich kennenlernen wolle. Nun war ich gespannt.

 

An einem schönen Frühsommertag reiste ich durch die Gegend bis zum Ort meiner Bestimmung.

 

Kurz nach meiner Ankunft saß ich auch schon in einem schicken Besprechungsraum im Verwaltungsanbau an den Produktionshallen. Gemeinsam mit Herrn Dr. L..

 

Herr Dr. L., der Geschäftsführer dieses mittelständischen Unternehmens, erschien sympathisch und gesprächig. Er erzählte mir was über die Firma, sich selbst, die Auftragssituation, die Mitarbeiter in meinem (vielleicht) zukünftigen Bereich dieses metallverarbeitenden Werkes.

 

Zu Reparaturen, Störbeseitigungen und der Hässlichkeit ungeplanter Maschinenausfälle sprachen wir. Auch für spezielle Instandhaltungsthemen wie Diagnoseverfahren mit Wärmebildkamera oder den Einsatz von Spezialschmierstoffen interessierte der Geschäftsführer sich. Und die Wichtigkeit gut ausgebildeten Instandhaltungspersonals, die angemessene Bevorratung notwendiger Ersatzteile trieben ihm wenigstens nicht gleich die Zornesröte ins Gesicht. 

 

Sehr gut verlief unser Gespräch also; angenehm die Atmosphäre. Es gab Kaffee und Wasser, hinter den Mauern des Gebäudes grummelten gemütlich die Maschinen. Die Zeit verging wie im Flug. Herr Dr. L. hatte mir angekündigt, dass wir zum Abschluss des heutigen Termins einen Rundgang durch Produktion und Werkstätten des Unternehmens machen würden. Darauf war ich nun gespannt, als sich unser Dialog nach einer guten Stunde fast erschöpft hatte.

 

Dann sagte Herr Dr. L. ganz beiläufig: "Ach, wissen Sie, bevor wir jetzt aufbrechen, hätte ich noch eine Frage: Rauchen Sie ?"

 

Da ich ein ehrlicher Raucher bin und nichts von Versteckspielen in dieser Hinsicht halte, bejahte ich seine Frage. Noch dazu, da ich seit einigen Jahren wirklich nur noch am Abend, sozusagen zur Belohnung für den Tag, zur Zigarette griff. Ständiges Herumrennen mit "Kippe" oder gelegentliche Rauchpausen während der Arbeit waren also nicht zu erwarten, was ich kurz ansprach.

 

Da nickte er zustimmend, wollte aber noch wissen, warum ich rauche. Und ob mir klar sei, wie schädlich das alles ist. Was ja stimmt. Danach erzählte er von seiner eigenen jahrzehntelangen Nikotinsucht und deren abruptem Ende aufgrund persönlicher Hintergründe, die ich hier nicht wiedergeben möchte. Ich hörte zu, nickte ab und zu, verstand ihn und sagte wenig. Ich merkte schon, dass wir hier in ungünstiges Fahrwasser gerieten, da die Raucherei offensichtlich ein Reizthema für Herrn Dr. L. war.

 

Jedenfalls wollte er dann von mir wissen, unter welchen Umständen ich denn bereit wäre, mit dem Rauchen aufzuhören. Kurz erklärte ich dazu meine Haltung. Er war unzufrieden, denn die Gründe, die ich anführte, waren ihm nicht allumfassend genug. Der Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, dass es in dieser Firma keine Bereiche gibt, die prozesstechnisch so sensibel sind, dass Nichtrauchertum Arbeitsvorraussetzung ist. Herr Dr. L. wurde immer energischer, ließ sich nicht vom Thema ablenken und ich begriff schon, was er von mir hören wollte. Nämlich, dass ich sofort aufhören würde zu rauchen, wenn er mich einstellt oder sowas. 

 

Ich sagte es nicht.

 

Er fragte auch nicht direkt, sondern gab mir verschiedene Steilvorlagen, die ich ignorierte. Nach ca. einer weiteren halben Stunde war er sichtlich genervt. Er stellte mir eine besondere Frage, die ich bis heute nicht vergesse:

 

"Was würde passieren, wenn Ihr Mann Ihnen das Rauchen verbieten würde?"

 

Der meinte das ernst. Das war klar. Ich aber auch. Ich antwortete:

 

"Der müsste dann wohl woanders wohnen."

 

Höflich verabschiedete Herr Dr L. mich kurz darauf, ohne das wir den gemeinsamen Rundgang machten.

 

***

 

Den Job habe ich nicht gekriegt, dafür aber eine sehr ausführliche und freundliche Absage, unterschrieben von Herrn Dr. L.. Ich glaube, ich habe eine geraucht, nachdem ich das gelesen hatte....