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Lass die Blumen sprechen

Aber was sagen sie ?

Quelle: The old farmers Almanac (www.almanac.com)
Quelle: The old farmers Almanac (www.almanac.com)

Du kennst bestimmt die Redewendung, etwas "durch die Blume" zu sagen. Damit meint man, dass das, was direkt nicht ausgesprochen werden kann, eben anders übermittelt wird. Sozusagen verschlüsselt.

 

Hier kommen die echten Blumen ins Spiel, jedenfalls in früherer Zeit handhabte man es so. Und auch wir kennen die Bedeutung dunkelroter Rosen.  So richtig kultiviert wurde das Ganze im Viktorianischen England, also im 19. Jahrhundert. Hier war man sehr standes- und etikettenbewußt, englisch eben. Bestimmte Dinge konnten nicht offen ausgesprochen werden. Das war einfach nicht gesellschaftsfähig. Einerseits erscheint es uns heute vielleicht verklemmt und unnatürlich. Andererseits würde der heutigen Zeit etwas Höflichkeit im Umgang miteinander sehr gut tun. Die Art und Weise, etwas mit Blumen auszudrücken, nennt man Selam oder Selamlik.

 

Also, da schaun wir mal, was wir dazu herausfinden. Wir lernen eine besondere Lady kennen:

 

Lady Mary Wortley Montagu (1689 - 1762), Gemälde von Godrey Kneller (www.artuk.org)
Lady Mary Wortley Montagu (1689 - 1762), Gemälde von Godrey Kneller (www.artuk.org)

www.garten.at weiß dazu:

"Entstanden ist das Selamlik zwar nicht in England, es war jedoch eine Engländerin, die die Blumensprache in Europa populär machte – Lady Mary Wortley Montagu. Die Schriftstellerin und ihr Mann hielten sich um 1718 in Istanbul auf. In Briefen berichtete Mary von ihren Beobachtungen in der Türkei, und erwähnte dabei auch die zur damaligen Zeit sehr populäre „Blumensprache“. Beliebt waren die Blumen, denen bestimmte Bedeutungen zugesprochen wurden, als Kommunikationsmittel im Harem. Von den Haremsdamen, die mithilfe von bestimmten Blumenarten mit der Außenwelt kommunizierten, wurde Mary in die Sprache eingeweiht.

Was später in Europa unter der viktorianischen Blumensprache populär wurde, hieß in der Türkei „Selam“, benannt nach dem für Besucher öffentlich zugänglichen Teil eines Anwesens, dem Selamlik. Noch heute ist die viktorianische Blumensprache unter den Bezeichnungen Selam und Selamlik bekannt."

Bedeutung der Blumen (www.wikipedia.de):

 

Blumen wurden nicht nur in einer Sorte überreicht, also z. B. nur rote Rosen. So wie heute oft.

 

Nein, man bediente sich der ganzen Klaviatur der Möglichkeiten, Dinge auszudrücken, ohne darüber zu sprechen. Auch der "Reifegrad" der Pflanzen, die Art des Zusammenbindens und die Handstellung beim Überreichen sagten Dinge aus. Schon von meiner Oma lernte ich, dass man Blumen nie mit dem Blütenkopf der Planzen nach unten überreicht, denn das wäre unhöflich. In der Selamik bedeutet das, dass die Aussage des Straußes ins Gegenteil verkehrt wird.... hm. 

 

Ich stelle mir vor, wie groß die Möglichkeiten der Missverständnisse waren. Zwischen den Personen, die auf diese Weise kommunizierten. Welkte ein Strauß schneller, als man angenommen hatte, veränderte sich die liebgemeinte schmeichelnde Erklärung in eine volle Abfuhr. Verrutschte die Schleife des Bandes, was um die Blumen geschlungen war, war die Aussage statt: "Ich bin noch frei." genau das Gegenteil. Strauchelte der Blumenüberreicher vor der Angebeteten, und die roten Tulpen gerieten in Schieflage oder zeigten gar nach unten - eine Katastrophe. Auch musste jeder, der hier "mitkommunizierte" sich genau auskennen mit der Selamlik, damit er nicht aus Unkenntnis was Falsches rüberbrachte. 

 

Deshalb ist es verständlich, dass man damals auf das Erlernen dieser Symbolik sehr viel Wert legte. Konnte es doch das ganze Leben verändern, wenn man hier unabsichtlich was vermasselte.

 

Ach ja. Die Altvorderen hatten es damit sicher schwer. Ich stelle mir vor, wie man ein Blumengebinde Stück für Stück untersucht und entschlüsselt. Im Vergleich dazu quälen wir uns heute mit der Ausdeutung von Whatsapp-Nachrichten: HDL ist etwas anderes als HDSL. Und "Meine Süße" ist besser als nur Süße...., ein Küsschen-Smiley weniger als das Kuss-Symbol? Da ist auch viel Spielraum für Hoffen, Freuen und Traurigsein. Genau wie früher.

 

Ich wünsche mir einen Strauß aus Jasmin, roten Rosen, Kornblumen, einem Apfelblütenzweig und ein bissel Petersilie. Das Ganze passend gebunden und gerade überreicht. Vielleicht noch ein paar gelbe Margueriten und einige Wildrosen vom viktorianischen Plakat dazwischen. Das wäre dann perfekt.

 

Wie bitte? -  Nee, mehr nicht. Danke....

 

Verzichten kann ich dagegen auf Dahlien, Kletten, Disteln, Schilf, gelbe Nelken und .... blaue Rosen.

 

 

 

Wenn ich mir überlege, was ich schon so für Sträuße gebunden habe! Ohne geringste Ahnung von der Bedeutung der Blumen ! Eine ganz fahrlässige Sache, was hier mit gutgemeinten Narzissen, Astern oder gar weißen Rosenknospen angerichtet werden kann. Aber wie bei jeglicher Kommunikation müssen zwei die selbe Sprache sprechen, um sich zu verstehen. Da hatte ich bisher das Glück, dass mein Gegenüber auch keine Ahnung hatte. Offensichtlich. Zum Glück.

 

Man könnte natürlich auch fies sein und zu Gelegenheiten wie der Morgenbesprechung ein Wasserglas mit Akelei, Brennnessel und einer kleinen Gladiole auf den Platz der Person stellen, die das gerade verdient hat. Oder nur eine einzelne blaue Rose..... Du kennst auch so jemanden. Garantiert. Leider ist er/sie/es wahrscheinlich nicht feinsinnig genug und hat keine Ahnung von viktorianischen Blumengeheimnissen. Aber Du jetzt schon - klarer Vorteil.

 

 

Und falls Du jetzt nicht weißt, wie Akelei aussieht, hier eine Sorte davon:

 

Akelei (www.ich-mag-pflanzen.de)
Akelei (www.ich-mag-pflanzen.de)