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Schwarz-Grün ! - Österreich hat eine neue Regierung

Gabor Steingart: "Der eigene Schatten ist dafür da, dass man ihn überspringt."

Schnell in der Mittagspause: Heute habe ich Dir einen Artikel aus dem genialen Morningbriefing des Journalisten Gabor Steingart mitgebracht. Diesen kleinen täglichen Pressedienst des für Spiegel und Handelsblatt tätig gewesenen Profis kann man kostenfrei abonnieren und kriegt jeden Tag die aktuellsten Nachrichten von Herrn Steingart zusammengefasst als E-Mail gesendet. Besser und schneller kann man sich nicht informieren. Falls Du Dir dieses Angebot auch abonnieren willst, findest Du den Link dazu HIER.

 

Im folgenden Artikel geht es um die neue Österreichische Regierung. Kanzler wird wieder Sebastian Kurz. Die Koalition ist diesmal schwarz-grün. Viel wurde diskutiert und auch geunkt. Dass die konservative ÖVP durch die Grünen weichgespült wird und ihre Werte teilweise aufgeben muss, dass man sich gegenseitig blockiert. Ähnliches befürchtet man in Sachsen, in der Landesregierung, wo auch Konservative und Grüne (und die SPD) gemeinsam regieren sollen. In Sachsen ist die Situation (meiner Meinung nach) so, dass die Landes-CDU keine konservativen Werte vertritt. Jedenfalls werden sie nicht kommuniziert, auch im Koalitionsvertrag nicht überzeugend.

 

In Österreich dagegen scheint man auf gutem Weg zu sein. Diese Aufgabenteilung überzeugt mich hier, obwohl ich dieser Farbkombination erst skeptisch gegenüberstand. Das wäre doch ein Zukunftsmodell: Konservative, bewahrende Politik einerseits verbinden mit innovativem Fortschrittsprojekten andererseits. Nicht konfliktfrei, aber ohne Hass und Unversöhnlichkeit. Zusammenarbeit auf Sachebene bei gegenseitiger Akzeptanz und Achtung.

 

Gefällt mir. Besonders das Fazit! Aber lies selbst:

 

Und jetzt Herr Steingart:


Die bürgerlich-ökologische Koalition in Österreich bedeutet ein Wetterleuchten für Deutschland. Die Verabredung im Nachbarland zeigt nicht nur: Eine solche Paarung ist möglich. Sie zeigt auch: Es gibt eine Alternative zum Leben unter dem kleinsten gemeinsamen Nenner.

Dieser zwischen Kanzler Sebastian Kurz und Grünen-Chef Werner Kogler geschlossene Koalitionsvertrag folgt – anders als die GroKo – den Regeln einer modernen Ehe: Jeder gewährt dem anderen maximale Freiheit. Das bedeutet: Die Grünen dürfen grün und die Schwarzen schwarz sein, ohne das der andere dauernd Schnappatmung bekommt.

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dpa
 

Die Handschrift der Grünen wird im Ziel der Klimaneutralität bis 2040 deutlich. Das Aus für Öl- und Kohleheizungen kommt schon bis 2035. In zehn Jahren soll der Strom ausschließlich aus erneuerbaren Energien stammen. Ein Milliardenpaket für den Nah- und Regionalverkehr kommt hinzu. Die Grünen werden in einem neuen „Superministerium“ für Umwelt und Verkehr die Umsetzung ihrer Träume selber managen.

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Die ÖVP wiederum darf mit grüner Billigung den „konsequenten Kampf gegen die illegale Migration und den politischen Islam“ führen. Für Schülerinnen unter 14 Jahren gilt künftig ein Kopftuchverbot. Die ursprünglich von der FPÖ eingebrachte Idee der vorbeugenden Sicherheitshaft für Gefährder wird Wirklichkeit, obwohl die Rechtspartei gar nicht mehr regiert. Bisher galt diese Sicherheitshaft bei den Grünen als „menschenrechtsfeindliches Treiben“ – und als verfassungswidrig.

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Pikant, aber wahr: Sollte das in der Flüchtlingspolitik Vereinbarte den Konservativen nicht ausreichen, haben sich die Parteien auf eine Art Seitensprung-Klausel geeinigt. „Bei besonderen Herausforderungen“ dürfen sie sich Mehrheiten außerhalb der Koalition suchen. Sebastian Kurz kann also für härtere Maßnahmen auf Tuchfühlung mit den Rechten gehen, ohne die Koalition zu riskieren. Wir lernen: Die bisher in Deutschland geltende Logik von Koalitionsverträgen – jeder zerstört die inhaltlichen Ideen des anderen bis zur Unkenntlichkeit – lässt sich brechen.

 
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Klick aufs Bild führt zur aktuellen Podcast-Folge
 

Kann das funktionieren? Warum schaffte es Sebastian Kurz nach dem Scheitern seiner ÖVP-FPÖ-Koalition, politisch stärker abzuschneiden als vorher? Und: Was denkt die Wirtschaft über diese neue Regierung?

Darüber spreche ich im Morning Briefing Podcast  mit Hannes Ametsreiter. Er ist Geschäftsführer des Mobilfunkanbieters Vodafone Deutschland und Österreicher, genauer gesagt: Salzburger. In der Koalition aus ÖVP und Grünen sieht er eine Blaupause für Veränderung, die er sich auch für Deutschland wünscht:

Die ÖVP als klassische Wirtschaftspartei verbindet sich mit den Klima-Agenden und Nachhaltigkeitsideen, die eine grüne Partei vertritt. Ich glaube, das kann – eine Garantie hat man nie – ein Projekt werden, das wirklich zukunftsweisend wird.“

Dieses Experiment ist nicht ganz so neu für Österreich, sondern das gab es schon in den Bundesländern. Und es hat dort funktioniert.“

Ich glaube, auch Deutschland braucht einen Change, braucht Veränderung.“

Wir sollten achtgeben auf den Generationenkonflikt, weil heute sehr viele Entscheidungen getroffen werden, zum Beispiel was die Pensionen betrifft, die zulasten der Jungen gehen. Eine ähnliche Situation gibt es bei den Themen Klimaschutz und Nachhaltigkeit.“

Fazit: Veränderung scheint machbar. Das deutsche Gegenwartsleiden an einer Regierung der eingeschlafenen Füße ist heilbar. Von den österreichischen Grünen und der ÖVP können wir lernen: Der eigene Schatten ist dafür da, dass man ihn überspringt.