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Das Eva-Prinzip

Was macht eigentlich Eva Herman ?

So kannten wir Eva Herman; Tagesschau vom 13.07.1998
So kannten wir Eva Herman; Tagesschau vom 13.07.1998

 

Die Geschichte der Eva Herman ist spannend. 

 

Sicher kennst Du die blonde Frau mit der angenehmen Stimme noch als Tagesschau-Sprecherin und Moderatorin verschiedener Sendeformate. Zum Beispiel moderierte sie die Talkshow "Herman und Tietjen" mit ihrer Kollegin Bettina Tietjen.

 

 

Frau Herman war bekannt, erfolgreich, attraktiv - ihr ging es gut. Eine Emnid-Umfrage im Jahr 2003 bescheinigte ihr, die beliebteste Moderatorin in ganz Deutschland zu sein. Eine tolle Karriere. Mutter ist sie auch, ihren Sohn Sam bekam sie 1997.

 

www.m.imdb.com
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Doch dann passierte es, im Jahr 2006.

 

Frau Herman schrieb erst einen Artikel im Polit-Magazin CICERO und dann ein Buch: "Das Eva-Prinzip". Darin beschäftigt sie sich mit der Rolle der Frau in der Gesellschaft, als Mutter und Familienverantwortlicher, als Arbeits- und Führungskraft. Diese sich teilweise widersprechenden Anforderungen machen so mancher Frau zu schaffen. Mir teilweise auch. Deswegen las ich das Buch von Frau Herman schon damals mit großem Interesse. 

 

Nach der Veröffentlichung des "Eva-Prinzips" vertrat Frau Herman ihren Standpunkt, den sie im Buch umfangreich erläutert hatte. Daraufhin begann eine Kampagne gegen sie, die für mich damals völlig unverständlich und widerlich war. Wieso musste man eine Person, die selber Frau, Mutter, erfolgreiche Arbeitskraft war, mit einer derartigen Hexenjagd verfolgen ? Weil sie ein Buch geschrieben hatte ! Weil sie eine unpopuläre Meinung vertrat ? Weil ihre Wortwahl nicht immer perfekt war ? Sie wurde aus ihrem Arbeitsverhältnis entlassen und aus der Öffentlichkeit entfernt. Ihr Kollege Johannes B. Kerner schmiss sie im Herbst 2007 aus seiner Show raus, vor laufenden Kameras. Dafür hat Herr Kerner sich später entschuldigt, aber das ändert nichts daran, dass dieser Fernsehmoment von Millionen Zuschauern gesehen wurde und in Erinnerung bleibt.

 

Misst man nur annähernd mit gleichem Maß, so dürfte mancher Politiker oder Verantwortungsträger in Industrie, Sport, Kultur nicht mehr im Amt sein. Wenn die Bundestagsvizepräsidentin bei einer Demo "Deutschland verrecke" skandiert, ist das ok. Wenn der amtierende Verkehrsminister Millionen an Steuergeld durch Geltungssucht und Leichtsinn verschwendet und dann lächelnd in die Kamera sagt, er freue sich auf weitere Aufgaben - kein Problem. Wenn Frau Herman meint, dass ein bestimmter Umgang mit Familie, Kindererziehung und Muttersein früher, also vor 1968, nicht nur schlecht gewesen wäre - dann ist sie natürlich eine Rechtspopulistin, mindestens. Und für die Öffentlichkeit nicht mehr tragbar.

 

Aha.

 

Ich selber bin jemand, der sein Kind liebt und auch seine Arbeit gerne macht.

 

Als Mutter für mein Kind das Beste zu tun, was geht - dass wollte und will ich.

 

Und im Arbeitsumfeld etwas Nützliches zu erreichen, Neues zu lernen, Dinge zu verbessern, das wenigstens immer anzustreben - das erscheint mir besser als meckernd am Spielfeldrand zu stehen und den anderen die Entscheidungen zu überlassen. (Um dann hinterher wieder zu meckern....).

 

Außerdem gehöre ich zu einer Generation von Frauen, für deren Mehrheit es selbstverständlich ist, für den eigenen Lebensunterhalt bzw. den der Familie zu sorgen. Weil wir weder reich geboren wurden noch Bock auf dauerhafte staatliche Unterstützung haben. Wir wollen keine Almosen, wir sind eigenständig. Auch bei der Partnerwahl gierig auf die Vermögensverhältnisse des Mannes zu starren und sich als dessen schickes Anhängsel zu qualifizieren und dafür gängeln zu lassen - das war mir immer sehr unsympathisch.

 

Frauen können viel erreichen! Schon unsere Großmütter und Mütter waren Kranführerinnen, Ärztinnen, Sekretärinnen, Lageristinnen, Köchinnen, Qualitätsprüferinnen, Künstlerinnen. Berufstätige Frauen also. So weit, so gut.

 

Nun ist es aber so, dass für jede Person, sei sie noch so fit, motiviert und gut organisiert, der Tag 24 Stunden hat. Nicht mehr, nicht weniger. Und die Woche 7 Tage. Etwas Schlaf muss auch sein. Auch wenn, wie in meinem Fall, mein Mann tatkräftig mit angepackt hat, gab es Situationen, wo ich der Meinung war zu versagen. Vielen anderen Frauen geht es auch so.

 

www.merkur.de / Herr Kerner entfernt einen unliebsamen Talkgast - Frau Herman. Am 9. Oktober 2007.
www.merkur.de / Herr Kerner entfernt einen unliebsamen Talkgast - Frau Herman. Am 9. Oktober 2007.

 

Und das greift Frau Herman in ihrem Buch auf. Dabei beleuchtet sie die Lage der Frauen unter dem Gesichtspunkt der Emanzipation und Selbstverwirklichung. Sie fragt, ob es für die Frau selber immer gut ist, das Maximum aus allem herausholen zu wollen. Sich und der Umwelt zu beweisen: Ich kann es ! Ob es nicht manchmal besser ist, sich auf eine Sache zu konzentrieren und das dann richtig und ohne zusätzliche Anforderungen von außen zu machen. Wenn es geht.

 

Dem stimme ich zu und bin deshalb die ersten drei Jahre für meinen Sohn "Vollzeitmutter" gewesen. Das war eine gute Sache. Ich hatte Glück, wir konnten das in unserer Familie so organisieren. Eine sehr schöne und teilweise anstrengende Zeit. Ich war für mein Kind da, kein Arbeitgeber forderte etwas von mir.

 

 

Das wurde aber auch nicht von allen in meinem Umfeld für gut befunden: Wozu ich denn studiert hätte, wenn ich jetzt mit Kind zu Hause säße ? Ob ich denn der Meinung wäre, nach drei Jahren Pause überhaupt noch einen qualifizierten Job in meiner Fachrichtung zu finden ? Ob das Kind durch so eine Affenmutter nicht verkorkst würde ? Und so weiter, und so fort. Manchmal hat mich das geärgert. Aber nie sehr. Denn diese Zeit mit meinem Sohn so ungestört verbracht zu haben - das nimmt uns keiner mehr weg.

 

Die meisten Frauen wollen/müssen sich nicht zwischen Beruf oder Familie entscheiden, sondern beides vereinbaren. Das macht Probleme. Viele Frauen arbeiten nicht, weil sie sich selbst verwirklichen wollen, sondern einfach deshalb, weil die Familie das Geld braucht. Löhne und Gehälter sind heute auch in der Mittelschicht meistens nicht so gemacht, dass dauerhaft einer, der arbeitet, reicht. Der Klassiker - Mann arbeitet, Frau zu Hause - ist heute schon rein finanziell in vielen Familien, gerade im Osten Deutschlands, nicht mehr möglich. Sicher machen auch viele ihren Job gerne, wie ich - und betrachten die Arbeit als zu einem erfüllten Leben zugehörig. Es gibt eben Unterschiede, ist ja klar.

 

Wütend machte mich immer eine frühere Fernsehwerbung. Da sah man eine Frau: als Managerin, als Mutter, als Hauseigentümerin, als sportliche Person im Fitness-Studio - verteilt über einen Tag. Immer erfolgreich, immer gut organisiert und natürlich passend gestylt. Und das alles machte sie PERFEKT. Was für ein Produkt hier beworben wurde, habe ich vergessen. Aber diese dauergrinsende Supertussi ging mir auf die Nerven. Denn sie suggeriert: "Wenn ich das kann, heisst das - es geht doch - super sogar. WIESO kannst DU es denn dann nicht ?"

 

Aber zurück zu Eva Herman:

 

Eva Herman / www.welt.de
Eva Herman / www.welt.de

 

Ihr Buch insgesamt hat mich sehr angesprochen, auch, wenn ich nicht all ihre Erkenntnisse teile und manche These auch ablehne. Egal. Es geht um das ganze Werk, was meiner Meinung nach ein wichtiges Problem der Zeit zur Diskussion stellt. Die Autorin muss auch nicht mit allem Recht haben, trotzdem ist ihre Meinung interessant und nützlich. Nicht jammern und übereinander herfallen wollen wir, sondern einfach nur verschiedene Standpunkte betrachten. Bei so einem Thema ist es normal und auch gut, dass diverse Meinungen nebeneinander existieren.

 

Frau Herman nennt die Dinge mal beim Namen.

 

Stellt sie zur Diskussion. Unter anderem sagt sie, dass die Emanzipation nicht nur gute Ergebnisse gebracht hat. Manches zu hinterfragen und anzupassen sei. In der Vergangenheit nicht alles rückständig und schlecht war, sondern es Dinge gibt, an die zu erinnern, die wiederzubeleben sich lohnen würde. Dabei sprach sie von der Geringschätzung der mütterlichen und hausfraulichen Leistungen heutzutage, dem Vorrang der weiblichen Emanzipation. Den hatte die 68er-Bewegung in Deutschland der neunzehnhundertsechziger und -siebziger Jahre sich auf die Fahnen geschrieben. Frauen sollten eigenständige Personen sein, nicht vom Mann fremdbestimmt. Dazu gehört auch, dass sie finanziell unabhängig sind. Sehr gute Sache. Ich stimme zu. Nur: die Kinder kriegen immer noch die Frauen. 

 

Dass sich bei Veränderungen, in dem Fall der Emanzipation, auch Probleme ergeben, dass will oft keiner so richtig wissen. Und ernsthaft und aufrichtig diskutieren offensichtlich auch nicht. Dabei ist es unstrittig, was Emanzipation und die Kämpfer(innen) dafür für uns heutige Frauen erreicht haben. Dafür können wir nur dankbar sein. Ich bin es.

 

Das ist für mich kein Widerspruch.

 

Heute arbeitet Frau Herman als Publizistin und betreibt eine eigene Website. Hier kann man verschiedene Artikel von ihr lesen, sich über ihre Bücher informieren, ihre Videos ansehen.  Wenn Du willst, schau doch mal rein.

 

Und nicht vergessen: Man muss nicht jede Meinung teilen, kann sich aber von ihr inspirieren lassen. Zum Denken.

 

Und das schadet nie. Gerade in heutiger Zeit, wo die Verunglimpfung Andersdenkender als Rechtspopulisten, Nazis, Rechtsextremisten zum Alltag gehört und längst kein Einzelfall mehr ist.

 

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