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Neuer Pflege-TÜV

"Wir müssen die Strahlkraft erhöhen !"

 

Letzte Woche hörte ich im DLF am frühen Morgen ein Interview mit dem Vorstand der Deutschen Stiftung für Patientenschutz Herrn Eugen Brysch. Der Morgenmoderator Herr Münchenberg sprach mit ihm über die neuen Regelungen bei der Bewertung von Pflegeeinrichtungen für alte und kranke Menschen, den sogenannten Pflege-TÜV. Das hat mich zum Nachdenken angeregt. Vielleicht beschäftigt Dich ja dieses Thema auch.

 

Gut finde ich, dass die Verantwortlichen in der Regierung nach neuen Wegen suchen und Verbesserungen anstreben. Das heißt, wir geben zu, wir haben ein Problem und kümmern uns darum - ok. Weil die Menschen immer älter werden, gibt es auch immer mehr Pflegebedürftige im Alter. Das muss bewältigt werden. Diese Erkenntnis ist nicht neu. Seit Jahrzehnten spricht man von der alternden Gesellschaft. Warum hat man bisher zu wenig getan?

 

Die bisher übliche Benotung von Pflegeeinrichtungen wird durch ein neues Bewertungssystem ersetzt. Was bringt das?

 

 

Aus dem DLF-Interview von heute früh:

 

Münchenberg: "Nun ist letztlich das Ziel dieses neuen Pflege-TÜVs, die Qualität der Pflege insgesamt zu verbessern. Könnte das in letzter Konsequenz auch den Beruf des Pflegers, der Pflegerin attraktiver machen?"

 

Brysch: "Wir müssen uns füreinander interessieren. Wir reden zu sehr übereinander als miteinander. Ich sehe ja immer das gleiche. Wenn man fragt, was machst Du eigentlich, dann heißt es, oh, Pfleger, das ist ein wichtiger Beruf. Aber wenn ich dann in die Details gehen will, dann versaue mir heute Abend nicht die Party, und genau das ist der Punkt. Das gehört zur Realität mit dazu. Es gibt Licht und Schatten und wir müssen diejenigen motivieren, die wirklich diesen Beruf angenommen haben und sagen, ich mache das gerne, ich bin engagiert. Aber leider verlieren wir zu sehr die Guten, und das ist unser Problem. Wir müssen die Strahlkraft erhöhen. Das heißt, Interesse der Gesellschaft, bessere Jobs, nicht zu viel Druck. Deswegen brauchen wir beispielsweise auch jetzt endlich die Pflegeschlüssel in unseren Heimen, wo eine solche Konkurrenz auf Kosten der Mitarbeiter nicht stattfinden darf."

 

Falls Du das gesamte Interview nachlesen oder hören möchtest, findest Du gleich folgend zwei Buttons dafür.

 

oder lieber hören:

 

Download
Interview Münchenberg DLF mit Eugen Brysch
interview_mit_eugen_brysch_deutsche_stif
MP3 Audio Datei 7.9 MB

Herr Brysch hat es gut gesagt: "Wir müssen die Strahlkraft erhöhen!"

 

Ein großes Problem in der Pflege ist es, dass es zu wenig Fachpersonal gibt. Aktuell sind es 25.000 Pflegekräfte in den Pflegeeinrichtungen und mobilen Diensten (ohne Krankenhäuser). Jeder einzelne davon würde an einer bestimmten Stelle dringend gebraucht. Aber kaum einer will den Job machen, denn der ist unattraktiv. Körperlich und nervlich anstrengend, Schichtarbeit, Überstunden, zu geringe Bezahlung, keine gesellschaftliche Anerkennung, statistisch große Aussicht auf Bandscheibenvorfall und Burn-Out.. Das reicht vielen, um sich lieber für was anderes zu entscheiden. Weil es auch in konjunkturell guten Zeiten genug Möglichkeiten gibt.

 

Unser Bundesgesundheitsminister Jens Spahn will Fachkräfte aus dem Ausland, z. B. aus dem Kosovo oder Mexiko für die Arbeit in Deutschland gewinnen. Das ist eine Möglichkeit.

 

Was ich mich frage: Werden genug Anstrengungen im Land unternommen, um für die eigene Bevölkerung diese Jobs attraktiver zu machen ? Ich bin kein Spezialist für dieses Fachgebiet und weiß darüber nicht viel. Aber ich kenne persönlich einige Altenpfleger/innen, die diese schwere Arbeit täglich machen.

 

Eine davon heißt Susanna. Sie ist gelernte Altenpflegerin mit jahrelanger Berufserfahrung und Liebe für ihre Arbeit. Selbst körperlich fit und psychisch belastbar. Diese Frau hat ihren Pflegejob in einer Einrichtung für betreutes Wohnen von alten Menschen aufgegeben und ist in die Industrie gewechselt. Dort habe ich sie getroffen.

 

Susannas Gründe waren die vielen Überstunden, die körperliche und psychische Dauerbelastung und die vergleichsweise schlechte Bezahlung. Sie erzählte mir, dass sie schon manchmal während des Dienstes, zum Beispiel abends oder nachts, ihren Mann zu Hause angerufen hat und ihn um Hilfe bitten musste. Weil kein Kollege in Reichweite war und sie zum Beispiel eine schwere Person nicht allein aus dem Bad ins Bett bugsieren konnte. Zumal, wenn man dafür nur ein paar Minuten Zeit hat, weil dann schon der nächste dran ist. Wie soll hier jemand seiner Verantwortung gerecht werden?

 

Irgendwann wollte sie so nicht mehr weitermachen und hat sich beruflich verändert. Sicher ist sie kein Einzelfall. Es ist schade um jede doch so wertvolle Fachkraft, die diese Branche verlässt.

 

Die Schwerpunkte meiner Meinung nach sind hier: 1. Die Bezahlung ist zu gering. Für das, was ich hier jemandem abverlange, muss mehr Geld rüberkommen. Leistungsbereitschaft muss sich lohnen, gerade auch, wenn es um Menschen geht. 2. Da momentan viel Arbeit von zu wenig Beschäftigten gemacht werden muss, sind Zusatzschichten und sonstige Überstunden normal. Weil es sonst nicht geht. Deshalb sind viele der Altenpfleger/innen überlastet, körperlich und auch nervlich. 3. Der Job ist uncool. Niemand sagt, oh toll, was Du da machst. Und meint es auch so.

 

Wenn man die Bezahlung verbessern könnte, würden schon allein deshalb mehr Leute den Job (wieder) machen wollen. Verantwortungsbewusstsein ist besser in die Praxis umzusetzen, wenn mehr Personal verfügbar ist. Leute wie Susanna würden zurückkommen. Damit wäre für Punkt 1 und 2 was getan. Und für 3. müsste bessere Lobbyarbeit geleistet werden. Mehr junge Menschen müssen gewonnen werden.

 

Was auch meiner Meinung nach eine gute Sache wäre: wieder eine Wehrdienstpflicht einzuführen, und zwar für Männer und Frauen. Sagen wir, 12 Monate, für jeden jungen Menschen. Dieses Jahr wird dann nach der Schule entweder in der Bundeswehr geleistet oder im sozialen Bereich. So ähnlich, wie der Zivildienst früher war und der Bundesfreiwilligendienst es heute ist. Aber der Unterschied wäre: Jeder MUSS erst mal etwas machen. Das wäre eine gute Gelegenheit, sich zu orientieren und zu merken, dass es auch gut tut, Verantwortung zu haben. Dass man irgendwo erwartet und gebraucht wird. Und dass es im Leben nicht dauernd was umsonst gibt, dass es nicht nur immer um einen selber geht.

 

Eine wichtige Erfahrung, die möglicherweise eine Richtung fürs Leben gibt. Vielleicht auch für die Berufswahl, vielleicht auch für die Pflege.

 

 

Aber ich weiß: das ist wieder unpopulär. Kaum ein Politiker wird sowas ernsthaft vorschlagen. Da wird er gleich wieder von links gebissen und in die Nähe der Blut-und-Boden-Ideologie (Pflichtjahr, Reichsarbeitsdienst) gebracht. Lieber lässt man es sehr liberal weiter laufen. So haben wir beste Chancen, nicht nur mehr Alte in Zukunft in der Pflege zu haben, sondern auch noch mehr Leistungsverweigerer im Hartz-IV-Bereich. Und zu wenig Pflegepersonal.

 

Ich hoffe nur, wir können hier Lösungen finden. Denn dass ein Teil der Gesellschaft sich kaputtrackert, das Leben der Zivilisation aufrecht erhält und Steuern zahlt, während der andere nichts macht, nur Kosten erzeugt und Ansprüche stellt, kann auf die Dauer nicht gut gehn. 

 

Weder in der Pflege noch sonstwo.