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Unterstützung für Frau Künast

Meinungsfreiheit ist ein hohes Gut, Anstand auch !

Renate Künast (www.abgeordnetenwatch.de)
Renate Künast (www.abgeordnetenwatch.de)

 

Die Grünen-Abgeordnete Renate Künast, eine prominente Politikerin, ehemalige Ministerin und Bundestagsabgeordnete, wurde auf Facebook übel beschimpft. Als "Sondermüll, grünes Dreckschwein, geisteskrank, Drecksfotze..." , um nur einige Begriffe zu nennen. Nun ist sie gerichtlich dagegen vorgegangen.

 

Das Urteil des Berliner Landgerichts erstaunt.

 

Frau Künast ist nicht meine politische Freundin, aber hier muss ich sie unterstützen. Denn sowas, was ihr und auch anderen täglich passiert, geht in einer zivilisierten Gesellschaft nicht.

 

Die Verwendung solcher Beleidigungen zeigt die Verrohung unserer Debattenkultur, unseres Umgangs miteinander. Die Unfähigkeit der Beteiligten, eine Grenze des Anstandes zu erkennen und zu akzeptieren. Die Hemmungslosigkeit, mit der man über jemanden herfällt, verbal und schlimmstenfalls auch körperlich.

 

Dabei die Feigheit, sich in der Anonymität zu verstecken, denn viele Nutzer von sozialen Netzwerken agieren nicht unter ihrem bürgerlichen Namen. Sie heißen dann eben "Tante Mimi" oder "Diagnosemeister" und sind nicht so ohne Weiteres zu identifizieren. Nur der Plattformbetreiber, z. B. Facebook, hat die Nutzerdaten. Die Herausgabe muss rechtlich angeordnet werden, um die bisher anonymen Täter verfolgen zu können. Sie genießen den Schutz des Rechts.

 

Frau Künast dagegen nicht.

 

Das Landgericht Berlin entschied vor einigen Tagen, dass diese Beschimpfungen keine Beleidigungen sind, sondern Bestandteile einer sachlichen Auseinandersetzung. Nun könnte man grimmige Vermutungen darüber anstellen, woher denn solche Richter wohl kommen, die diese Urteile fällen. Was die so unter "sachlich" verstehen. Aber so einfach ist es auch wieder nicht. Und ich bin kein Jurist.

 

Was ist überhaupt eine Beleidigung im Rechtssinn ?

 

Gucken wir mal in unser deutsches Strafgesetz hinein:

 

 

 

Was bedeutet es, wenn ein Gericht so ein Urteil spricht ?

 

Das eröffnet asozialen Feiglingen neue Möglichkeiten, ungestraft Leute zu terrorisieren. Dabei geht es nicht darum, wie man zu einer anderen Person steht. Ob  man deren politische, sexuelle, moralische, religiöse oder sonstige Orientierung teilt oder versteht. Aber eine Grenze muss es geben, wo man weiß, hier ist Schluss. 

 

Die Leute, die solche Hasskommentare loslassen und damit andere beleidigen, müssen merken, dass sie das nicht ungestraft machen können. Diese Grenze überschreiten. Denn wenn sie für solche Aktivitäten paar Monate in den Knast müssen oder einige tausend Euro bezahlen, dann werden sie danach vorsichtiger sein. Und das tut der ganzen Community gut.

 

***

 

Hier ein winziger rechtlicher Exkurs zum Thema Hasskommentare im Internet. Willst Du mehr darüber wissen, dann klicke auf anwalt.org.

 

www.anwalt.org
www.anwalt.org

 

Wir waren bei "der Grenze". Das ist so wie früher auf dem Schulhof: Wenn einer am Boden lag, wurde er in Ruhe gelassen und nicht noch getreten. Mehrere gingen nicht auf einen los. Stärkere vergriffen sich nicht an Schwächeren. Jungs prügelten keine Mädchen. Man tat keine Steine in Schneebälle. Es gab eine Grenze. Eine gewisse "Ritterlichkeit" und Fairness, auch dem Gegner gegenüber, waren normal.  Auch da waren Leute, die diese Grenze übertraten - aber das waren dann Assis, die keiner geachtet hat. Im Gegensatz zu heute. Da werden solche Leute sogar noch von Gerichten unterstützt. Und können sich "im Recht" fühlen. Genau wie oft auch Stalker, ein schlimmes Thema.

 

Wen die Details interessieren, der findet am Ende dieses Beitrags einen Artikel des Spiegel über die Hintergründe des "Falls Künast".

 

Hier nur soviel: Frau Künast wehrt sich gegen das Urteil und geht in die nächste Instanz. Auf deren Entscheidung sind wir gespannt! So wurde doch ein Facebook-Nutzer, der den SPD-Politiker Siegmar Gabriel als "Verbrecher und Assi" bezeichnet hatte, zu einer Geldstrafe von 1.200 € verurteilt. Und Noah Becker, der Sohn von Ex-Tennisprofi Boris Becker, bekam sogar 7.500 € von einem Twitterer, weil er von dem als "kleiner Halbneger" bezeichnet wurde. Bei der Betrachtung dieser gerichtlichen Entscheidungen wirkt das Künast-Urteil um so weniger verständlich. 

 

Ob wir in Zukunft einen einigermaßen höflichen Umgang miteinander erwarten können, auch in den teils anonymen sozialen Netzwerken ? Oder ob wir uns jetzt alle von diesen feigen, stinkenden Drecksassitrollen und grenzdebilen Hurensöhnen so geisteskrank beschimpfen lassen müssen....oh, pardon. War das noch sachliche Argumentation, oder wie jetzt ?

 

Ich wünsche Frau Künast viel Kraft auf dem Weg durch die nächste Instanz. Und ich hoffe, dass die Richter dort ein Urteil fällen, was der Verrohung der Gesellschaft etwas entgegensetzt und es nicht schulterzuckend hinnimmt. 

 

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Mir ist gerade noch eine Spitzfindigkeit eingefallen. Im Beleidigungsparagraphen steht, dass eine Beleidigung nur dann eine Beleidigung ist, wenn sie von dem Beleidigten auch verstanden wird. (Das gilt wahrscheinlich mit für sein Umfeld, sonst wäre es ja nicht sinnvoll). Es geht hier also auch um die Sprache, in der beleidigt wird.

 

Daraus ergibt sich doch eine kluge Strategie für Choleriker, die sich manchmal einfach nicht beherrschen können. Ich kenne da so einige. Hier ein Tipp für diesen Personenkreis:  Lerne ein paar deftige Beleidigungen in einer absolut seltenen Sprache, zum Beispiel auf kabardinisch (aus dem Westkaukasus) oder in Quechua, der Sprache der Inkas. Im Bedarfsfall kannst Du dann nach Herzenslust schimpfen, ohne dass es einer versteht. Damit bist Du rechtlich auf der sicheren Seite.

 

Es sei denn, Du beleidigst rein zufällig einen Bewohner des Westkaukasus oder einen Inka. Aber ob die sich dann gerichtlich oder ganz anders wehren, ist auch noch die Frage...