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09. 09. 1919 - heute vor 100 Jahren

Geburtstagsgedanken

www.pixabay.com / utroja0
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Der 9. September des Jahres 1919 war in Sachsen ein schöner Spätsommertag, ein Dienstag, mit maximal 24 Grad am Nachmittag und abwechselnd Sonne und Wolken.

 

An diesem Tag wurde in Weimar der Zentralverband der Angestellten gegründet. 

 

Polen verlangte am 09. September 1919, dass gemäß Versailler Friedensvertrag Personen, die Verbrechen an der polnischen Bevölkerung während des vergangenen Weltkrieges begangen hatten, auf einer Liste erfasst würden. Später sollten diese Zivilisten und Militärangehörigen dann an Polen ausgeliefert werden, um in Polen ein Gerichtsverfahren zu erhalten. Dieser vergangene Weltkrieg hieß damals noch nicht "der erste". Weil er bisher der einzige und so groß und furchtbar gewesen war, dass sich so etwas niemals wiederholen sollte.

 

Der spanische Passagierdampfer Valbanera gerät an diesem Septembertag vor Havanna in den Florida-Keys-Hurrikan und verschwindet spurlos. Zehn Tage später wird das Wrack des Schiffs gefunden. Von den 488 Passagieren und Besatzungsmitgliedern fehlt jede Spur; es werden weder Überlebende noch Tote gefunden.

 

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Am 09. September haben Kardinal Richelieu / Minister und Berater des französischen Königs Ludwig XIII, der russische Schriftsteller Leo Tolstoi, der britische Schauspieler Hugh Grant und die deutsche Tennisspielerin Andrea Petković Geburtstag.

 

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Und hier ist noch jemand auf die Welt gekommen, und zwar am 09. 09. 1919.

 

Eine für mein Leben sehr wichtige Person, die es nicht mehr gibt. Meine jüngste Omi. Sie kam an diesem Tag als letztes von vier Geschwistern in Leipzig auf die Welt. In einem Haus mit der Nr. 9. In eine Familie, wo sie sehr geliebt und als Kleinste umsorgt aufwuchs. Als Anekdote in der Familie wurde erzählt, was ihre Mutter, also meine Urgroßmutter (vermeintlich unter vier Augen mit der Nachbarin) auf die Frage zum vierten Kind äußerte: "Na, das hätte nu nicht noch sein müssen." 

 

Hat es aber doch. Sonst würde es uns Nachfahren heute so nicht geben.

 

Meine jüngste Omi nenne ich so, weil sie von meinen vier Großeltern eben die Jüngste war. Ich hatte das Glück, alle vier lange Jahre erleben zu dürfen. Die jüngste Omi wurde 93 Jahre alt und hatte ein gutes und sicher nicht einfaches Leben. Sie hat als Kind die damalige Wirtschaftskrise und als junge Frau die Bombardierung ihrer Heimatstadt Leipzig miterlebt. Sie sorgte sich um ihren Mann, der zu dieser Zeit als Soldat im Krieg war. Zum Glück überlebte er unverletzt und kam zurück.

 

Sie meisterten gemeinsam Hunger, Mangel und politische Wirren in der  Kriegs- und Nachkriegszeit; zogen ihr Kind, meine Mutter, groß. Danach halfen sie bei ihrem Enkelkind, mir, damit es "groß und stark wurde. Dumm genug biste schon." So der neckische Spruch meiner Omi manchmal. Überhaupt hatte sie einen speziellen Humor. Von ihr stammt auch die legendäre Frage, wenn jemand sagte, er sei beim Friseur gewesen: "Und, warum biste nich drangekommen ?"

 

Immer halfen die Großeltern, wenn es gebraucht wurde. Viele Wochenenden und Ferientage verbrachte ich bei ihnen. Auch in den Urlaub nahmen sie mich manchmal mit. Ich erinnere mich an ein sehr harmonisches und gutes Zusammenleben. Und an eine schöne Wohnung im Osten der Stadt Leipzig. Leckere, knusprig panierte Schnitzel mit Spargel aus der Dose und Pflaumenkuchen mit Kokosstreuseln.

 

Der einzige Streit, den ich zwischen meinen Großeltern miterlebt habe, ging so:

 

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Szene:

Großeltern und ich sitzen am runden Kaffeetisch im Wohnzimmer. Es gibt Kuchen. Für jeden ein Stück, weil Wochentag ist. Ich habe Schulferien. Werktags ist alles etwas einfacher als am Sonntag oder zu Feierlichkeiten . Ich habe mein Kuchenstück schon gekriegt. Es ist Kirmes-Kuchen. Den hat Opa nachmittags auf dem Heimweg von der Arbeit vom Bäcker mitgebracht, wie immer drei Stück. Von den beiden übrigen Stücken ist eines etwas größer als das andere. 

 

Opa zu Oma: "Nimm Du bitte dieses Stück."

Oma zu Opa: "Ach..., nein. Nimm Du es doch lieber."

Opa zu Oma: "Nein, es macht mir nichts aus, nimm es bitte."

Oma zu Opa: "Oh, ach, was, warum denn - nein, wirklich, iss Du es."

Opa zu Oma: "Komm, jetzt hab Dich doch nicht so und nimm endlich das Kuchenstück."

Oma: widerspricht wieder.

Opa: schmeißt Saftglas an die Wand, Glas zersplittert krachend.

ich: guckt fassungslos 

 

Ende

 

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Das Ganze ist mir in so deutlicher Erinnerung geblieben, weil meine Großeltern sich sonst nie stritten. Jedenfalls merkte ich nichts davon.

 

Zum Thema des Streits: Hätte mir jemand das große Kuchenstück angeboten, ich hätte das auch noch gegessen und so jeglichen Streit komplett vermieden. Aber mich hat ja keiner gefragt.

 

Dieses Paar, nun Großeltern, verstand sich gut und liebte sich. Ihre Goldene Hochzeit konnten sie gemeinsam feiern. Bis ins hohe Alter versicherte mein Opa meiner Oma, sie habe die schönsten blauen Augen, die es gibt (wie Kornblumen oder blaue Iris). Die beiden hatten, soweit ich das beurteilen kann, ein schönes, erfülltes, gemeinsames Leben. Viele Jahre davon in Leipzig, wo alle beide auch geboren wurden.

 

 

Meine Omi am 09. September 1919 , heute vor 100 Jahren. 

 

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So ähnlich hat sie als junge Frau ausgesehen. Und trug auch manchmal die Haare so..

 

www.frisuramoderne.co
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Willst Du in Omis Jugendzeit mal eine Runde mit der Straßenbahn durch Leipzig fahren, dann steig ein:

 

 

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Der Maulwurf ist schon eingestiegen, klingelt und fährt los. Halt - ich will auch mit.....Ob sich in hundert Jahren noch jemand an uns erinnert ?

 

Heute jedenfalls ehren wir unsere Omi mit guten Gedanken an sie und diesem kleinen Artikel. Und das hätte ihr gefallen.

 

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