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John Travolta für Arme

oder Bruchlandung grandios

Travolta in "Grease" als Danny / www.bustle.com
Travolta in "Grease" als Danny / www.bustle.com

 

Oben auf dem Bild siehst Du John Travolta als Danny Zuko im Film "Grease" aus dem Jahr 1978.

 

Ein wirklich cooler Typ. Fand ich mit 13 und heute auch noch. Aber damals führte das zu einer Idee und die Idee zu einer Tat und die Tat zu einem....najaaa....Ergebnis.

 

Aber warte, ich erzähle es Dir, alles der Reihe nach. Pass auf:

 

 

Hier oben siehst Du die Kesselgasse in Freiberg. Sie führt vom Obermarkt bergab zur Wasserturmstraße. Vor allem das untere Gassendrittel hat es in sich. Hier geht es ziemlich steil runter und die Gasse macht auch noch eine Kurve. Nun ist dieses Foto ein ganz aktuelles, die Geschichte, um die es hier geht, ist aber schon länger her. Deswegen siehst Du unten ein altes Pflasterbild an anderer Gassenstelle.

 

Denn damals war die Gasse noch nicht so schön gleichmäßig gepflastert wie heute. Es herrschte ein sehr buckliges Kopfsteinpflaster, unterbrochen von Schlaglöchern und Asphaltflicken, siehe unten. Wenn man hier mit dem Fahrrad lang fuhr, musste man aufpassen. So wie eigentlich in der gesamten Altstadt mit ihren Gassen und Gässchen. 

 

Am Ende des Berges, wo die Kesselgasse wieder gerade wird, passiert sie einen kleinen Platz mit einer alten Kastanie. Kurz dahinter war die Gastwirtschaft "Zum Alten Brennmeister". Hier an der Kastanie war eine kurze Zeit früher der Treffpunkt einiger Leute, die sich von der Schule her kannten. Nicht viele, mehr als 5-6 auf einmal wurden es nicht. Ich war auch dabei. Dort trafen wir uns als kleine Clique zum Rauchen und Reden und zum Pläne schmieden.

 

Denn ollen Bretterzaun, der da heute ist und das Grundstück um die Kastanie einzäunt, gab es damals noch nicht.

 

Wenn ich da hin wollte, fuhr ich oft mit dem Fahrrad diese Gasse runter. Mein damaliges Fahrrad war ein äußerst solides, aber uraltes und hundeschweres Damenrad mit einem gusseisernen Rahmen. Natürlich in Rot lackiert. Manchmal habe ich die Schutzbleche mit Pflasterband am Fahrrad festgezurrt und -geklebt, damit es auf dem Kopfsteinpflaster nicht so klapperte beim Fahren. Erst wurde ich wegen dieses Fahrzeugs ausgelacht. Später fand man es dann cool, weil es so unkaputtbar, so rot und einzigartig war. Hatte eben nicht jeder. Nur ich.

 

Manch einer der Kollegen hatte auch ein schickes Rennrad. Das wurde zuerst immer von allen bewundert, hatte dann aber auf diesem Pflaster kein gutes Leben. Und sein Besitzer auch nicht, weil das divenhafte Teil immer was hatte. Sowas konnte mir mit meiner gusseisernen Gurke natürlich nicht passieren. Die war treu bis in den Tod. Außerdem war ich schon immer der eher grobmotorische Typ und so ein filigranes Rennrad hätte mich nervös gemacht. Wir passten also gut zusammen, mein rotes Fahrrad und ich. Normalerweise.

 

Möglichst schnell über das Kopfsteinpflaster zu donnern, dann punktgenau zu bremsen, ohne ins Schleudern zu kommen und beim Anhalten dann ganz beiläufig zu nicken und leicht gelangweilt "Hallo...." zu sagen - das war so der Standardauftritt. Es durfte ruhig bissel Kies spritzen oder Sand, wenn welcher da war.

 

 

Altes Kopfsteinpflaster und Kastanientreffpunkt
Altes Kopfsteinpflaster und Kastanientreffpunkt

 

Nun hatte ich vor kurzem in der Stadt unterwegs mal einen Typen gesehn, vielleicht so 16,17 Jahre alt (also damals für mich erwachsen, ich war 13). Der hatte mich damit beeindruckt, dass er ganz lässig und dabei ziemlich schnell mit dem Fahrrad fuhr, mit einer Hand lenkte und mit der anderen Hand eine Zigarette hielt, an der er äußerst elegant ab und zu zog. Faszinierend.

 

Dass besagte Straße, auf der er fuhr, eine schöne, glatte, neu asphaltierte Oberfläche hatte und durch ein Neubaugebiet führte, ist hier wichtig zu wissen. Kein Kopfsteinpflaster, keine Schlaglöcher oder ähnliche Hindernisse. Aalglatt und souverän,  mit kleinen frechen Schlenkern sauste er dahin.

 

Das gefiel mir äußerst gut. Ich war an John Travolta erinnert und begeistert. Nicht von dem Typen, aber von "der Performance", würde man heute sagen. So wie Danny auf dem Bild lässig und frech guckt, die Zigarette im Mundwinkel.

 

Das wollte ich auch!  Gesagt, getan.

 

Fahrrad fahren konnte ich, rauchen konnte ich, einen Cliquentreffpunkt gab es auch.

 

Also, wo sollte das Problem sein ? Auf die Idee, das vielleicht mal vorher auszuprobieren, zu einer Zeit, wenn keiner am Treffpunkt sein konnte - auf diesen sinnreichen Einfall kam ich damals nicht. Oder es schien mir nicht nötig zu sein. Leider.

 

Der Tag kam, an dem ich wieder zur Kastanie am "Alten Brennmeister" fuhr. Bevor ich in die Kesselgasse einbog, hielt ich an. Ich schüttelte mir die Haare zurecht, richtete meine Klamotten, machte ein ungerührtes Gesicht und - zündete mir eine Zigarette an. Dann fuhr ich weiter. Links lenken, rechts Zigarette, ab und zu dran ziehen. Kann ja nicht so schwer sein.

 

Es ging auch erst mal. Zwar rüttelte es mich ordentlich durch auf dem Buckelpflaster. Aber ich saß fest im Sattel und verlor auch die Zigarette nicht. Der erste Kesselgassenteil geht bergab, aber nicht so sehr. Weiter unten dann, wo es noch dazu in die Kurve geht, wird es steiler.

 

An dem Tag hatte es auch noch geregnet, die Buckelpflastersteine glänzten nass. Kein Grund für mich, langsamer zu fahren. Ich wollte ja nicht wie ein Rentner da vorsichtig lahm angehoppelt kommen, sondern die andern sollten doch staunen über mich. Wie ich da heldenhaft, pfeilschnell und elegant zugleich um die Kurve schoss, genau vor ihren Füßen bremste, lässig an meiner Zigarette zog und "....Hallo" sagte.

 

Sie staunten auch nicht schlecht. Und ich schoss auch um die Kurve.

 

Nur nicht ganz so wie geplant. Denn bei der hohen Geschwindigkeit auf dem holprigen und nassen Pflaster hatte ich die Kontrolle über mein Fahrzeug verloren. Im unteren Gassendrittel. Das ganze Fahrrad rüttelte und schüttelte sich in rasendem Tempo. Nach der Kurve unten angekommen riss es mir das Vorderrad weg und ich krachte voll hin. 

 

Auch eine Möglichkeit, um aufzufallen. Aber so hatte ich es mir nicht gedacht.

 

Hier galt das Sprichwort, dass, wer den Schaden hat, jeder Beschreibung spottet. Oder so ähnlich. Groß verletzt hatte ich mich nicht, nur paar Abschürfungen, nicht der Rede wert. Aber peinlich war das schon. Glücklicherweise gabs damals noch keine Smartphones, sonst hätte das vielleicht jemand gefilmt und bei youtube eingestellt. So wurde nur eine kurze Zeit gelästert, aber nicht übermäßig bösartig ("Na, vielleicht noch ne Zigarette mit auf den Weg, ....?"). Ich war sozusagen eine Weile "Travolta für Arme", das heißt cool sein wollen, es aber nicht hingekriegt zu haben....

 

Hätte Travolta-Danny das gesehn, weil er zufällig dort mit an der Kastanie gewesen wäre, hätte er sicher mit dem Kopf geschüttelt und sich kaputtgelacht.

 

 

 

Danny / www.fanpop.com
Danny / www.fanpop.com

 

In dem Zusammenhang fällt mir ein, dass mein viel später neu gekauftes Fahrrad "Blue Peak" hieß. Ich habe aber mit ihm TROTZDEM nicht versucht, steile holperige Gassen herunterzurasen und unten abrupt zu bremsen, einfach so für einen coolen Auftritt. Also nein. 

 

Oder doch......?

 

***

 

 

Der Grüne hat aufmerksam zugehört. Denn damals war er noch nicht mit dabei. Natürlich missbilligt er das Ganze etwas, denn er ist eben eher der vorsichtige Typ. Aber "Grease" ist toll, findet er. Und die Musik....

 

Hör doch mal rein, ich mag besonders "Summer Nights", passt ja heute auch zum Wetter.