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Lohnt sich das denn?

Berechtigte Frage zum Sinn vom Tun und Lassen

www.pixabay / Geralt
www.pixabay / Geralt

 

Ein Freund stellte mir gestern die Frage, ob sich das überhaupt lohnt, so einen Blog zu schreiben.

 

Schließlich ist ja "das Internet voll davon" und nicht jeder Blog hat mindestens sechsstellige Leserzahlen pro Tag. 

 

Die Täterwerkstatt bewegt sich momentan im zweistelligen mittleren Bereich der täglichen Leserschaft. Es gibt sie ja auch erst seit zwei Monaten.

 

Diese anfangs gestellte Frage des streitbaren Kollegen hat mich nachdenklich gemacht. Ich fragte mich selber so einiges:

 

Was mache ich und wie gut oder schlecht ist das ? Was bedeutet es mir ?  Wie gefällt es anderen ? Was will ich damit erreichen ? Hier die Antworten:

 

Ich weiß nicht, wie gut oder schlecht das ist. Das muss der Leser/Nutzer entscheiden. 

 

Es bedeutet mir viel, weil das Schreiben Erlebtes ausdrückt und gleichzeitig neues Erleben ermöglicht. Ideen entstehen. Zum Beispiel bestimmte Orte zu besuchen, etwas Unbekanntes auszuprobieren, etwas zu verstehen, etwas zu lernen. Es hängt für mich also direkt zusammen, das Leben und das Schreiben.

 

Wie es Dir gefällt, weißt Du selbst am besten. 

 

Was ich erreichen will: Mein eigenes Leben bereichern und damit auch anderen Freude machen. Ihnen etwas nahe bringen, woran sie so vielleicht noch nicht gedacht haben. Sie an ein paar bunten Gedanken teilhaben lassen. Leute unterhalten, ihnen ein Lächeln aufs Gesicht zaubern, wenn sie eine Geschichte lesen, die sie mögen. Oder einen Aha-Effekt beim gemeinsamen Nachdenken über etwas. Vielleicht eine Anregung zum Lösen eines Problems. Mut machen.

 

Ja, da ist noch viel zu tun. 

 

Wenn man die Frage aber im größeren Zusammenhang stellt: Was lohnt sich denn überhaupt ? Was bedeutet "Lohn" hier ?

 

Will ich etwas verkaufen, habe ich finanzielle Interessen. Will ich eine Tätigkeit beruflich machen, muss ich davon leben können.

 

Aber was ist mit den Dingen, die man einfach so gerne macht, mit den Liebhabereien, dem Hobby, den ganzen Buntheiten, die das Leben schöner machen ? Natürlich kann auch das finanziell einträglich sein oder werden. Ist auch nichts dagegen einzuwenden.

 

Blog schreiben, Bilder malen, Gedichte schreiben, Wandern, Tauchen, Schwimmen, Vogelhäuser bauen, an diversen Fahrzeugen oder anderen Dingen schrauben, Garten gestalten, Kochen, Tiere haben, Ruinen erforschen, Fotografieren, Briefmarken sammeln, in einer Laienspielgruppe mitmachen, ein Instrument spielen, Singen, Töpfern, Seife machen, Kräuter sammeln, Stricken, Nähen, Gemüse züchten, Drachen fliegen, Sport machen, Teppiche knüpfen und so weiter....

 

Was ist der Lohn ?

 

Gedankenexperiment:

Was wäre, wenn man einen Roman schreibt, den keiner liest außer einem selbst. Ein Bild malt, dass sich keiner anschaut außer einem selbst. Goethes "Faust" lernt und nur für sich im Wohnzimmer spielt und keiner zuschaut ? Das wäre einerseits schon schade. Andererseits, wenn es einem wirklich selber viel bedeutet und Freude macht, Kraft fürs Leben gibt und eigene Fähigkeiten entwickelt, wäre das auch nicht so schlimm, oder ? Man müsste nur damit umgehen können und trotzdem immer weitermachen ohne Frust. Nicht nur für den Erfolg arbeiten, sondern wegen der Sache selbst. Ich hoffe, ich muss das nicht, den ich habe ja Dich. Meinen Leser.

 

Bei manchen dieser oben genannten Tätigkeiten hat man etwas Materielles geschaffen. Beim Kochen ein Essen, beim Gemüse züchten eine Gurke, beim Stricken einen Schal, beim Töpfern irgendein Gebilde aus Ton,. Das kann man dann verwenden (hoffentlich) und hat einen Nutzen davon. Oder eine Freude an dem besonderen Gegenstand.

 

Beim Sport wird man gesund und fit (hoffentlich) und fühlt sich besser. Beim Theaterspielen und Musikmachen unterhält man sich selbst und andere Leute (hoffentlich). Und verbessert seine eigenen Fähigkeiten (sicher).

 

Beim Geschichten-Gedichte-Bücher- und Blogschreiben, beim Zeichnen von Comics, beim Malen ist etwas aus der eigenen Gedankenwelt greifbar geworden. Etwas, was da ist und von anderen gelesen und angeschaut werden kann.

 

Aber LOHNT sich das denn alles ? 

 

Ist es so, dass sich erst durch den Erfolg etwas lohnt ?

 

Oder lohnt es sich schon allein dadurch, dass mir etwas Freude macht und mich zum Nachdenken und zu neuen Taten anregt ? Dass durch das Denken sich auch das Handeln verändert und man immer wieder auf etwas Neues kommt, was man sonst doch nie entdeckt hätte ? Lebt man intensiver, wenn man etwas gerne tut, auch, wenn es sich "eigentlich nicht lohnt "?

 

Und was ist mit der Entwicklung vom Erfolglosen zum Erfolgreichen ?

 

Wenn Frau Rowling als Lehrerin, alleinerziehende Mutter und momentane Sozialhilfeempfängerin sich nie in ihrer Wohnung mit einem Stapel Papier und viel bunter Knete im Kopf hingesetzt und "Harry Potter" geschrieben hätte (weil es sich ja doch nicht lohnt), gäbe es heute diese weltberühmten Bücher, Filme, Hörbücher nicht. Einer ganzen Kindergeneration (und den Erwachsenen) wäre diese fantastische Welt nie eröffnet worden. Unfassbar schade.

 

Wenn Vincent van Gogh auf seine Umwelt, die ihn verachtet und ausgelacht hat, gehört hätte, würden seine Bilder längst verschwunden sein oder er hätte ganz aufgehört zu malen. Weil es sich ja nicht lohnt. Nichts davon wäre in den Museen dieser Welt und auf Millionen von Kunstdrucken in Wohnzimmern, Büros, Arztpraxen, Schulen, Ämtern und sonstwo noch vorhanden. Es gibt sehr viele Gemälde vom ihm. Kaum zu glauben, was der Maler in seinem kurzen und schweren Leben (er wurde nicht einmal 40 Jahre alt) geschaffen hat.

 

Nicht, dass ich mich mit diesen Personen vergleichen will, es geht nur ums Verständnis. Um die Entwicklung von irgendeinem Scheiß zu etwas wirklich Gutem.

 

Aber: Man braucht auch ein wenig Glück, wie so oft im Leben.

 

Der Schriftsteller Werner Bräunig, Jahrgang 1934,  hatte davon wenig. Der Mann hat in den 1960er Jahren seinen Roman "Rummelplatz" geschrieben. Das ist ein Roman, dessen Helden bei der Wismut im sächsischen Erzgebirge arbeiten und ihre verschiedenen Lebenswege in der Nachkriegszeit. Interessant und vielfältig die Geschichte, packend und doch poetisch, außergewöhnlich schön die deutliche Sprache. Dieser Roman gehört zu meinen Lieblingsbüchern, seit ich ihn zum ersten Mal gelesen habe. So etwas möchte ich schreiben können. Es ist großartig. Ich werde Dir dieses Buch und die Geschichte Herrn Bräunigs ausführlich hier mal extra vorstellen, das sprengt an der Stelle den Rahmen. Jetzt also nur kurz dazu:

 

Die Geschichte des "Rummelplatzes"  ist traurig. Herr Bräunig hatte ein bewegtes Leben als Heimkind, Schlosserlehrling , Schmuggler,  Häftling, Bergarbeiter, Papierfabrikarbeiter und Heizer hinter sich. er war in der DDR als Schriftsteller tätig, nachdem er am Literaturinstitut "J. R. Becher" in Leipzig studiert und auch gearbeitet hatte. Er war Teilnehmer und Vorbereiter der "I. Bitterfelder Konferenz" . Seine Gedichte schafften es in die Schulbücher. Bräunigs Roman "Rummelplatz" durfte in der DDR aus politischen Gründen nicht veröffentlicht werden. Das Manuskript wurde von Ulbricht und später auch von Honecker persönlich angegriffen. Der Schriftsteller selber geriet ins Visier des Staatsapparates, wurde nicht gut behandelt und boykottiert. In seinem umfangreichen, tief gehenden Roman steckt viel von Bräunig selber, von seinem Leben. Er hat sich dort ganz hinein gegeben und musste dann die Blockade seines Werkes erleben. Das alles hat ihn so fertig gemacht, dass er immer stärker getrunken hat und als relativ junger Mensch mit Anfang 40 starb. Sehr traurig.

 

Sein Romanmanuskript wurde von irgendjemandem Jahre später gefunden. Man prüfte es und befand es für das, was es ist: ein großartiger Roman. Es wurde im Aufbau-Verlag veröffentlicht und gelesen und für den Preis der Leipziger Buchmesse nominiert. Manche Leute kennen es, aber ein Bestseller wie Harry Potter ist es nicht. 

 

Hat sich das denn gelohnt ?

 

Ja !

 

 

***

 

Vincent Van Gogh   www.pixabay.com / David Marc
Vincent Van Gogh www.pixabay.com / David Marc

 

Wir, der Maulwurf und ich,  haben beschlossen, dass wir auch immer weiter machen und mal gucken, was sich so entwickelt. Man weiß ja nie. Oben auf dem Bild von Vincent van Gogh siehst Du uns immer weiter voranschreiten. D. h., da der Maulwurf so klein ist, sieht man ihn schlecht im hohen Gras.

 

P.S.:

 

Mir ist noch was eingefallen, zum Thema "Lohnt sich das denn?":

 

Im ersten Teil von Christine Brückners berühmter Romantrilogie (Jauche und Levkojen / Überall ist Pönichen / Die Quindts) über Maximiliane von Quindt, eine pommersche Adelige und ihr Leben, stellt ein kleines Mädchen eine Frage. Sie ist ein Einzelkind und es wird ihr dauernd erzählt, dass sich der Kauf bestimmter Dinge für ein Einzelkind nicht lohne.  Eines Tages fragt sie ihre Großeltern, als es darum geht, dass sie, als Mädchen, ja später mal heiraten wird: "Lohnt sich denn die Anschaffung eines Ehemanns für ein Einzelkind ?" Lies doch die diese Bücher von Frau Brückner, dann kannst Du diese Frage, zumindest für die kleine Maximiliane,  beantworten.