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Kopflos

Gefühl, Verstand und Falle Selbstmitleid

Kleine Mönchsstatue ohne Kopf / Altzella
Kleine Mönchsstatue ohne Kopf / Altzella

 

Vorige Woche machte ich einen Spaziergang im Klosterpark Altzella, wieder mal. Diesmal hatte ich einen besonderen Grund. Ich verrate ihn Dir gleich.

 

Ich ging durch den Park und entdeckte die kleine Mönchsstatue, die Du oben auf dem Bild siehst. Die war mir vorher an dieser Stelle noch gar nicht aufgefallen. Vielleicht war sie auch erst kürzlich dort aufgestellt worden. Sieht so aus, als ob sie noch nicht lange im Freien ist.

 

Nach einigem ruhelosen Hin und Her im Park ist mir etwas sehr Unangenehmes bewusst geworden. Es gab da gerade eine Übereinstimmung zwischen der kleinen Mönchsfigur und mir. Zum Glück nur im übertragenen Sinn und nicht bildlich gesprochen:

 

Wir beide waren kopflos, momentan.

 

Dem kleinen Mönch wäre zu helfen, wenn eine bildhauerisch und restauratorisch fachkundige Person einen neuen Kopf für den Mönch anfertigt, anpasst und auf die Figur aufsetzt. Bei mir ist das nicht nötig.

 

Mir kann ich nur selber helfen. Da ich meinen realen Kopf im Gegensatz zum Mönch noch habe, benutze ich diesen Kopf mal wieder zum Denken. Das hatte ich gerade eine Weile ausgeblendet und mich lieber unguten Gefühlen hingegeben.

 

Weil einiges in der letzten Zeit nicht so optimal gelaufen war, wie ich es mir vorgestellt hatte, war ich nämlich - beleidigt -. Ich tat mir selber leid, und wie ! Nun trottete ich giftig durch die Ruinen. Wenigstens hatte ich meine geistige Abwesenheit schon bemerkt und mir selber die Schuld gegeben.

 

Jetzt galt es, sich wieder auf Kurs zu bringen. Das hatte ich mir fest vorgenommen. Deshalb war ich heute unterwegs und wollte mich selber packen. Das war der Grund, warum ich heute hier war.

 

Ich bin nicht katholisch. Weiß aber, dass es im katholischen Glauben die sieben Todsünden gibt: Hochmut, Neid, Zorn, Trägheit, Habgier, Völlerei und Wollust. Was ich als achten Punkt ergänzen würde: Selbstmitleid. Das ist eine ganz schlechte Eigenschaft, die viel Unglück erzeugt und Gutes verhindert. Ich hasse es, wenn ich mir selbst leid tue.

 

Es macht mich klein, hässlich und lähmt meine Energie.

 

Man sollte alles tun, um kein Opfer zu sein. Da passt Selbstmitleid nicht ins Bild.

 

Auch bei anderen finde ich das schlecht oder zumindest nicht nützlich. Es bringt Dich nicht voran, sondern zieht Dich runter und hindert Dich am Vorwärtskommen. Es ist also kontraproduktiv, langweilig, unbefriedigend für einen selber und belastend für die Umwelt. Auch ist so ein Jammerlappen nicht gerade attraktiv. Nein, Du auch nicht. Nein, ich auch nicht.

 

Wenn Du immer denkst: "Oh ich Arme(r), hätte ich doch nur...... Und warum immer ich ? Warum muss das immer mir passieren ? Jammer, jammer, jammer....", dann kannst Du auch nicht voran kommen. Denn wer jammert, kämpft nicht. Viele zählen dann auch noch die Umstände auf, die schuld an der Situation sind: Die beliebtesten sind:

 

 

  • Leute, die mich lieben sollten (Eltern/Partner/eigene Kinder /Freunde....), tun das nicht in der  Weise, wie ich mir das vorstelle. Deshalb bin ich frustriert.
  • Meine Kindheit war Scheiße, deshalb kann ich nichts.
  • Der Staat ist schuld, dass alles so schlecht läuft. Was soll ich da machen ?
  • Ich bin schon zu alt, soll doch jemand was machen, der jünger und fitter ist als ich.
  • Ich bin krank oder zu dick oder was auch immer. Ich kann eben nicht.
  • Mein Partner ist doof und behindert mich dabei, mich zu verbessern.
  • Mein Vorgesetzter, meine Kollegen sind belastend. Ich kann es ja nicht ändern.
  • Mein Job gefällt mir nicht, aber ich kann es ja nicht ändern.

 

Das heißt, man erklärt, warum man selber gar nichts tun kann. Viele erwarten immer Hilfe von außen. Manche(r) wartet immer auf einen Partner, der sie/ihn glücklich macht. Wobei das gar nicht geht. Denn wer sich selber nicht leiden kann, dem kann auch ein(e) noch so begabte(r) Prinz(essin) nicht helfen. Aber das sitzt fest, weil man ja als Kind schon gelernt hat: Der Prinz kommt und reitet mit mir in den Sonnenuntergang ! Und dann wird alles gut ! Denkste.

 

 

Ich bestreite nicht, dass es einen hart treffen kann. Und dass man dann schon Grund hat, sich leid zu tun und traurig, unglücklich, wütend, enttäuscht zu sein. Wunden müssen auch mal geleckt werden. Aber irgendwann muss man aufhören.

 

Die Mutter des ungarischen Trickfilmhelden Adolar aus der Serie "Adolars fantastische Abenteuer" sagte in diesem Fall immer: "Achhhhh, hätt`ich doch nur den Pisti Hufnagel geheiratet.! " Das beinhaltete so ziemlich alles an Selbstmitleid, was sie aufbringen konnte. Genützt hat es ihr nichts.

 

Bedenke doch mal: Es gibt immer wieder Leute, die unseren ganzen Respekt verdienen, weil sie auch in sehr harten Situationen kämpfen und nicht herumjammern. 

 

Männer, Frauen und Kinder, die sich nicht leid tun oder es nicht nach außen tragen. 

 

Denke an die ganzen Teilnehmer der Paralympics. Leute, die mit einer Behinderung trotzdem große sportliche Leistungen erreichen wollen. An jemanden wie Steven Hawkin, der ein prominenter Wissenschaflter war und im Bereich der Allgemeinen Relativitätstheorie erfolgreich forschte und veröffentlichte. Obwohl er seit seiner Jugend an ALS litt und diese schlimme Krankheit ihn an den Rollstuhl fesselte und auch sein Sprechvermögen zerstört hatte. Oder die Musiker Ray Charles und Stevie Wonder, beide trotz Blindheit höchst erfolgreich.

 

Und Menschen, die schwere Krankheiten, Kriege und Verbrechen überlebt haben. Die ihre inneren und äußeren Beschädigungen heilen wollen, um ein neues Leben zu beginnen. Dazu gehören viel Kraft, Ausdauer und Mut. 

 

An Eltern, die ein Kind verloren haben. Zum Beispiel durch einen Unfall oder eine Krankheit. An Menschen, die ihren Partner verloren haben.

 

Alle Genannten hätten Grund, sich dauerhaft hinzusetzen und zu jammern. Aber viele von ihnen tun es nicht...

 

Sie bewegen sich lieber nach vorn. Sie sind aktiv und tun etwas. Weil sie Kämpfer sind. Ich auch. Obwohl meine aktuellen Sorgen nicht so schlimm sind wie die aufgezählten Probleme der Mitkämpfer.

 

Wir halten es mit Berthold Brecht: "Wer den Kampf nicht geteilt hat / Der wird teilen die Niederlage."

 

***

 

 

Die großen Bäume rauschen laut im Wind, Gras und kleine Pflanzen rascheln. Ab und zu scheint die Sonne, dann frischt der Wind wieder auf. Es riecht nach Erde, Gras und so, als ob es regnen wollte. Im Klostergarten wachsen Kräuter, Salat, Gemüse und jede Menge Blumen. Die Sauerkirschen sind schon rot. Ich esse eine. Sauer macht lustig, oder so. Das Kloster entfaltet wie immer seine Wirkung. Auch der Kaffee, den es hier gibt. Dieser Ort tut mir gut.

 

Heute auch.

 

Als ich diesmal das Kloster durch das große Portal verlasse und zur Mulde gehe, fühle ich mich zuversichtlich und gestärkt. Der Kopf ist wieder in Betrieb. Ein Anfang.

 

Im Klostergarten
Im Klostergarten

 

Der Maulwurf hat mich begleitet und meine Launen ausgehalten. Ich glaube, er atmet jetzt auf. Ist nicht immer alles einfach.

 

Der Jammerlappen / www.handpuppen.de
Der Jammerlappen / www.handpuppen.de
Pawel jammert nicht.
Pawel jammert nicht.