Herr Schnupke: Staffel 2 / Folge 4

Elektroauto und Sommerfrische

Bild 1: Herr Schnupke beim Baden mit Badekaftan und Badekappe

In der letzten Folge besuchte Herr Schnupke Yvonne und Pawel zu Hause, Du erinnerst Dich.

 

Was keiner weiß: Danach musste er ganz schnell abreisen. Er wurde dringend auf dem Sumpfplaneten gebraucht. Worum es genau ging, durfte er nicht verraten. Nur soviel: Seine wissenschaftliche Expertise bei einem Notfall war dringend erforderlich.

 

Also ist er abgeflogen und hat vorher versprochen, sobald wie möglich zurückzukommen. Schließlich gibt es hier noch jede Menge gemeinsam zu tun.

 

Weiter erzählt heute Yvonne:

 

***

 

Weil auf Herrn Schnupke Verlass ist, meldete er sich auch am letzten Freitag wieder bei uns. Nach erfolgreicher Mission zu Hause. Erzählt hat er nichts, nur, dass alles nochmal gut gegangen sei. Nun gebe es keinen Grund mehr, den Kopf hängen zu lassen. Er blinzelt unternehmungslustig und fragt, warum wir diverse Klamottten und allen möglichen anderen Kram herumschleppen und in Rucksäcke stopfen.

 

Ganz einfach. Wir fahren zum Baden in die Sommerfrische. Mini-Pfingsturlaub. Herr Schnupke lässt sich das erklären und scheint die Idee ganz gut zu finden. Kurz entschlossen laden wir ihn ein, uns zu begleiten. Bedingung: Seine Raumkapsel bleibt in ihrem Versteck, er reist auf unsere Weise mit der Bahn. Gespannt stimmt er zu. Dann geht er, um ebenfalls noch bissel was zusammenzupacken. 

 

Danach brechen wir gemeinsam auf.

 

Die Reise klappt gut. Herr Schnupke staunt über die Dampflok, mit der wir das letzte Stück fahren. So etwas hat er noch nie gesehn. Anfangs machen ihn die stampfenden Geräusche etwas unruhig, aber dann gibt sich das und er genießt die Fahrt. Der Rauchgeruch vom Lokfeuer reizt seine Rauchlust - auch Riesenfrösche haben Laster.

Bild 2: Unser Sommerparadies

Als wir angekommen sind, packt jeder seine Sachen aus. Dabei ruft der Maulwurf mehrmals hektisch, er habe etwas Wichtiges vergessen oder könne es nicht finden. Am Ende ist er aber doch mit allem klar gekommen und steht badefertig an der Gartentür. Herr Schnupke ebenfalls. Er hat einen orangenen Badekaftan mit dazu passender Badekappe mit.

 

Wir gehen los und suchen uns eine schöne Badestelle. Nach einer ausgiebigen Schwimmrunde setzen wir uns ans Ufer und verschnaufen. Wir packen unseren Proviant aus; essen und trinken. Danach zündet sich Herr Schnupke eine Tabakspfeife mit Sumpfkräutern von daheim an. Es riecht sehr würzig, ähnlich herb wie Hopfen. Angenehm. Der Tabak hat eine entspannende Wirkung.

 

Nun ist wieder mal Zeit für ein gutes Gespräch, das sehn wir alle drei so.

 

Anfangs geht es um dies und das. Herr Schnupke zeigt uns auf seiner Kamera Bilder, wo wir sehen können, wie er sieht, also die echte Riesenfroschperspektive. Eigentlich gar nicht so sehr anders. Nur sind die Konturen viel schärfer und die Farben etwas anders, wie Regenbogen. Sieh selbst, das Brückenbild ist von ihm.

Bild 3: Lieblingsbadestelle von Herrn Schnupke im See-Seitenarm (Der winzige orange Punkt hinten in der Mitte ist er.)

Bild 4: Herr Schnupke, porträtiert beim Rauchen, im roten Urlaubskaftan

Bild 5: Froschblick: Mit den Augen Herrn Schnupkes gesehen: sein Raucherplatz (roter Pfeil)

Später kommen wir auf ein Thema, was uns alle sehr interessiert und eine Fortsetzung unserer bisherigen Planetenrettungsdiskussionen ist.  

 

Es geht um die Mobilität des Menschen.

 

Einer Menschheit, die von 4,4 Milliarden im Jahr 1975 auf gegenwärtig 7,6 Milliarden angewachsen ist. Und im Jahr 2080 10,8 Milliarden betragen wird, wenn das so weitergeht. Das heißt, von den siebziger Jahren bis jetzt hat sich die Erdbevölkerung knapp verdoppelt. Das hält kein Planet aus. Wir Menschen sind der schlimmste Parasit aller Zeiten. Und der tödlichste für jedes Mitlebewesen.

 

Der Mensch kann laufen oder auf einem Tier reiten oder mit einer Maschine fliegen, schwimmen oder fahren. Letzteres tut er am liebsten. Natürlich motorisiert. Da die Anzahl der kraftstoffbetriebenen Kleinfahrzeuge für Einzelmenschen immer größer wird und die Anzahl der Einzelmenschen auch immer größer wird, gibt es hier ein ebenfalls immer größeres Problem. Was aber nicht von jedem so wahrgenommen wird. Nein, im Gegenteil. Mit den riesigen SUVs kann man ja immer den Hals noch nicht vollkriegen und blockiert zwei Parkplätze, wenn man vorm Bäcker parkt.

 

Über den Katzenschlitten haben wir ja schon in vergangenen Episoden gesprochen. Viele Menschen sind es gewöhnt, mit ihrem eigenen Auto zu fahren. Wenns geht, jedes Familienmitglied einzeln. Möglichst jeden Schritt. Nicht viele Menschen haben Lust, hier umzudenken. Mancher ist drauf angewiesen, da der sogenannte öffentliche Personennahverkehr teilweise noch sehr zu wünschen übrig lässt. Viele Ziele sind zu bestimmten Zeiten nicht vernünftig erreichbar, weil es einfach keine Verbindung gibt. Zum Beispiel vom Dorf X in Stadt Z abends zur Nachtschicht zu fahren und früh wieder heim. Da braucht man natürlich sein eigenes Fahrzeug  wirklich zur Existenzsicherung, wenn man da arbeitet - klar. Das soll auch kein Vorwurf sein. Oder um die Kinder zur Schule zu bringen, wenn es keine Buslinie gibt oder sie dafür noch zu klein sind.

 

Mancher ist aber auch einfach zu faul. Und fährt lieber 600 m zum Bäcker, anstatt zu laufen. Oder hat keine Lust, sich mit Fahrplänen von Bus oder Bahn zu befassen.

 

Da die Mehrzahl der Fahrzeuge auf unseren Straßen kraftstoffbetrieben ist, gibt es jede Menge Abgase. Hier haben wir die letzten Jahre genug Skandale und Diskussionen gehabt - Du hast es im Ohr. Aber wir sind nicht weiter gekommen, oder nicht viel. Um diese Abgase zu vermeiden und das Auto insgesamt umweltfreundlicher zu machen, wird zunehmend auf das Elektroauto gesetzt. Und wieder auf ein Modell für den einzelnen Menschen (bzw. für wenige). Da das Elektroauto bisher eine uncoole Sache war, arbeiten die Autohersteller an einer Aufmöbelung seines Images.

 

Ihr Ziel ist, langfristig gesehn statt einer Unmenge einzelner kleiner Diesel- und Benzinschlitten einen Haufen einzelner kleiner Elektroautos zu verkaufen. Für den Verbraucher soll das keinen Unterschied im Fahrkomfort machen. Deswegen wird in diesem gesamten Bereich geforscht. Sei es, um die Energiespeicherkapazität zu erhöhen und damit die Reichweite des Fahrzeugs oder um die Verbesserung anderer Details.

 

Schön und gut. Sicher teilweise richtig. Aber insgesamt erscheint es uns nach Betrachtung der Tatsachen eigentlich eine riesige Mogelpackung zu sein. Und kein neues Mobilitätskonzept, was die vorhandenen Probleme annähernd löst.  Du fragst, warum ? Hier unsere Diskussionsergebnisse:

 

1. Wenn weiter sehr viele kleine Einzelfahrzeuge unterwegs sind, wird insgesamt auch sehr viel Energie verschwendet. Durch die Einzelnutzung. Denn auch der Strom für diese Autos muss irgendwo produziert werden. Für jedes einzelne Auto. Hoffentlich nicht aus Kohle. Aber irgendwoher muss er kommen, der Strom. In großer Menge. Er muss nicht nur produziert, sondern auch verteilt werden. 

 

Da gehts gleich weiter. Niemand will Kohlekraftwerke, Atomkraftwerke, Überlandleitungen, Windparks, Solarfelder vor der Haustür haben. Aber jeder will immer mehr Strom nutzen. Möglichst billig. Flächendeckende Ladestationen sind Voraussetzung für den sinnvollen Betrieb von E-Fahrzeugen.

 

2. Das Elektroauto hat einen Energiespeicher, welcher ähnlich wie beim Handy der Akku den Strom speichert und dann wieder abgibt, um das Fahrzeug zu betreiben. Diese Akkumulatoren oder Batterien enthalten teilweise giftige Komponenten. (Wenn Du hier mehr lernen willst, klicke oben auf das rote Wort "Energiespeicher"). Die Bestandteile sind nicht nur in der Verarbeitung und beim späteren Recycling zu beachten. Sondern Rohstoffe müssen zu Anfang auch gewonnen werden. In Erdteilen wie Afrika z. B. unter oft nicht menschen- und umweltfreundlichen Bedingungen.

 

Auch wenn man bald weniger giftige Energiespeicher einsetzen kann, wird ein Speicher für Elektroenergie für Autos mit einer sinnvollen Reichweite niemals aus, sagen wir mal, einer Hand voll Heu bestehen. Sondern hier wird man sich die Frage der Umweltverträglichkeit immer stellen müssen.

 

3. Außer dem Energiespeicher besteht das Fahrzeug aus verschiedenen Komponenten. Diese müssen in riesiger Menge industriell gefertigt werden, um die Nachfrage von immer mehr Menschen zu befriedigen. Der global ständig wachsende Produktionsprozess verbraucht Unmengen an Energie und stößt Schadstoffe aus. Außerdem müssen die vielen produzierten Fahrzeuge weltweit verteilt werden. Diese Logistik verbraucht wieder Energie und erzeugt Dreck.

 

***

 

Weil wir hier am See sitzen, wo es auch schon sehr schlimmes Hochwasser gegeben hat, ist uns ein Vergleich für das Einzel-Elektroauto eingefallen; siehe Bild (Und Du weißt ja, alle Vergleiche hinken auch bissel.): 

 

 

Bild 6: Vergleich Flusstal

Also, pass auf:

 

Stell Dir vor, Du wohnst im roten Haus am Fluss. Weil es immer wieder starkes Hochwasser gibt, hast Du andauernd Probleme damit. 

 

Jetzt überlegst Du Dir, wie Du Deine Situation verbesserst, und zwar langfristig. Nicht von heute auf morgen, aber sagen wir, innerhalb von 1 - 2 Jahren.

 

Variante rot: Du behältst Dein Haus an der selben Stelle und baust daneben eine Hochwasserschutzwand (rot links neben dem Haus, Skizze). Du hast damit Deine Situation verbessert, aber wenn es richtig dicke kommt, bist Du trotzdem weg.

 

Variante schwarz: Du gibst das geliebte rote Haus auf und baust ein neues, das schwarze, an einer viel höher gelegenen Stelle. Dort, wo das Wasser mit Sicherheit nicht hin kann.

 

Welche Variante wählst Du ? So-bleiben-wie-ich-bin mit bissel Anpassung oder: Veränderung ?

 

Wir wissen, es ist nicht so einfach. Aber es hilft beim Verstehen, oder ?

 

Als bessere Möglichkeit, sich umweltschonend fortzubewegen, erscheint uns momentan die Gemeinschaftsmobilität. Also mehr öffentliche Verkehrsmittel, die umweltfreundlicher sind als die jetzigen. Zum Beispiel Elektrobusse. Solche Konzepte werden schon praktisch umgesetzt, zum Beispiel in Hamburg oder München. Denn wenn so ein Bus viele Menschen transportiert, ist er wahrscheinlich in der Bilanz besser als 30 oder mehr E-Autos, die die gleiche Strecke fahren.

 

Bild 7: Elektrobus im Test / Hamburg, www.spiegel.de/auto/aktuell/hamburg-elektrobus-fuer-den-nahverkehr-im-test-a-1254420.html

 

Stell Dir vor, diese Fahrzeuge fahren ständig herum (leise und ohne Abgase, ist ja der E-Vorteil). Und jeder kann es nutzen. So wie einen Fahrstuhl im Hochhaus. Da kraxelt ja auch nicht jeder mit seinem Aschekasten einzeln hoch und runter. Käme auch keiner auf die Idee, weil man ja mit dem vorhandenen Fahrstuhl (meistens) gut bedient ist. Außer der ständigen Verfügbarkeit müssten die Fahrzeuge natürlich Sicherheit bieten, auch nachts und in abgelegenen Gegenden.

 

Glücklicherweise ist uns die junge Generation hier voraus und denkt langsam um. (Klicke auf die rote Schrift, dann erfährst Du mehr.) Sicher zuerst die aufgeklärte, gebildete, urbane Jugend. Hier spielt das Auto als Statussymbol keine Rolle mehr. Öffentliche Verkehrsmittel, die im städtischen Bereich ja auch besser verfügbar sind, werden genutzt oder das Carsharing. Statt teurer Autos kauft man sich lieber teure Turnschuhe. 

 

Unsere Diskussion hier soll nur eine Anregung zum Nachdenken sein. Sicher gibt es auch immer Gründe, anderer Meinung zu sein.

 

Trotzdem können wir uns paar blöde Bemerkungen zur Werbung für das neuen Elektro-Auto von VW nicht verkneifen, siehe Plakatwand unten. 

 

Das Kind (junge Generation) hält dem Vater (alte Generation) die Augen zu. Das Kind denkt: "Du wirst es auch noch lernen, ohne Deinen Schlitten zu leben. Ich brauch ihn eigentlich schon längst nicht mehr. Aber wenn es Dir son Spaß macht, na guuut."

 

Der Vater (alte Generation) lacht, weil er sich über sein neues E-Auto freut und denkt, ein moderner Mensch zu sein. Der umweltbewusst ist und hip. Weil ihm die Augen zugehalten werden, sieht er nichts.

 

Deshalb braucht er ein Auto namens ID.

 

So wie Identity - und die kann man nicht kaufen.

 

 

Bild 8: Werbeplakat für den neuen VW-ID (E-Auto von VW).

 

Hier ist es wichtiger, über die Langweiligkeit eines Autos zu sprechen als über die Beschaffenheit seines Energiespeichers. Es ist ein größeres Problem, durch irgendein Auto evtl. uncool zu wirken, als eine Umweltsau zu sein. Den Umweltbezug gibt es nicht, sondern es geht, wie immer, wieder mal nur um den Fahrer selber. Und einen Lifestyle, der verkauft werden soll.

 

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Herr Schnupke ist hinter dem Brückenpfeiler am Wasser verschwunden, um noch eine Pfeife zu rauchen, mit würzigem Kraut. Ich stelle fest, dass der Maulwurf auch weg ist. Ich glaube, er raucht mit. Ich geh die beiden mal suchen.

Bild 9: Kleiner Maulwurf im Urlaub / www.kinder.wdr.de