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Der Schrecken von "Herders Ruhe"

Der Oberberghauptmann August von Herder wurde 1838 am Schacht "Die heiligen drei Könige" im sächsischen Freiberg beigesetzt. Es war sein Wunsch, an diesem Ort seine letzte Ruhe zu finden. August von Herder hat in Freiberg studiert und gearbeitet. Ihm hat der Freiberger Bergbau einigen Fortschritt zu verdanken. Aber das kannst Du an anderer Stelle ausführlich und besser nachlesen. Klicke dazu einfach hier auf den Link:

 

<Über Herrn von Herder, sein Leben und sein Grabmal "Herders Ruhe">

 

Was ich Dir aber selber über diesen Ort erzählen kann und was sonst nirgendwo steht, das erfährst Du gleich.....

 

 

Kindheitsparadies - Weg an Herders Ruhe (liegt hier links hinter den Bäumen) vorbei zur Reichen Zeche.

 

Dieser Ort "Herders Ruhe" und die Gegend ringsherum war auch ein Spielplatz meiner Kindheit. Hier waren meine beste Freundin Anette und ich seit der Grundschulzeit zu allen Jahreszeiten unterwegs. Wir kletterten auf den Halden herum, rannten über die Felder, sammelten Steine, spielten Verstecken und bauten uns auf einer kleinen namenlosen Halde am Tuttendorfer Weg eine "Bude". Das war "unser Berg", den wir nur wenigen Freunden zeigten, gegen Angriffe unliebsamer Kollegen und das Meckern einiger Erwachsener verteidigten.

 

Unsere Lehrer sahen das nicht so gern. Ihrer Meinung nach sollten Kinder sich allein auf "Herders Ruh" nicht herumtreiben. Mädchen schon gar nicht. Dabei ging es ihnen wohl nicht um die Grabesruhe des Herrn von Herder, sondern um uns, die lebendigen Kinder.

 

Sie warnten uns vor den Gefahren der Halden und den allgegenwärtigen Spuren des alten Silberbergbaus. Sicher wollten sie uns und andere Kinder nur beschützen;  sannen deshalb auf geeignete Mittel der Abschreckung.

 

Mit einem einfachen Verbot war das nicht abgetan, das war ihnen schon längst klar. So gut kannten sie uns. Wahrscheinlich deshalb erfanden unsere Lehrer die Story vom Kinderfänger.

 

Der sollte sich angeblich "auf Herders Ruh" und in der gesamten Haldengegend zwischen Freiberg, Tuttendorf und Conradsdorf herumtreiben und dort Kinder fangen. Und deshalb sollten wir dort lieber nicht hingehen. Manche behaupteten auch, dass er in dem kleinen Haus, was in der Nähe des Herderschen Grabmales stand, wohnte. Genaueres war nicht zu erfahren.

 

Damals hatten wir zwar ein wenig Angst vor dem ominösen Fänger, aber unsere Neugier und auch die Liebe zu unserem Berg und der Besitz der dortigen "Bude" wogen schwerer. Wir schlichen so nah wie möglich an das vermeintliche Kinderfängerhaus heran und versuchten, hineinzuschauen und irgend etwas Unglaubliches zu entdecken (Knochen ?!!!). Aber wir fanden nichts und niemanden. Das Haus war verlassen.

 

Wir waren einen großen Teil unserer Kindheit "auf der Halde". Es war toll.

 

Eines Tages allerdings erlebten wir etwas Gruseliges. Wir gingen bei trübem Wetter im Herbst nachmittags den Weg entlang, der an Herders Ruh vorbei nach Tuttendorf führt, den Tuttendorfer Weg. Weit und breit war kein Mensch. Es war etwas neblig und still. Plötzlich zeichnete sich vor uns im Nebel eine schwarze krumme Gestalt ab, die auf dem Weg genau auf uns zuschritt. 

 

Wir schauten uns nur kurz an und hatten beide Angst. Zu der Zeit waren wir ungefähr neun Jahre alt. Tapfer gingen wir weiter auf die Gestalt zu....

 

Und dann hatten wir sie erreicht !  Es passierte - nichts.

 

Die Gestalt war ein alter Bauer in dunklen Kordhosen und Stiefeln, mit einer Schirmmütze. Ich glaube, er trug auch eine Brille. Jedenfalls hatte er einen kleinen Sack mit, in den er nicht Kinder steckte, sondern Futter für seine Kaninchen sammelte, wie wir dann beobachteten. Er ging auch nicht in die Nähe des Gruselhauses und wohnte mit Sicherheit nicht dort.

 

Der Bauer und wir Kinder gingen aneinander vorbei. Ich glaube, er brummelte sogar einen Gruß. Anette und ich waren beide schreckensbleich und brachten kein Wort heraus. Wir waren froh, als der Alte weg war.

 

Noch einige Jahre gingen wir fast täglich auf die Halde, aber so einen Typen haben wir dort nie wieder getroffen.

 

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Hier siehst Du links das "Kinderfängerhaus", wie es heute aussieht. Es wurde renoviert. Sicher wohnen freundliche Leute darin. Rechts daneben der Tuttendorfer Weg, wo wir den alten Bauern getroffen haben. Sieht natürlich im Maisonnenschein und beim Blühen des "Mehlfässchenstrauches" in der Mitte  heute nicht so unheimlich aus wie damals im nebligen Herbst....

 

 

 

Der Maulwurf war auch schon auf "Herders Ruhe". Er hat keine Angst vor irgendwelchen Fängern, aber vorsichtig ist er schon.