Herr Schnupke: Staffel 1 / Folge 2

Die Relativität der Intelligenz

In der letzten Folge hatte ich nach intensiver Beobachtung eines interessant aussehenden Himmels Herrn Schnupke getroffen, den freundlichen Alien auf Erdbesuch.  Herr Schnupke ist Mitarbeiter eines Forchungsinstitutes seines Heimatplaneten zur Erderforschung.

 

Und in dieser Mission seit kurzem hier bei uns. Sozusagen bei einem Feldversuch. 

 

Heute ist unser zweites Treffen. Wir sitzen auf einer Parkbank. Er ist gut vorbereitet und hat natürlich jede Menge Fragen.

 

Damit er nicht die Übersicht verliert, hat Herr Schnupke beschlossen, pro Treffen immer nur eine Frage zu diskutieren. Und sich dafür dann Zeit zu lassen.

 


Um einen gemeinsamen Punkt zu finden, von dem wir ausgehen können, fasst Herr Schnupke sein komplexes Wissen über die Erde zu Beginn zusammen.

 

Er spricht über Erdgeschichtliches, Physikalisches, Geologisches... Herr Schnupke weiß sehr viel. Ich glaube, ihm geht es außer um das WISSEN um das VERSTEHEN. Er wird mir immer sympathischer. Er hat ein scheinbar unerschöpfliches Gedächtnis und benutzt keine mir sichtbaren Hilfsmittel. Ich bin etwas neidisch.

 

Dann kommt er auf die Bewohner unseres Planeten zu sprechen. Die hat er grob eingeteilt in Tiere und Pflanzen. Wir Menschen sind ja auch Säugetiere. Herr Schnupke sieht keinen Grund, an uns Menschen etwas Besonderes zu finden.

 

Aber manches versteht er nicht. Und das will er jetzt ändern. Indem er mich fragt.

 

Zu Frage 1: Es gibt sehr viele Tiere und Pflanzen. Die Vielfalt beeindruckt Herrn Schnupke. Sein Heimatplanet ist da übersichtlicher strukturiert. Es gibt nur verschiedene riesenfroschartige Wesen, z. B. wie ihn, eine Menge Insekten und eine vielfältige, bunte Pflanzenwelt auf dem sumpfigen Planeten. Dafür gibt es bei diesen Riesenfröschen nicht nur zwei, sondern vier Geschlechter.

 

Bei der Erwähnung dieser Tatsache wirkt Herr Schnupke trotz wissenschaftlicher Kernkompetenz und gestandener Wissenschaftlerpraxis kurz überfordert und zwinkert nervös. Ich verstehe ihn. Ich tröste ihn damit, dass wir schon mit nur zwei Geschlechtern  nicht so gut klar kommen.

 

Aber zurück zu unserer Erde: Viele Arten sind schon von den Menschen erforscht worden; manches andere Lebewesen wurde noch gar nicht entdeckt. Trotzdem, so weiß Herr Schnupke, bezeichnet sich der Mensch als Krone der Schöpfung und verhält sich dementsprechend dominant.

 

Und deshalb lautet die erste Frage des Fremdlings auf unserem Planeten:

 

Frage 1: Sind die Menschen die intelligentesten Wesen des Erdplaneten ? 

 

Ich atme schwer. Und versuche eine Erklärung. Die Menschen werden insgesamt als die intelligentesten Lebewesen der Erde bezeichnet. Und das ausschließlich von sich selbst.

 

Die Entwicklung der Menschen hängt mit der Leistungsfähigkeit ihres Gehirns, mit ihrer Anpassungsfähigkeit und ihrer Widerstandskraft zusammen. Schließlich haben sie von allen Tieren die am weitesten entwickelte, bisher sichtbare Zivilisation geschaffen.

 

Diese Menschen sind irgendwann vom Baum geklettert und haben sich aufgerichtet. Zumindest die meisten. Nach und nach. Dieser Prozess ist auch heute noch nicht gänzlich abgeschlossen. Die Aufrechten hatten dann eine größere Weitsicht als vorher, sozusagen einen weiteren Horizont. Da kamen sie auf die Idee, Land zu bebauen und Tiere zu zähmen. Und Flüsse und Meere zu befahren, um wieder neues Land zu entdecken. Herr Schnupke nickt zufrieden.

 

Sie bauten feste Häuser und Verteidigungsanlagen. Und überfielen andere Menschen oder wehrten sich, wenn sie selbst überfallen wurden.

 

Sie erfanden neue Dinge, die ihnen das Leben erleichterten und Grundlage für weitere Entwicklung waren. Zum Beispiel das Rad, die Dampfmaschine, die Nylonstrumpfhose, das Aspirin und den Computer. Und die Sprache. Herr Schnupke schaut mich fragend an, weil er mit dem Strumpf nichts anfangen kann. Ich erkläre kurz.

 

Dann merkten die Menschen, dass man alles Mögliche verkaufen kann, wenn der andere glaubt, das auch zu brauchen. Dabei war es egal, was es war.

 

Es wurde dann immer mehr immer schneller alles Mögliche hergestellt und verkauft, damit man danach noch mehr herstellen und verkaufen konnte. Dafür arbeiteten die Menschen Tag und Nacht in ihren Forschungszentren, Bergwerken und Fabriken. Für immer mehr. Das heißt Wirtschaftswachstum.

 

Außer dem Wirtschaftswachstum wuchs und wächst auch noch die Menschheit selber immer weiter. Es wurden immer mehr Menschen, die andere Lebewesen aus ihrem Lebensraum verdrängten, auffraßen oder nebenbei vergifteten. Weil wieder etwas produziert werden musste.

 

Manche Menschen dachten sich Dinge aus, die eigentlich keiner braucht, nur um sie zu verkaufen.  Dann haben sie anderen Menschen eingeredet, dass diese Dinge unentbehrlich seien. Zum Beispiel elektrische Eieranstecher und ein eigener Dieselschlitten für die Katze. Letzterer ist momentan nur als Prototyp vorhanden und noch geheim, soll aber höchstwahrscheinlich bald in Serie gebaut werden. Unser Verkehrsminister hat dem schon begeistert zugestimmt und sich vehement gegen ein Tempolimit beim Katzenschlitten ausgesprochen. Das nennt man dann Bedürfnisentwicklung und Werbung und Lobbyismus (oder Prostitution).

 

Oder Katze mit Erlkönig, was ja schon nicht so gut klingt. Herr Schnupke schüttelt den Kopf und fragt, was eine Katze und was ein Erlkönig seien. Lobbyismus und Prostitution scheinen ihm geläufig zu sein. Ich erkläre den Erlkönig; ohne Goethe.

 

Die ganze Produziererei dient dazu, um immer noch mehr herzustellen und zu verkaufen. Wozu dann wieder immer mehr von allem gebraucht wird. Mehr Energie, mehr Wasser, mehr Rohstoffe, mehr Nahrung, mehr Städte, mehr Müll. Mehr, mehr, mehr, mehr.... Ich glaube, Herr Schnupke nimmt das zur Kenntnis, versteht es aber beim besten Willen nicht.

 

Weil immer schneller Neues gekauft wird, hebt man auch nichts Altes mehr auf. So entsteht immer schneller immer mehr Müll. Da produzieren wir dann wieder Konzepte und Maschinen, die den Müll verarbeiten.  Es sollte mal wissenschaftlich untersucht werden, welcher mathematische Zusammenhang zwischen Menschheitswachstum und Müllvermehrung in Abhängigkeit von der Zeit besteht, meint Herr Schnupke. Weder er noch ich sind Mathematiker. Wir sind uns aber einig, dass dieser Zusammenhang nicht linear, sondern schlimmer sein muss.

 

Herr Schnupke zieht ein kurzes Fazit: "Das heißt dann wohl, Eure Evolution hat als (Eurer Meinung nach) intelligentesten Bestandteil ein Lebewesen hervorgebracht, was sich unkontrolliert vermehrt, seinen Lebensraum vernichtet und unfähig zu einer friedlichen Koexistenz mit anderen Lebewesen ist."

 

Ich bin damit nicht glücklich, kann seine Zusammenfassung aber auch nicht entkräften. Wahrscheinlich bin ich nicht intelligent genug.

 

Und Herr Schnupke ist nun gespannt auf die anderen Lebewesen des Planeten.

 

Damit doch noch was Positives zum Abschluss gesagt wird, weist der Maulwurf auf die friedliche Koexistenz zwischen Mensch und Maulwurf hin. Dass das auch nicht immer so ist, verschweige ich ihm lieber. Wir sind gespannt auf die nächste Frage, die Herr Schnupke uns stellen wird.

 

In der nächsten Folge.