Am Schloss
Verlässt man das Tal der Freiberger Mulde bei Gleisberg und wendet sich bergauf dem Dorf zu, erreicht man bald das Gleisberger Zentrum mit der schönen Kirche. Dahinter geht ein Weg namens Chorener Straße in nördlicher Richtung bis zur Autobahn A14 und auf einer Brücke bei der Raststätte Hansens Holz darüber - dort beginnt am orangenen Pfeil unsere Karte. Bald sieht man das Dorf Choren auftauchen und geht weiter auf dem Weg, der jetzt Dorfstraße heißt. Am Rand eines kleines Berges steht ein prächtiges weiß-gelbes Gebäude. Das ist das barocke Schloss von Choren. Dort wollen wir heute hin.
Es ist das richtige Wetter für so eine Erkundung, denn hell leuchtet die Mittagssonne und macht die Welt auch in Choren freundlicher und angenehmer als sie vielleicht stellenweise wirklich ist.
In Choren biegen wir auf die Gärtnergasse ein und an deren Ende nach links ab. Gleich ist ein kleiner Sportplatz erreicht. Er liegt am Fuß des Schlossbergs; eventuell kommt man von hier aus nach oben? Und wirklich - dort, wo der Sportplatz an den Laasenbach grenzt, guckt zwischen den jetzt unbelaubten Bäumen das knallgelbe Geländer einer Brücke hervor. Ihr Standort ist oben in unserer Karte mit einem Pfeil in gleicher Farbe markiert.
Jetzt erscheint alles ganz einfach. Nachdem die Brücke überquert ist, führt ein Pfad schlossbergaufwärts. Und man kommt direkt am Schlosspark heraus, der auf dem kleinen Bergplateau liegt. Im Mittelalter soll hier eine Slawenburg gestanden haben.
Wir machen eine Runde durch den Park mit seinen alten Bäumen. Auffallend besonders eine Hängebuche und eine Buche, die nebeneinander hier stehen und sicher schon allerhand miterlebt haben. Sehr schön muss es sein, im Sommer unter den schützenden Zweigen der Hängebuche im Gras zu sitzen. Ihre Freundin, die Buche, trägt ein geschnitztes Herz in beträchtlicher Höhe. Wie lange es wohl dort schon vernarbt und mit dem Baum mitwächst?
Radiomusik ertönt, ein Mann arbeitet am Dach des linken Nebengebäudes. Wir winken uns zu. Die großen Gesindehäuser mit ihren Gartenmauern und Durchgängen sind teils verwildert. Freundlich scheint das Sonnenlicht auf junge Bäume, die dort wachsen wollen. Von weitem ist das Wiehern von Pferden zu hören. Auch der große bunte Hahn von der Gärtnergasse, den wir vorhin schon gesehen haben, kräht laut und kräftig herüber. Nach ein paar Schritten stehen wir dann vor dem beeindruckenden Schlossportal. Es erscheint ein wenig unwirklich an diesem Ort. So, als ob man eine sehr elegant gekleidete Dame mit Hut und feinen Handschuhen plötzlich hier zwischen Baustellen, Brachen, Wiesen und Ställen träfe.
Doch der erste Eindruck täuscht: das Schloss bildet mit seinen direkt angrenzenden Nebengebäuden, den nur noch teilweise vorhandenen Grundstücksmauern und den Gesindehäusern eine Einheit, ein Unternehmen. Es ist nicht losgelöst, sondern gut eingegliedert in das Ganze; jedenfalls wurde es mal so angelegt. Äcker und Wiesen, Wälder, Teiche, Steinbrüche gehören ebenso dazu wie Schäferei, Brauerei, Gasthaus und noch mehr. Die elegante Dame, die wir uns eingebildet haben, erweist sich nicht als Rokoko-Püppchen, sondern eher als Gutsverwalterin.
Ein Bild aus der Mitte des 19. Jahrhunderts zeigt, wie das Anwesen mal ausgesehen hat.
1755 ließ Carl Leonhard Marschall von Bieberstein sein Schloss Choren bauen - hier im Rittergut, wo er 1705 geboren wurde und das es schon seit 1551 gab. Seit dem 13. Jahrhundert war es im Besitz der begüterten Familie Marschall von Bieberstein. Carl Leonhard war kurfürstlicher Geheimrat und General-Kron-Postdirektor in Polen unter Kurfürst und König August III. Dieser Wettiner regierte nach dem Tod seines Vaters August des Starken ab 1733 Sachsen und auch Polen.
Eine Zeit der Prachtbauten, des "sächsischen Barock", wie der Baumeister Samuel Locke uns hier zeigt. Auch hier in Choren, abseits von Dresden, wollte man entsprechend wohnen und repräsentieren. Wenn man sich das leisten konnte so wie die Marschall von Biebersteins.
Im 19. Jahrhundert endete die Ära der Familie Marschall von Bieberstein auf Choren. Die Familie verkaufte das Anwesen an einen Major Sahrer von Sahr. Danach gehörte es dem Reichstagsabgeordneten Wilhelm Oehmichen und zuletzt bis 1945 einem Dresdner Architekten namens Dr. Herbert Geisler, bevor es enteignet wurde.
Zunächst dienten Schloss und Gutsgebäude als Wohnraum für die Vertriebenen aus den verlorenen deutschen Ostgebieten. Und als die in den 1950er Jahren auszogen, nutzte man es als Schule. Nach dem Ende der DDR änderte sich auch hier fast alles; das Gut kam wieder in Privatbesitz; das Schloss selbst wurde saniert und wiederverkauft - und damit vor dem Verfall gerettet. Momentan scheint das Areal aufgeteilt, hat mehrere Besitzer und dient unterschiedlichen Zwecken.
Verlässt man das Rittergut, kann man vom ersten Teich unterhalb des Schlosses bachaufwärts gehen und entlang des Laasenbachs alle drei Teiche entdecken, die hier angestaut wurden. Den ersten dieser Teiche sieht man oben auf dem Bild von 1856. Wie alt die anderen beiden sind, weiß ich nicht. Auf jeden Fall wurde/wird hier auch gebadet, habe ich mir erzählen lassen. Und die Dresdner Neuen Nachrichten melden 2023, dass die Wasserqualität hier unbedenklich sei.
Nachdem wir dieses kleine Teichgebiet umrundet haben, geht es in Richtung des blauen Pfeils - siehe obige Karte - wieder auf die Dorfstraße und von da aus nach Gleisberg zurück.