Auf einem Spaziergang entdeckte ich eines Tages einen schönen Blumenladen namens "Philipps Blumenlaube". Der Name hat mir gleich gefallen.
Leider war Sonntag und deshalb die Laube geschlossen. Sonst wäre ich mal rein gegangen.
Vielleicht hätte ich dann auch Philipp kennengelernt. Und er hätte mir was darüber erzählen können, wie es zu seiner Blumenlaube gekommen ist.
Da ich ihn aber nun nicht fragen konnte, war ich auf meine eigenen Spekulationen angewiesen. Als ich anfing, über die Blumenlaube nachzudenken, ist mir allerhand eingefallen.
Sicher ist es etwas Besonderes, wenn PHILIPP einen Blumenladen hat und nicht, sagen wir mal, RAMONA. Da hätte ich mir wahrscheinlich keine Gedanken dazu gemacht. Ja, ich bin voreingenommen, ich weiß.
Jetzt stellte ich Vermutungen an, wie Philipp zu seiner Blumenlaube gekommen ist:
Philipp hat schon als Kind immer Pflanzen und Tiere geliebt. Er hatte Meerschweinchen, Wellensittiche und später auch einen Hund, der vielleicht Elvis hieß. Im Garten der Großeltern oder im Hof seines Wohnhauses besaß er beizeiten ein eigenes Beet. Hier pflanzte er alles mögliche an: Möhren, Petersilie, keinen Spinat, Radieschen, aber am liebsten BLUMEN. Auf dem Fensterbrett seines Kinderzimmers standen Blumentöpfe mit verschiedener Saat, z. B. auch Apfelsinen- und Granatapfelkernen. Und ein paar Samen von roten Mohnblumen. Weil Philipp wissen wollte, ob die im Topf wachsen und blühen.
Seine Eltern haben ihn machen lassen und gedacht, das verwächst sich vielleicht. Aber da hatten sie sich geschnitten. Auch später wollte Philipp keine Lehre als Mechatroniker machen und baute sich lieber im Hof ein Gewächshaus, worin er sich an der Zucht seltener Pflanzen versuchte. Vielleicht hat er sogar Ableger dafür im Botanischen Garten oder im Pillnitzer Schloss geklaut.
Dann hat er eine Ausbildung zum Gärtner oder Floristen gemacht. Und da war sein Traum, ein eigenes Blumengeschäft zu haben. Und nicht, was zu einer Kette gehört, die ihm Vorschriften macht. Sondern was ganz Unabhängiges, wo er auch Blumensträuße mit Spinatblättern garnieren kann, wenn er das will.
Diesen Traum hat er dann verwirklicht (Ich meine den Laden, nicht die Spinatblätter, oder wer weiß ?). Bei Überlegungen für einen passenden Namen für sein neues Geschäft ist ihm dann endlich "Philipps Blumenlaube" eingefallen. Was ein sehr schöner Name ist, finde ich.
Vielleicht war es auch ganz anders:
Philipps Vater hatte eine gut funktionierende Heizungsfirma oder einen Gartengerätevertrieb und sagte eines Tages: ²Sohn, ich erwarte, dass Du mich hier unterstützt und im Geschäft mitarbeitest.". Philipp hatte das schon früher ab und zu gemacht. Aber eigentlich spürte er keine Lust auf Heizungsventile oder Heckenscheren. Seine Mutter hat ihn verstanden.
Da stritt er sich lieber mit seinem Vater und machte die Blumenlaube auf. Der Name ist dann Protest gewesen, weil eine Heizungsfirma oder ein seriöser Gartengerätevertrieb natürlich niemals irgendwas mit "Laube" heißen kann. Erst war der Vater sauer, aber dann haben sie sich wieder vertragen und bei der Kundenakquise unterstützt. Eventuell hat Philipp ja auch noch eine Schwester, die Ramona heißt und Mechatronikerin ist.
Mir ist noch was eingefallen:
Philipp könnte auch als arbeitsloser Betriebsschlosser vor einigen Jahren eine Weiterbildung zum Floristen gemacht haben mit dem Ziel, etwas ganz anderes zu tun als bisher. Nicht mehr in dröhnenden Werkhallen und lauten Werkstätten zu arbeiten, im Geruch von Schmierfett und Metallspänen.
Sondern er sagte sich: Es muss doch auch noch was anderes geben. Und hat dann erfolgreich die Blumenlaube aufgemacht. Und weil es eben seine ist und nicht die seiner Schwester Ramona, so heißt sie eben "Philipps Blumenlaube". Übrigens habe ich selber gar nichts gegen Werkhallen und Werkstätten, im Gegenteil. Aber ich bin ja auch Yvonne und nicht Philipp.
Ich höre jetzt auf mit meinen Vermutungen. Wenn ich das nächste Mal in der Nähe der Blumenlaube bin, schaue ich nach, ob sie geöffnet hat. Wenn ja, gehe ich hinein, kaufe Blumen und frage einfach nach.
Es wird sicher alles wieder ganz anders sein.
Der Maulwurf schiebt einen Blumentopf auf die Fensterbank. Ich glaube, es ist ein Pfirsichkern darin. Oder eine seltene Blume.
