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Schloss Gersdorf

Neuentdeckung im Sommer 2022

Schloss Gersdorf bei Roßwein
Schloss Gersdorf bei Roßwein

 

Während ich auf der Karte von Google Maps etwas ganz Anderes suchte, fand ich zufällig ein Schloss, von dem ich noch nie gehört hatte.  In einem kleinen Dorf, wo ich noch nie war, da soll es stehen. Interessant ...

 

Schon unzählige Male war ich unten im Muldental an diesem Dorf, Gersdorf nämlich, vorbeigefahren. Hinter Fluss, Waldhang und Feldern, da liegt es. Neugierig geworden fuhren wir jetzt mal dahin. An einem strahlenden Tag Anfang Juli, mitten im Sommer.

 

Kleiner Überblick, hier zwischen Leipzig und Dresden liegt Gersdorf:

 

Vom Wolfstal über Schloss Gersdorf nach Gleisberg (www.google.com/maps)
Vom Wolfstal über Schloss Gersdorf nach Gleisberg (www.google.com/maps)

 

An der Muldenbrücke, die nahe der Bushaltestelle Roßwein Wolfstal hinüber in den Wald führt, starten wir. Ein herrlicher Tag. Sonne scheint, es singt, summt, rauscht und raschelt um einen herum.

 

 

Durch  hellgrün leuchtenden Laubwald voller bergbaulicher Artefakte führt der Weg nach Gersdorf. Wir gehen den Zechenweg. Ja, hier sind wir in einer alten Bergbauregion. Silber und Kupfer gewann man aus den geförderten Erzen. 

 

Bergbaugebiet Gersdorf (Bild: Infotafel vor Ort)
Bergbaugebiet Gersdorf (Bild: Infotafel vor Ort)

 

Ein gut gemachtes Schildersystem erklärt die Bergbaugeschichte dieser Gegend. Am alten Huthaus oben in Gersdorf verlässt man schließlich den Wald, nachdem man an Stollen, Halden, Bewässerungsgräben und der alten Bergzimmerei vorbei kam.

 

Einen Abstecher zum etwas abseits unseres Weges liegenden Krebsteich, der ein alter Bergbauwasserspeicher ist, machen wir später. Heute sehen wir seine Wasserfläche nur von Weitem durch die Bäume glänzen. Sogar eine Huntebahn gab es hier, bis Ende des 19. Jahrhunderts aus Kostengründen der Bergbau eingestellt wurde.

 

Du siehst, schon in diesem kleinen Waldstück gibts viel zu entdecken. Genauer widmen wir uns der hiesigen Bergbaugeschichte ein anderes Mal, denn heute haben wir ja schon ein Ziel: Schloss Gersdorf.

 

Hölzerne Kauen sind die ersten Schachthäuser im hiesigen Erzbergbau. (Bild: Infotafel vor Ort)
Hölzerne Kauen sind die ersten Schachthäuser im hiesigen Erzbergbau. (Bild: Infotafel vor Ort)

 

Nun sind wir in Gersdorf. Vorbei geht es am Huthaus, an dem winzigen alten Backhaus und eine wunderschöne kleine Lindenallee lang. Die Dorfstraße. Hier steht eine uralte Esskastanie großartig hinter einer Mauer. Der riesige Seitenast des alten Baumes muss mit einer Rohrstütze stabilisiert werden, um nicht abzubrechen. Ein paar Häuser, ein kleiner Rastplatz. Ein Briefkasten mit Antifa-Herzchen. Dann biegt man an einer großen alten Mauer links ab, nun geht es leicht bergab zum Schloss.

 

 

Nach wenigen Schritten sind wir da. Und sehr beeindruckt von dem kleinen und doch imposanten Anwesen. Still und scheinbar allein gelassen liegt es in der Mittagssonne. Rosen und Lindenblüten duften.

 

Schloss Gersdorf und Verwalterhaus rechts
Schloss Gersdorf und Verwalterhaus rechts

 

Häuser leben meistens viel länger als Menschen. Sie haben ein eigenes, oft Jahrhunderte währendes Schicksal. Immer spannend, diese Geschichten. Und die eigene Kleinheit in jeglichem dauerhaften Gebäude wird einem bewusst.

 

Das Vorgängeranwesen von Schloss Gersdorf wurde um 1215 als Vorwerk für das nahe Kloster Altzella erbaut. Nach der Reformation kaufte es der damalige sächsische Kurfürst Moritz von Sachsen. Danach gehörte es verschiedenen, meist adligen Familien. Seit Ende des 16. Jahrhunderts war Gersdorf ein Rittergut. Man betrieb Landwirtschaft, hatte Grundbesitz.

 

1890 baute man das Hauptgebäude zum Schloss um. Die vorletzten Besitzer waren die Grafen von Lippe-Biesterfeld-Weißenfels, die das Anwesen 1937 an den Major a. D. Daniel von Hoenning-O'Caroll verkauften, der es bereits seit 1929 verwaltete, wenn ich das richtig verstanden habe.

 

1945 wurde auch dieser Besitz enteignet. 

 

 

Was Mitte Mai 1945 geschah, berichtet der Sohn des Majors von Hoenning-O'Caroll Carl-Otto (Quelle: Schicksal des Ostadels, C. A. Starke, 1994, S. 182) :

 

"Der Einmarsch der Russen in Gersdorf verlief relativ diszipliniert und war für meinen Vater, dank der Fürsprache unserer auf dem Hof arbeitenden und lebenden jugoslawischen Kriegsgefangenen, ziemlich problemlos. Dies änderte sich jedoch schlagartig, als die Kampftruppen abzogen und eine wild plündernde Soldateska nachrückte. Meine Mutter und meine zehnjährige Schwester, ein gleichaltriges Berliner «Bombenkind» sowie zwei bei uns untergekommene junge Damen konnten sich noch rechtzeitig auf dem Dachboden des Gärtnerhauses in Sicherheit bringen, während die Marodeure in übelster Weise über die Bevölkerung des kleinen Dorfes herfielen. –

 

Am 14. Mai 1945 schliesslich kamen plündernde Polen auf den Hof und verlangten Vieh von meinem Vater. Als er denen erklärte, dass sie dazu eine schriftliche Genehmigung der örtlichen Kommandantur vorlegen müssten, erschlugen sie ihn ohne weiteren ersichtlichen Grund und zwangen anschliessend Arbeiter des Gutes, ihn im naheliegenden Wald in den eingestürzten Schacht des ehemaligen Silberbergwerks zu werfen. "

 

Schloss Gersdorf, Ansichtskarte 1964 (www.alleburgen.de)
Schloss Gersdorf, Ansichtskarte 1964 (www.alleburgen.de)

 

Nach 1945 diente das Schloss als Schulungsort des FDGB, dann als Wohnheim für angehende Facharbeiter und Ingenieure. 1997 kaufte es die Marzodko GbR.

 

Und seit ca. zehn Jahren wohnen und arbeiten hier die Mitglieder einer Kooperative, über die man Einiges auf deren Schlosswebsite erfährt. Sie sind auch die Eigentümer.


Man kann an den verschiedenen Veranstaltungen teilnehmen und dabei einen Blick ins Schlossinnere werfen. Etwas erfahren, was die Kooperative ausmacht. Mitarbeiten und was lernen.

 

 

Sogar eine kleine Dokumentation über Schloss Gersdorf gibt es. Zeitzeugen berichten von früher, die Gründer der heutigen Kooperative erzählen, was sie hier machen: 

 

 

Wir streifen durch den verwilderten Teil des vorderen Parks, den offensichtlich bewohnten Teil lassen wir aus. Auch eine Kooperative hat eine Privatsphäre.

 

Hier im alten Parkteil sieht uns keiner. Er ist so zugewachsen, dass man auch ein paar Kühe problemlos verstecken könnte. Gebüsch, verfallene Gebäude, Treppen, Fenster. Sonnenflecken, grüne Dämmerung. Herrlich. Besonders: alte Linden, offensichtlich Reste einer Parkallee, wurden früher kugelig geschnitten, lange Zeit. Seit Jahrzehnten macht das keiner mehr. Aus den alten Baumköpfen wachsen riesige Äste in den Himmel.

 

Sie machen schon. Wenn man sie nur lässt.