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Hervorgeholt: Was Stripperinnen mit Alexander von Humboldt zu tun haben

Wie es ist und wie wir es sehen

 

"Gewiß ist es fast noch wichtiger, wie der Mensch das Schicksal nimmt, als wie es ist."

(Wilhelm von Humboldt 1767-1835)

 

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Eine Villa in Südflorida, Miami. Dazu folgende kleine Geschichte:

 

Vor vielen, vielen Jahren sah ich mal einen Film, einen Krimi, im Fernsehen, nachts. Darin ging es um eine sehr ehrgeizige Stripperin, die sich ein luxuriöses, finanziell sorgenfreies Leben wünschte. Wer nicht. Um ihre Vorstellungen in die Tat umzusetzen, wickelte sie einen einflussreichen und sehr vermögenden Politiker um den Finger. Sie ging mit einem guten Plan ans Werk, um an ihr Ziel zu kommen. Das ging soweit, dass der Mann seine Familie verließ, die Scheidung einreichte und seine neue Angebetete um ihre Hand bat. Die bekam einen tollen Verlobungsring mit funkelndem Diamanten in beträchtlicher Größe. Und freute sich natürlich.

 

Der Politiker wohnte mit seiner bisherigen Gattin und den gemeinsamen Kindern in einer Luxusvilla, umgeben von einem fantastischen Garten, Palmen, riesigen Blumenrabatten und einem herrlichen Pool. Die Neue ging ganz selbstverständlich davon aus, dass die Exfrau mit den Kindern aus diesem Anwesen auszog und sie selbst dort mit dem Mann, der jetzt bald ihrer war, einziehen würde. Sie wollte endlich auch mal was haben und zu Stuhle kommen, viele Jahre Tanzjobs in rauchigen Clubs lagen hinter ihr. Verständlich.

 

Der Politiker war ein gutaussehender, offensichtlich etwas naiver Typ Mitte Vierzig. Nun passierte das: ganz glücklich kündigte er seiner Verlobten eine Überraschung an, wofür sie sich in der Stadt verabredeten. Sie trafen sich und fuhren durch die Sraßen. Vor einem Mehrfamilienhaus mit vielen Balkonen, von denen man auf die Stadt und das Meer schauen konnte, hielt er an. Er forderte seine Begleiterin zum Aussteigen auf. Sie betraten das Haus und gingen die Treppe zum ersten Stock hinauf.

 

Lächelnd und stolz zog der Ahnungslose einen Schlüssel aus der Jackentasche und schloss eine Wohnungstür auf. Seine Verlobte trat widerwillig ein und guckte misstrauisch. Was, verdammt noch mal, man denn hier wolle? fragte sie ihn.

 

Ich vor dem Fernseher betrachtete interessiert die leere Wohnung, die die beiden jetzt schweigend durchschritten. Normales Haus, normale Gegend, kein Luxus, aber nicht schlecht. Dreizimmerwohnung mit Bad, Einbauküche, Balkon. Solide und geräumig. Große Fenster mit Blick den Berg herunter auf kleine Häuser, Palmen und das Meer. Eigentlich nicht so übel, mit ein paar Ideen könnte man das schick zurechtmachen....

 

Unsere Ex-Stripperin aber sah das nicht so. Sie bekam einen Schreikrampf, nachdem sie erfuhr, dass man jetzt hier gemeinsam einziehen und sich einrichten würde. Denn Villa und Garten behielte die verlassene Ehefrau mit den Kindern. Schließlich habe er seine Familie ja im Stich gelassen und deshalb auch ein schlechtes Gewissen, begründete er. Vor allem den beiden Kindern gegenüber. Und zur wahren Liebe bräuchte man ja keinen Luxus, oder? strahlte er immer noch siegessicher. Und das meinte der ernst! Gleich eröffnete er ihr noch, dass er aufgrund des Skandals der Verbindung mit ihr seinen sehr gutbezahlten Job los sei und jetzt neu anfangen wolle, mit ihr. Wunderbar. 

 

Weil die Dame das allerdings ganz anders sah, wurde nichts daraus. Das weitere Geschehen soll jetzt nicht interessieren, denn ich will auf etwas hinaus:

 

Was dachte ich mir, als ich die Wohnung sah, welche Mann und Frau im Film besichtigten? Schönes Haus, gute Fenster, große Räume. Keine alten Öfen, sondern Heizung. Kein improvisiertes Küchenmobiliar, sondern eine durchgestylte Einbauversion. Schickes Bad, kein Plumsklo auf der Treppe. Balkon, Blick auf das Meer - allerdings in der Ferne. Zusammengefasst kann ich sagen: in Anbetracht meiner damaligen Wohnverhältnisse - ich war noch Studentin - wäre ich dort sofort begeistert eingezogen, hätte mir zur Feier des Tages nen Sekt aufgemacht und wäre schon vor Lachen nicht eingeschlafen , mit oder ohne Politiker....

 

Und das will ich damit sagen: was wir sind und was wir haben, das ist das eine. Wie wir uns damit fühlen, etwas ganz anderes. Das sollte uns nicht davon abhalten, nach Dingen zu streben, die uns wichtig sind. Denn finanzielle Unabhängigkeit und schönes Wohnen sind angenehm.

 

Nicht zufrieden geben sollten wir uns, aber mal zufrieden sein.

 

Alexander von Humboldt (Gemälde von Joseph Karl Stieler,  https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=922977)
Alexander von Humboldt (Gemälde von Joseph Karl Stieler, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=922977)

 

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Alexander von Humboldt, der Erfinder des genannten Satzes am Artikelbeginn, war ein gebildeter, ehrgeiziger, fleißiger und weitgereister Mann. Viel hat er gesehen und selbst erlebt. Er bereiste Südamerika, die USA, Asien und viele europäische Länder, zum Beispiel das weite Russland. Auf verschiedensten Gebieten forschte er und trug Wissen zusammen:  Physik, Chemie, Geologie, Mineralogie, Botanik, Geografie, Zoologie, Klimatologie, Ozeanographie und Astronomie und noch mehr.

 

Auch für die gesellschafltiche Entwicklung der Menschen und das einzelne Individuum interessierte er sich. Jahrzehntelang setzte er sich für die Abschaffung der Sklaverei ein, die er für das größte Übel der Menschheit hielt. Genug davon muss er auf seinen Reisen gesehen haben.

 

Man kann bei Alexander von Humboldt davon ausgehen, dass ihm prekäre Lebensverhältnisse, gesundheitliche Schwierigkeiten, Kriegsfolgen, Sklaverei, Krankheit, Willkür - menschliches Leid in verschiedenster Form gut bekannt waren. Und er auch persönlich schwierige Zeiten überstand in seinem neunzigjährigen, äußerst erfolgreichen Leben. Ohne eine entsprechende innere Haltung, das Überwinden-Wollen von Dingen, die sich einem entgegenstellen, schafft man das nicht.

 

Deswegen finde ich seinen Satz umso bemerkenswerter.