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WAS 36 - Sonntagsgedanken

Zdeňka und ich

Vom Eberhardweg nach Deutscheinsiedel auf dem Glockenwanderweg
Vom Eberhardweg nach Deutscheinsiedel auf dem Glockenwanderweg

 

Mir geht es so, dass ich beim Laufen und beim Rauchen besser denken kann; zumindest kommt es mir so vor. Bewegung, frische Luft und ein paar schöne Stunden in der Natur tun gut und stabilisieren für neue Herausforderungen. Oder auch für einen Filmeabend auf dem Sofa. 

 

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Blick in Richtung Seiffen
Blick in Richtung Seiffen

 

Heute sind wir ganz im Süden Sachsens unterwegs, direkt an der tschechischen Grenze. In Deutscheinsiedel. Nicht zum ersten Mal, denn diese Gegend ist mir lieb geworden, seit ich sie entdeckte.

 

Sachsen und Böhmen, über Jahrhunderte miteinander lebend, sich auch bekämpfend. Die alte Grenze aus dem 15. Jahrhundert wurde damals festgelegt und vereinbart, um Streitigkeiten und weitere Kriege zu verhindern.

 

Für diese Grenze wurde einst eine böhmische Prinzessin namens Zdeňka ganz jung mit einem sächsischen Herrscher, nämlich Albrecht,  verheiratet, vielleicht erinnerst Du Dich an unsere Betrachtungen dazu im Zusammenhang mit der Burg Tharandt. Denn diese kleine Burg über dem Weisseritztal war der spätere Witwensitz der einstmaligen Prinzessin Zdeňka, die man schon längst Sidonie nannte. 1510 starb sie hier sechzigjährig.

 

Der Vertrag von Eger, die sächsisch-böhmische Grenzlinie 1459 festlegend, beinhaltete  neben den Linien auf der Landkarte auch diese Verheiratung der damals Zehnjährigen mit Sachsenherzog Albrecht. Die Vermählung erfolgte sofort, aber nur rechtlich. Zdeňka zog schon nach Sachsen um,  mit dem Brautlager wartete man, bis sie vierzehn Jahre alt war. Die schon damals christlich geprägte Kultur gebot das. 

 

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Oft denke ich an diese vergangenen Ereignisse, an die Menschen, die längst nicht mehr da sind. Sie haben schließlich alle zusammen dafür gesorgt, dass es uns heute hier gibt und wir weiter das Land bewohnen, bewirtschaften und schützen, das sie uns sicherten.

 

Würden unsere Altvorderen wissen, wie wir heute mit ihrem Erbe umgehen, so wären sie wahrscheinlich entsetzt. Auch unsere Gesellschaft, die Landesgrenzen unkontrolliert lässt, dafür aber gesunde Menschen, die ihre Steuerzahler sind, am Einkauf im Schreibwarenladen oder am Kaffeetrinken beim Bäcker hindert, ist schwer vermittelbar. Und das eigentlich jedem gegenüber, nicht nur den alten Sachsen und Böhmen ....

 

 

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Tafel an der Auferstehungskirche Deutscheinsiedel
Tafel an der Auferstehungskirche Deutscheinsiedel

 

Wir steigen an der Haltestelle Deutscheinsiedel/Eberhardweg aus. Wer Eberhard ist, weiss ich noch nicht, dazu wird später Zeit sein.

 

Die Haltestelle liegt mitten im Wald an der Straße. Ein Stück die Neue Straße lang, dann zurück zum eigentlichen Eberhardweg. Der erweist sich als Herausforderung. Weiß und unberührt tut er dem Auge gut, aber einsinken tust Du bis zum Knie. Bei nächster Gelegenheit biegen wir auf den Glockenwanderweg ab, der ein schönes Stück, nun nur noch wadentief eingeschneit, talwärts Richtung Deutscheinsiedel führt. Ein tief verschneiter Rastplatz bringt die Entscheidung, das Kaffeerohr noch nicht hervorzuholen ...

 

So treiben wir uns ein wenig im Dorf herum und erscheinen offensichtlich verdächtig. Denn eine Frau in Schürze kommt aus ihrer Haustür und fragt, ob ich mich verlaufen habe. Ich verneine und erkläre unsere, meine Runde (sie sieht den Maulwurf nicht). Wir wünschen uns einen schönen Tag, sie geht beruhigt ins Haus zurück und wir weiter zur Kirche des Ortes.

 

Die ist fast hundert Jahre alt, also für so ein Bauwerk fast neu. 1905 war Glockenweihe. Hier vorbeiziehende Flüchtlingstrecks 1945/46 konnten schon von Weitem den hohen, spitzen Kirchturm der Auferstehungskirche mit dem Kreuz sehen. Viele werden damals verzweifelt gewesen sein.

 

Auch heute ist die Kirche, wie immer, verschlossen. Seitlich von ihr trampeln wir uns einen Stehplatz frei, denn jetzt gibts endlich Kaffee. Es läutet kurz, sonst ist es ganz still.

 

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Schön ist dieses Land, heute wie damals. Der Liebe, der Verteidigung, der Förderung des Guten darin wert.

 

Der Vernunft wert.

 

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Zdeňka von Podiebrad wurde Sidonie von Sachsen. (Foto: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Albrechtsburg_Mei%C3%9Fen_14.JPG#mw-jump-to-license)
Zdeňka von Podiebrad wurde Sidonie von Sachsen. (Foto: https://commons.m.wikimedia.org/wiki/File:Albrechtsburg_Mei%C3%9Fen_14.JPG#mw-jump-to-license)