· 

Mensch und Maulwurf: ein Dialog (37)

Ressourcenforschung

 

Während wir am Morgen durch den leichten Sonnenschein auf einem kleinen Umweg zur Arbeit gehen, guckt der Maulwurf interessiert aus meiner Jackentasche in die spätherbstliche Welt. Heute haben wir uns deshalb für einen etwas längeren Weg entschieden, für ein paar schöne Eindrücke vorm Arbeitsbeginn. Ein paar Schneekrümel auf der Wiese, zugefrorene Pfützen. Die Luft riecht nach Winter. Herrlich.

 

Plötzlich, wir sind schon fast am Ziel, erregt etwas seine Aufmerksamkeit. 

 

Ich bleibe kurz stehen, denn jetzt will er ein Firmenschild am Wegesrand genauer betrachten, während ich einen Schluck Kaffee aus dem Unterwegs-Becher trinke. 

  

***

Kaffee!
Kaffee!

 

Maulwurf (liest laut): " Helmholtz-Institut Freiberg für Ressourcentechnologie."

Yvonne: "Ja, die haben, soweit ich weiß, hier bei uns zwei Standorte."

Maulwurf (neugierig): "Was forschen die denn? Wie man aus Holz Helme macht?!"

Yvonne (lacht): "Nee. Helmholtz ist der Name eines Arztes und Naturwissenschaftlers, Hermann von Helmholtz. Der hat im 19. Jahrhundert in Deutschland gelebt."

Maulwurf (nickt): "Und weil der so schlau war, deshalb hat man jetzt das Institut so genannt."

Yvonne: "Ja, so ähnlich Und nicht nur das hier. Da gibt's ganz viele."

Maulwurf: "Und was erforschen die hier für Ressourcen?"

Yvonne: "Also in Freiberg Minerale und Metalle, die man für die Wirtschaft braucht. Wie gewinne ich das, wie bereite ich das auf, wie arbeite ich damit, wie recycle ich Materialien, die das enthalten, um diese Bestandteile wieder neu verarbeiten zu können."

Maulwurf: "Aha. Klingt sehr interessant, ich als Maulwurf bin ja sozusagen auch ein Experte für Mineralien und Metalle, stimmt's?"

Yvonne: "Klar. Mit sehr viel praktischer Erfahrung, du kleiner Goldgräber. Das ist immer gut: das zu verstehen, was man macht..."

Maulwurf: "Wie ist das bei Dir so?"

Yvonne: "Ich arbeite immer daran. Man lernt ja nie aus."

Maulwurf: "Allerdings. Weißt Du aber eigentlich, was unsere allerwichtigste Ressource ist?"

Yvonne (nachdenklich): "Mineral oder Metall oder was ganz anderes?"

Maulwurf (aufgeregt): "Was gaaaaanz anderes....."

Yvonne (überlegt und hat plötzlich eine Idee): "Ha, ganz klar. DAS ist es, da hätte ich auch gleich draufkommen können: KAFFEE natürlich!"

Maulwurf (grinst mitleidig und etwas enttäuscht): "Hätte ich gar nicht gedacht, dass Du so eine Einfallspinselin bist. Also ernsthaft jetzt.  Überleg' doch mal: ganz, ganz wichtige Ressourcen, also Quellen für irgendwas, was könnte es da denn sehr Wichtiges geben?"

 

Yvonne denkt jetzt an wirklich sehr Vieles und sehr Verschiedenes, was man als Ressource betrachten kann: Mineral und Metall, Erdöl und Plutonium, Kartoffeln, Mais, Energie in unterschiedlichster Form, aber auch an menschliche Arbeitskraft zum Beispiel oder Ideen (wo auch immer die herkommen). An Elementares, so wie die Luft und das Wasser, was uns umgibt. Ohne das wir nicht leben, nicht forschen und auch keinen Mist erzählen könnten. Deshalb stellt Yvonne die vorsichtige Frage: "Sauerstoff?"

 

Aber der Maulwurf schüttelt ungeduldig den Kopf, guckt nun beschwichtigend. Sicher, ja, sehr wichtig - sicher, schön, schön, schön. Schließlich ist in der Luft und im Wasser Sauerstoff drin, was kann es denn noch Wichtigeres oder zumindest genauso Wichtiges geben?

 

Was ist so unabdingbar?

 

Yvonne fragt den Maulwurf. Er guckt freundlich und sagt  - ganz einfach -: "Hoffnung."

 

Dann schweigen beide eine Weile und denken über sie nach: die Hoffnung. Eine der wichtigsten Ressourcen überhaupt. Denn ganz ohne Hoffnung nützen Dir auch alle andern Dinge fast nichts, oder? Da bleibst Du trotz Wasser und Luft und allem anderen Brimborium einfach liegen und gehst an Hoffnungslosigkeit ein. Ja, so ist es. Nicht umsonst ist angeblich ja immer die Hoffnung diejenige, die zuletzt stirbt. Wir sind uns einig: Hoffung - allerwichtigste Ressource.

 

Aber auch den Kaffee nehmen wir später noch in unsere persönliche Ressourcen-Top-Ten auf. Gleich gibt es frischen...... 

 

Ob es auch ein Institut gibt, dass über die Hoffnung forscht? fragt der Maulwurf. Ich weiß es nicht, aber etwas wird es sicher in der Richtung schon geben. Aber man wisse es ja nicht und müsste das erst noch rauskriegen, hakt er nach. Und wenn es diese überaus wichtige Forschungseinrichtung tatsächlich noch NICHT gibt, dann gründen wir sie. Meint Pawel.

 

"Institut für Hoffnung / Interdisziplinäre Forschung"

 

könnte es heißen. Und dann fabulieren wir noch weiter über genaue Forschungsinhalte, wer da außer uns arbeitet, woher das Geld kommt, wie unsere Gebäude und das Firmenlogo aussehen, was in unserem Technikum für Versuche stattfinden und welche Kaffeemaschinen wir brauchen. An Ideen mangelt es uns  - wie immer -  nicht.

 

Hoffnung!

 

***

 

 

Etwas fehlt noch, klar. Der Spruch des Maulwurfs. Wir sind jetzt schon im Fahrstuhl, er muss sich also kurz fassen. "Pass auf, Mylady, unser Spruch für heute:"

 

Er hebt die linke Pfote ein wenig und spricht laut, deutlich und sehr ernsthaft:

 

"Die Hoffnung ist es, die die Liebe nährt." (Ovid)

 

Oh ja. Und nicht nur die.