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Hervorgeholt: Die Donnerhexe von Dresden

Frau Kümmel reloaded und Herr Ablinger-Sperrhacke

www.pixabay.com / photo-graphe
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Dass ich, was Hexen betrifft, etwas vorbelastet bin, weißt Du ja schon.

 

Siehe Frau Kümmel. Erst gestern trafen wir sie in Tharandt.

 

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Mit Hexen hab' ich aber auch schon Sachen erlebt. Das kann ich Dir sagen. Hier noch so ein Ding:

 

Als ich ca. fünf war, durfte ich mit nach Dresden ins Theater fahren. Ich war sehr schick angezogen (weiße Spitzenbluse, blauer Faltenrock ganz kurz, schwarze Lackschuhe) und wahnsinnig aufgeregt.

 

Gespielt wurde "Hänsel und Gretel", allerdings als Oper (Engelbert Humperdinck). Das Märchen kennt ja nun wirklich jeder. Auch, dass da eine äußerst bösartige, kannibalische Hexe vorkommt, die kleine Kinder fängt, mästet, brät und verspeist, war mir klar. Diese Person würde im Laufe des Stückes irgendwann auf der Bühne auftauchen. Vielleicht hatte die ja sogar kleine Knochen ihrer bedauernswerten Opfer als Haarschmuck. Ich war vorbereitet und hatte mich gewappnet.

 

Man macht sich ja bei sowas immer eine Vorstellung, was so passieren kann. Ich also erwartete eine alte, böse, hässliche, hinterlistige Figur. Aber in sicherem Abstand und eine, sagen wir mal, übersichtliche Person.

 

Weit gefehlt.

 

Als die Hexe auftrat, inmitten einer gruseligen Musik, donnerte es zuerst ohrenbetäubend laut. So dass ich schon erschrak und den Kopf einzog. Aber dann! Es erscholl eine furchtbare Stimme, die sehr laut sang. Und zwar eine tiefe Männerstimme. Das war sie, die Stimme der Hexe ! 

 

Ganz furchtbar.

 

Und dann kam die Hexe höchstpersönlich. Mindestens zwei Zentner schwer, zwei Meter groß und wirklich hässlich, in einem unsäglichen braun-grauen Fetzengewand.. Angeschossen auf einem fliegenden Besen, der an einem Drahtseil von links oben nach rechts unten über die Bühne führte. Dabei laut und bedrohlich singend.

 

Heute weiß ich, dass das ein Flugwerk ist. Auch damals sah ich zwar den Draht, trotzdem wirkte es alles sehr real und erschreckend. Ich saß erstarrt in meinem Theatersessel und war fassungslos.

 

"Bei dunkler Nacht, 

wenn niemand wacht, 

zum Hexenschmaus 

am Schornstein raus! 

Aus fünf und sechs, 

so sagt die Hex', 

mach sieb'n und acht, 

so ist's vollbracht, 

und neun ist eins 

und zehn ist keins 

und viel ist nichts, 

die Hexe spricht's! 

So reitet sie bis morgens früh! "

 

Die ganze Oper lang war ich von der Hexe gebannt. Nachdem ich mich von dem durch ihren ersten Auftritt verursachten Schreck erholt hatte, war alles sehr spannend und gut.

 

Trotzdem hat diese Dresdner Humperdinck-Hexe meinen Vorrat an Horrorvorstellungen über Hexen noch erweitert. Manchmal dachte ich an sie und hörte in Gedanken ihre schauderhafte Stimme......

 

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Aktuell beim Musikhören und Recherchieren stieß ich auf eine Inszenierung der Märchenoper "Hänsel und Gretel", die im Jahr 2010 auf dem Glyndebourne-Festival Aufsehen erregte. Dieses britische Festival zieht jährlich Opernfans aus aller Welt in die Stadt Glyndebourne nach Großbritannien.

 

Die Hexe wird auch hier von einem Mann dargestellt. Und zwar vom österreichischen Tenor Wolfgang Ablinger-Sperrhacke (der heißt wirklich so). Tolle Darstellung - etwas gewöhnungsbedürftig zwar, aber eindrucksvoll.

 

Sieh selbst. Eine ganz andere Hexe als damals meine. Auf andere Weise gruselig. Ich weiß gar nicht, was ich damals gedacht hätte über diese Hexe.

 

Wahrscheinlich sowas wie: "Die könnte auch mal abnehmen oder wenigstens was Besseres anziehen...." Als Mädchen hatte ich doch da sozusagen angeboren einen gnadenlosen Blick.

 

 

Willst Du mehr über das berühmte Glyndebourne-Festival wissen, dann klicke HIER.

 

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Der Maulwurf fragt, ob wir nicht für ihn auf unserem Couchtisch ein kleines Flugwerk bauen könnten. Er wäre bestimmt eine ganz großartige Hexe. Und singen kann er auch.