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Hervorgeholt: Wurzeln

Wer weit werfen will, muss auf festem Boden stehen

 

Von wem dieser Satz stammt, weiß ich nicht. Aber er ist wahr. Ohne feste Verwurzelung hält kein Baum dem Sturm stand. Und kein Mensch den Schwierigkeiten im Leben.

 

 

Oft sind es gerade scheinbar kleine, unwichtig wirkende Dinge, die uns Heimat geben und Geborgenheit empfinden lassen.

 

Eine von vielen solchen Erinnerungen ist für mich an drei besondere Gerüche gebunden, und zwar an alle zusammen. Einzeln wirkt der Zauber nicht.

 

 

Es sind der Duft von giftgrünem Latschenkiefernschaumbad, kräftig-süßem Hagebuttentee und einer speziellen Kümmelknackwurst.

 

War ich als Kind längere Zeit bei meinen Leipziger Großeltern zu Besuch, so durfte ich abends in diesem herrlichen Kiefern-Badewasser sitzen. Derweile machte meine Oma das Abendessen zurecht. Da wurde nicht gekocht, sondern es gab Wurst- und Käsebrote, mit einem Gewürzgürkchen versehen. Dazu kam eine Kanne roter Hagebuttentee auf den Tisch. Essen konnte ich, soviel ich wollte. Nie war etwas alle.

 

 

Kam ich aus der Badewanne und hatte meine Nachtsachen angezogen, dann streifte ich noch einen Pullover drüber und dicke Socken über die Füße.

 

Und dann saßen wir zu dritt am Esstisch im Wohnzimmer der Großeltern, Oma, Opa und ich. Verspeisten zufrieden unsere Bemmen. Niemals kam bei mir der Wunsch nach anderen Abendbrotzutaten auf, es war perfekt so. Es gab weder Salate, noch Joghurt oder Hähnchennuggets. Von Nudeln und Pizza ganz zu schweigen.

 

Beim Abendessen unterhielten wir uns. Leise Musik ertönte aus dem Radio. Niemals wurde während der Mahlzeiten der Fernseher angemacht. Der war erst am späteren Abend für die Nachrichten und einen Film dran.

 

 

An solchen Abenden zog der Latschenkiefernduft aus dem Bad immer ein wenig in die Wohnung hinein, wo er sich mit dem Kümmelaroma der ringförmigen, äußerst leckeren Knackwurst und der fruchtigen Süße des Hagebuttentees vermischte. Diese "Gemengelage" der Gerüche stand für Frieden, Freundlichkeit, Sicherheit, Zuverlässigkeit und Harmonie unter dem großelterlichen Dach.

 

Herbeizaubern lässt sich das auch heute noch, zumindest ein wenig.....

 

 

Was einen im Leben fest verwurzelt, das sind viele verschiedene Dinge. Solche kleinen Erinnerungen, wie ich sie Dir gerade beschrieben habe. Und andere Menschen, die uns lieben, an uns glauben. Unsere eigenen Ziele und Träume. Auch die Erfahrung, dass man schmerzlich scheitert oder persönliches Unglück erleben muss, überleben kann. 

 

 

Und dass immer wieder was Neues kommt, dem wir stabil und hoffentlich "gut verwurzelt" begegnen.

 

(Fotos aus dem Rabenauer Grund, kurz nach Ostern 2021)