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Deutschland - obdachlos

Wohnen ist ein UNO-Menschenrecht !

Screenshot (Obdachlos in Hamburg, Wohnen in der Holzhütte)
Screenshot (Obdachlos in Hamburg, Wohnen in der Holzhütte)

 

Gestern habe ich mir eine aktuelle Dokumentation "Weiblich, obdachlos, unsichtbar" des WDR über Obdachlosigkeit in unserem Land angeguckt. In diesem Film geht es speziell um obdachlose Frauen.

 

Auf dem Bild oben siehst Du eine Frau, die mit ihrem erwachsenen Sohn bis vor kurzem diese zwei Holzhütten auf einer Hamburger Straße bewohnte. Zuerst hat sie, die Mutter, ihren Job verloren. Dann war die gemeinsame Wohnung futsch, danach der Ausbildungsplatz des Sohnes. Jetzt arbeiten sie bei einer Reinigungsfirma. Eine Wohnung bekamen beide bisher nicht und waren froh, wenigstens diese Hütten zu haben. Coronabedingt mussten sie die verlassen und wurden in einem Heim für Asylsuchende und Obdachlose untergebracht.

 

Nur ein Fall von so vielen.

 

Ich habe Dir diese 45min-Reportage des WDR hier mitgebracht. Und danach paar Infos zu Wohnungs- und Obdachlosigkeit in unserem Land.

 

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Es ist meiner Meinung nach sehr wichtig, vor so etwas nicht die Augen zu verschließen, sondern hinzugucken, wie "schon länger hier Lebende" bei uns behandelt werden, wenn sie keine Lobby haben. Hamburg ist eine der Städte, die immer mit vorn dabei ist, wenn es um die Aufnahme von Wirtschaftsmigranten aus aller Welt geht. Die "Wir haben Platz"-Rufer sind hier zahlreich und aktiv. Für die eigenen Bürger legt man sich nicht so ins Zeug; warum auch. Sind ja nur Deutsche. Ähnlich ist es in Berlin und Köln, wo die beiden anderen vorgestellten Frauen herkommen.

 

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Die gezeigten Beispiele, die Frauen, der Sohn, sind mir nahe. Ich weiss, dass ich das auch sein könnte.

 

Und jetzt folgen Film und Infos:

 

 

Und hier der Täterwerkstatt-Beitrag vom November 2019: 

 

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Meldung der dts Nachrichtenagentur vom 11.11.2019 (www.dernewsticker.de):

 

"Zahl der Wohnungslosen in Deutschland stieg 2018 auf 678.000 Menschen

 

Die Zahl der Wohnungslosen in Deutschland ist einer neuen Schätzung zu Folge gestiegen."

 

Berlin (dts Nachrichtenagentur):

 

"Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft Wohnungslosenhilfe waren im Jahr 2018 rund 678.000 Menschen in Deutschland ohne Wohnung. Ein Jahr zuvor lag die Zahl noch bei 650.000 Menschen. Wie die Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Montagsausgaben) berichten, waren darunter etwa 41.000 Menschen, die ohne jegliche Unterkunft auf der Straße lebten (Obdachlose)."

 

"Gegenüber dem Vorjahr 2017 bedeutet dies einen Anstieg bei der Jahresgesamtzahl um 4,2 Prozent", sagte Werena Rosenke, Geschäftsführerin der BAG Wohnungslosenhilfe den Zeitungen. Dabei sei die Zahl der wohnungslosen Menschen ohne Fluchthintergrund mit 1,2 Prozent weniger stark angestiegen als die Zahl der wohnungslosen anerkannten Geflüchteten mit 5,9 Prozent. Beim Vergleich der Stichtagszahlen für den 30. Juni 2017 und den 30. Juni 2018 sei sogar ein noch deutlich stärkerer Anstieg zu verzeichnen, so Rosenke.

 

Demnach stieg die Zahl der Wohnungslosen zwischen Juni 2017 und Juni 2018 um 19 Prozent. Nach Angaben der BAG Wohnungslosenhilfe waren 2018 rund 70 Prozent der wohnungslosen Menschen ohne Fluchthintergrund alleinstehend, 30 Prozent lebten mit Partnern und/oder Kindern zusammen. Laut Schätzung lag die Zahl der Kinder und minderjährigen Jugendlichen bei acht Prozent.

 

Als Hauptgründe für die steigende Zahl der Wohnungslosen nannte Rosenke das unzureichende Angebot an bezahlbarem Wohnraum, die Schrumpfung des Sozialwohnungsbestandes und die Verfestigung von Armut. "Es fehlt insbesondere an bezahlbarem Wohnraum für Menschen im Niedrigeinkommensbereich, für die Menschen, die Transferleistungen beziehen und für anerkannte Geflüchtete." Alleinerziehende und junge Erwachsene seien besonders gefährdete Personengruppen, aber auch die drohende Altersarmut der "Generation der Billigjobber", der Soloselbständigen und anderer prekär beschäftigter Menschen sei besorgniserregend."

 

 

(Anmerkung von mir, da mir das auch bisher unklar war: Begriffserklärung: Wohnungslos ist, wer keine eigene Wohnung hat, aber noch irgendwo dauerhaft drin wohnt (Heim, fremde Wohnung, soziale Einrichtung). Obdachlos ist, wer kein Dach überm Kopf hat und es immer neu suchen muss (Obdachlosenasyl, Notunterkunft, Kältebus). Und Wohnen ist ein von der UNO anerkanntes Menschenrecht !

 

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Kältebus der Treberhilfe, unterwegs in Dresden....zum Aufwärmen, Tee trinken, Trösten, Helfen
Kältebus der Treberhilfe, unterwegs in Dresden....zum Aufwärmen, Tee trinken, Trösten, Helfen

 

Ich frage mich, warum es eigentlich trotz Hartz IV Obdachlose gibt.

 

Es ist zumindest theoretisch nicht richtig, wie oft gesagt wird, dass man ohne festen Wohnsitz kein Hartz IV beziehen kann. Praktisch sieht es wahrscheinlich wieder anders aus. Ich will da hier auch keinem seine Erfahrungen absprechen. Wie der Hartz IV-Antrag gestellt werden kann, auch wenn man keinen festen Wohnsitz hat, findest Du  HIER. Wie man an sein Geld kommt, ob man ohne festen Wohnsitz ein Konto eröffnen kann ? 

 

Ich selber habe keine Erfahrung mit diesem Problem machen müssen. Nie würde ich behaupten, man könne ja nur dieses und jenes tun, um Obdachlosigkeit einfach zu vermeiden. Ich stelle mir vor, wie beschämend und schlimm diese Situation für einen Menschen sein muss. Und wie schwer man an so jemanden rankommt, wenn man helfen will.

 

Denn es steht eine Geschichte hinter jedem Einzelnen. Sie waren so wie Du und ich. 

 

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Auch, wenn es Möglichkeiten gibt, ist es praktisch sicher sehr schwierig, sich behördenmäßig zu organisieren, wenn man keine feste Adresse hat.

 

Dafür gibt es Hilfsangebote. Bestimmt sind viele Leute in dieser Lage so fertig, dass sie es aus eigener Kraft nicht schaffen, sich darum zu kümmern. Einige schämen sich sicher auch, ihr Elend zuzugeben und verstecken sich.

 

So wie von Alkoholikern (und anderen Suchtkranken) haben viele Leute auch von Obdachlosen ein festes Bild: Der Alkoholiker hat keinen Job, ist ungepflegt und ungebildet, sitzt früh um acht mit ner Flasche Sangria im Park und liegt abends vollgekotzt irgendwo rum. Dass es viele Menschen gibt, die zwar zuviel trinken, aber erfolgreich einen schwierigen und gutbezahlten Job machen, eine Familie haben und ihre Verpflichtungen erfüllen - das sieht keiner. Solange es einigermaßen gut geht. Da tuschelt man zwar über die Schnapsfahne, die einer früh noch hat oder über ein heftiges Trinkgelage auf Dienstreisen. Aber solange es einigermaßen "normal" bleibt, ist es gesellschaftlich zumindest geduldet. 

 

Genauso ist es auch beim Obdachlosen. Hier sieht man, denkt man gartenzwergisch, den typischen Penner vor sich. Abgerissen, Trinker, ohne Eigeninitiative, Versager. Aber das stimmt so auch nicht. Denn hat man seine Wohnung verloren, weil vielleicht der Job weg ist, zieht man erst mal zu Freunden. Oder zu den Eltern oder Kindern. Aber auf die Dauer geht es nicht, möglicherweise gibt es Streit. Eine bezahlbare Wohnung findet man nicht (schnell genug). Dann sitzt man in kurzer Zeit auf der Straße. In einer Situation, die man sich niemals vorstellen konnte, früher. Mit Leuten, mit denen man sich nie verglichen hätte, früher. Mit einer riesigen Enttäuschung und Wut und Verzweiflung und Angst und Scham im Bauch.

 

Im Fernsehen sah ich mal eine Reportage zu dem Thema. Da stellte sich ein Mann vor, der in einem Vollzeit-Arbeitsverhältnis stand, den ganzen Tag seiner Tätigkeit nachging. Und abends "nach Hause" ins Obdachlosenheim kam. In Bayern!  Weil er mit seinem geringen Einkommen keine bezahlbare Wohnung gefunden hat. Den fand ich absolut tapfer. Er hat sich nicht aufgegeben, weiter seine Arbeit gemacht. Weiter eine Wohnung gesucht. Und dann doch endlich eine gefunden.

  

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Ich will keine billigen Stimmungsmache unterstützen.. Auch kann man nicht einen Menschen mit dem anderen vergleichen. Sicher gibt es auch unter den Obdachlosen Leute, die es schaffen könnten, wenn sie sich mehr bemühen würden und selber schuld sind. Aber dass fast 700.000 Menschen zu doof sind, eine Wohnung zu finden, das kann ich nicht glauben. Das sind ungefähr so viele Menschen, wie in meiner alten Heimatstadt Leipzig und meinem jetzigen Wohnort zusammengezählt leben. Eine unvorstellbare Menge. 

 

 

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Kritisieren muss ich in dem Zusammenhang zwei Sachen, die ich als Laie auf dem Gebiet sehe:

 

Warum wurde der soziale Wohnungsbau in den letzten Jahrzehnten so vernachlässigt ? Gerade in Großstädten und Ballungsräumen fehlen preiswerte Wohnungen. Die auch ggf. mit Hartz-IV vereinbar sind. Klar ist schon, warum. Teure, schicke Wohnungen zu bauen ist für die Immobilienbranche attraktiver. Gut wäre wieder mehr staatliches, kommunales Wohnungseigentum. Also ist die bessere Frage: Warum haben Verantwortliche in Politik und Wirtschaft das zugelassen ?

 

Warum nimmt man immer mehr Wirtschaftsmigranten (keine Verfolgten) auf, die schließlich auch irgendwo wohnen müssen und hier obdachlos werden können? Hört keiner gerne, ist aber eine einfache Rechenaufgabe. Immer wieder wird gesagt, dass diese neuen Landesbewohner den Einheimischen keine Wohnungen wegnehmen. Aber geht das eigentlich, schon mal rein rechnerisch ?

 

Eine Hilfsmaßnahme für Obdachlose ist ein Kältebus. Der fährt in der kalten Jahreszeit in den Städten herum, verteilt heiße Getränke und andere Hilfsmittel, man kann sich drin aufwärmen. Es gibt einen Rat und ein gutes Wort. Sicher auch medizinische Hilfe. Das ist eine gute Sache. Respekt gebührt den Menschen, die so einen Job machen, sich um die anderen zu kümmern. Die Kältebusse gibt es in den meisten größeren Städten, sie können angerufen werden:

 

 

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Ich werde beim nächsten Mal, wenn ich nach Hause komme, mit besonderer Freude und auch Dankbarkeit meine Wohnung aufschließen. Und froh sein, dass ich sie habe.