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Mensch und Maulwurf: ein Dialog (14)

Heute: Warum Weihnachten nicht ausfällt

 

Während wir kurz nach dem Aufstehen früh ganz zeitig beim ersten Kaffee sitzen, da merke ich, dass mit dem Maulwurf irgendwas nicht stimmt. Denn trotzdem bei uns der Wecker sehr zeitig klingelt, sind wir doch früh normalerweise beide gut gelaunt, also keine Morgenmuffel. Deshalb fällt es auf, dass der Maulwurfskollege etwas kleinlaut in der Sofaecke hockt und wenig begeistert an seinem Kaffee nippt.

 

Was ist denn da los?

 

 

Yvonne (vorsichtig): "Na, guten Morgen, liebe Sonne. Gut geschlafen?"

Maulwurf (leise): "Mojn. Ja."

Yvonne: "Und, was Schönes geträumt?"

Maulwurf: "Nee."

Yvonne: "Weißt Du schon, was bei uns heute anliegt?"

Maulwurf: "Nee." (schnüffelt leise)

Yvonne: "Sag mal, was ist denn los mit Dir?"

Maulwurf: "Bin traurig."

Yvonne: "Warum denn?"

Maulwurf: "Weil -  Weihnachten ausfällt ....." (schluchzt jetzt)

Yvonne: "WAS??? Wer erzählt denn so einen Unsinn?"

Maulwurf: "Na, das Radio. Da hat vorhin ein Politiker gesagt, dass Weihnachten, so wie wir es kennen, ausfällt. Das überhaupt nichts so wird wie sonst. Wegen Corona, weißt schon...."

Yvonne: "Du hast heute (guckt auf die Uhr) vor 05:14 schon Radio gehört?"

Maulwurf (rollt die Augen): "Klar, beim Duschen im Bad; wie immer."

Yvonne: "Ach so, ja, stimmt."

Maulwurf (vorsichtig): "Und was ist jetzt mit Weihnachten? Stimmt das so?"

Yvonne: "Nein. Vielleicht hast Du das auch nicht ganz richtig verstanden, so mit Wasser im Ohr.... Aber jetzt mal im Ernst. Klar kommen möglicherweise paar Einschränkungen auf uns zu. Aber weißt Du, solange jemand da ist, der Weihnachten feiern WILL, solange fällt es auch nicht aus. Auch im Krieg und in der bitterarmen Zeit danach, da haben die Leute gefeiert."

Maulwurf (hoffnungsvoll): "Und wie?"

Yvonne: "Na, sie haben sich einen Kopf gemacht und gesammelt und organisiert und gekratzt, damit man was hatte zum Feiern. Da gabs keine Kühlschränke und Diamantringe als Geschenk, sondern einen Apfel, paar Nüsse, paar Kohlen und ein Pfund Mehl. Vielleicht einen Schal oder ein umgeschneidertes Kleidungsstück."

Maulwurf (erstaunt): "Und keinen Entenbraten?" 

Yvonne: "Hatte nicht jeder. Vielleicht hats wenigstens für paar Buletten gereicht. Aber Hauptsache, man hatte überhaupt was zum Essen, was zum Heizen und endlich Frieden im Land. Und war zusammen. Denk mal an die ganzen Toten der Kriege. Wieviele Mütter da um ihre Kinder geweint haben, die Frauen um ihre Männer, die Kinder um die Väter..... Wie der Victor Klemperer in seinen Dresdner Tagebüchern in den 1940er Jahren schreibt, dass ein befreundetes Ehepaar der Klemperers drei erwachsene Söhne hatte. Junge Männer. Und alle drei sind als Soldaten an der Front im zweiten Weltkrieg gefallen - das musst Du Dir mal vorstellen. Wie man sich da als Mutter, als Vater, als Restfamilie fühlt.... Das man da noch selber weiterlebt, irgendwie."

Maulwurf: "Schrecklich....."

Yvonne: "Gar kein Vergleich mit heute. Also jammern wir auch nicht. Guck mal, wir werden zu Weihnachten einen Weihnachtsbaum besorgen und schmücken. Notfalls nehmen wir unseren Riesenkaktus, hängen eine Lichterkette drauf und bunte Kugeln an seine Zweige - auch schön. Ich meine nur, zur Not."

Maulwurf: "Und - das Essen??"

Yvonne: "Haben wir keinen Braten oder sowas, dann machen wir uns Eierkuchen. Einen ganzen Stapel. Oder eine Weihnachtspizza, wo wir drauflegen, was wir haben und dann alles fein mit dickem Käse überbacken....."

Maulwurf: "Klingt eigentlich ganz gut...., obwohl der Entenbraten....."

Yvonne: "Ich weiß, ist ja auch nur ein Notplan."

Maulwurf: "Gibts auch Notgeschenke?"

Yvonne (grinst): "Klar. Socken. Oder eine Kohle....."

Maulwurf (rümpft die Nase): "Pfffhhhhh......."

Yvonne (lacht): "Keine Angst, Du wirst schon was Schönes kriegen."

Maulwurf (neugierig): "Was denn? Hast Du es schon? Sag schon, na los...."

Yvonne: "Da ....wirst Du Dich noch gedulden müssen.....Sonst ist es ja keine Überraschung."

Maulwurf: "Hast recht. Und was ist mit den Omas? Kommen die zu Besuch?"

Yvonne: "Entweder sie kommen zu uns, oder wir gehen zu ihnen. Und wenn alles gar nicht geht, dann werden wir skypen, telefonieren, mit Whatsapp Nachrichten und Fotos schicken. Müsste auch mal gehn. Dann gucken wir alle 'Drei Haselnüsse für Aschenbrödel' oder so, zur gleichen Zeit. Aber eben nicht gemeinsam, sondern jeder bei sich. Dann denken wir aneinander und sind nicht traurig. Wir haben auch schon Schlimmeres erlebt."

Maulwurf: "Also freuen wir uns jetzt auf Weihnachten, ganz sicher?"

Yvonne: "Na klar, wir bunkern uns schon bissel was ein - verhungern werden wir nicht. Und gemütlich machen tun wir es uns dann mit vielen Kerzen, Lebkuchen, Kaffee...."

Maulwurf (begeistert): "Und so eine schöne Amaryllis müssen wir uns auch kaufen. Eine rote! ....Ach ja, Kaffee.....Krieg ich noch einen Schluck bitte?"

Yvonne: "Klar, hier..... Aber dann gehts ruck zuck, wir müssen was tun, es ist schließlich Woche....."

Maulwurf: "Jawohl, auf gehts!"

 

***

Yvonne: "Kleiner Klassiker noch so zum Donnerstagsstart, heute mal von mir?"

Maulwurf: "Ja, lass hören!"

Yvonne: "Pass auf:...."

 

Inventur (Dorothy Parker)

 

Viererlei Dinge sind es, die der Geist mir umzäunt:

Trägheit, Sorge, der Feind und der Freund.

 

Viererlei Dinge hätte ich gerne vertrieben:

Neugier, Zweifel, Sommersprossen und Lieben.

 

Dreierlei Dinge werden in keinem Fall mein:

Eifersucht, Zufriedenheit, ausreichend Wein.

 

Doch dreierlei Dinge hab ich im Leben dabei:

Lachen und Hoffnung und ein Schuss Zauberei.

 

 

 

 

Maulwurf (erfreut): "Genau! Lachen und Hoffnung und ein Schuss Zauberei...so gehts.....Klar feiern wir Weihnachten! Und wie!"

Yvonne: "Aber sicher. Wir schaff....äh .... ich meine, wir meistern das schon."

 

***

 

Beide gehen gut gelaunt in den Tag.

 

(Mehr von und über Dorothy Parker findest Du HIER.)

 

Man at work
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