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Kleine Seejungfrau, Krokodil Ham und Racist Fish

Über Achtung und Respekt

 

Kopenhagen ist die Heimatstadt des dänischen Dichters Hans-Christian Andersen. Als Kind gehörten seine Märchen, vor allem das über die kleine Seejungfrau, zu meinen liebsten Geschichten. Diese Meerjungfrau lebte in der beneidenswerten bunten und geheimnisvollen Wasserwelt. Sie war halb Fisch, halb Mensch und wohnte mit ihrer Familie in einem Palast am Meeresgrund. Umgeben von Korallen, Wasserpflanzen, Fischen und anderen Meerestieren. Sie verliebte sich in einen Menschen, dem sie unbedingt an Land folgen wollte. Dafür musste der Fischschwanz mit Hilfe der Meerhexe gegen Beine getauscht werden.

 

Um es kurz zu machen: die Beine bekam sie, den Prinzen nicht. Und bezahlte das ganze mit ihrem Leben. Traurig und schön.

 

Wir besaßen ein Märchenbuch mit Illustrationen der Malerin Ruth Koser-Michaëlis. Diese Bilder hatten und haben es mir angetan.

 

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Von der kleinen Meerjungfrau gibt es seit 1913 in Kopenhagen eine Bronzestatue, wo sie vom Wasser aus über das Land schaut. Viel musste sie schon erleiden in den über hundert Jahren, in denen sie hier sitzt. Zweimal wurde ihr Kopf entfernt, einmal auch ein Arm. Sie wurde mit einer Burka verhüllt, mit einem Plastepenis verunstaltet und mit diesen komischen Goldstreifen abgeklebt. Sogar im Ganzen ins Meer gekippt wurde die Arme.

 

Gestern haben Unbekannte auf ihren Sockelstein "Racist Fish" gesprüht. Weil die kleine Seejungfrau aus der Fantasie des Dänen Andersen eben eine weiße Haut hat.

 

Na und?

 

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Ich hatte auch ein Märchenbuch, wo ein Krokodil Abenteuer erlebt. Spannende Geschichte, tolle Bilder. Das afrikanische Krokodil hieß Ham und hatte viele Freunde unter Tieren und Menschen. Es war ein gutes Krokodil (deshalb randalierte es auch nicht oder zerstörte gar Denkmäler). Immer wieder las ich das Buch, bewunderte die schönen  Bilder.

 

Habe ich damals je darüber nachgedacht, welche Hautfarbe Hams Freunde oder die kleine Seejungfrau hatten? Nein. Niemand störte sich an Mohrenköpfen, -straßen und -apotheken. Sagte jemand Neger, so meinte er es nicht abwertend, sondern bezeichnete nur die Hautfarbe. Ich hatte eine Negerpuppe und viele mit heller Haut. Die Schwarze war etwas Besonderes, Schönes, Exotisches für mich. "Nigger" dagegen war ein Schimpfwort und eine Beleidigung, das war klar. Das sagte man nicht, wenn man den anderen achtete.

 

Und darum geht es auch heute: Um Achtung, um Respekt. Eigentlich.

 

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Es offenbart sich ein großes Maß an Unwissenheit, fehlender Bildung und schlichter Dummheit, wenn so mit Kulturgut und Tradition umgegangen wird. Diese Menschen, welche Statuen von Sockeln reißen, sie beschmieren - gerade die wollen die Besseren, die Aufzeiger einer gerechteren Gesellschaft sein?  Bitte.

 

Ich sehe wenig Gutes an dieser Debatte. Wieder einmal kann man deutlich sehen, wie leicht große Menschenmassen irgendeinem Hype aufhocken und - Entschuldigung - jede Scheiße glauben und mitmachen. Besonders ekelhaft finde ich die Unterwürfigkeit, die einige Verantwortungsträger zeigen. Nicht schnell genug konnte Adidas seine langjährige Personalchefin rausschmeissen, weil sie sich der "antirassistischen" Personalpolitik nicht anpassen wollte. Nicht schnell genug können Straßennamen geändert werden. Nicht zu affig ist es, über Rastafrisuren bei Weißen zu diskutieren, ob die überhaupt solche Haare haben dürfen - egal.

 

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Bevor ich mich ärgere, trinke ich jetzt lieber einen Kaffee. Und zwar schwarz, wie immer. Und dazu esse ich einen Mohrenkopf. Und dabei gucke ich mir ein schönes Bild der kleinen Seejungfrau an, aus friedlicher Zeit. Basta.

 

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Fazit

 

Mir scheint, je krampfhafter man sich bemüht, Rassismus abzuschaffen, desto mehr schwinden gerade Respekt und Achtung voreinander. Und außerdem geht jede Verhältnismäßigkeit verloren. Wo Unwissen und moralische Geltungssucht zusammentreffen, wird es immer schwierig. Vor allem für die Klügeren, die sich gegen den rechthaberischen, dumpfen Mob wehren müssen.

 

Achtung und Respekt! Vor den anderen. Vor sich selber (mein Reizthema Knien in der Öffentlichkeit). Vor Tradition und Kultur. 

 

Und vor der kleinen Meerjungfrau.

 

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