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Der kleine König Dezember

Königliche Geschichte von Axel Hacke und Michael Sowa

 

Stell Dir vor, Du triffst abends einen winzigen König in Deiner Wohnung. Er ist nur fingerlang, sehr fett und isst gern Gummibärchen. Der König heißt Dezember der Zweite und ist klug, freundlich und manchmal ein wenig cholerisch.

 

Du kommst mit ihm ins Gespräch, erfährst etwas über die kleine Königswelt und erzählst von Dir. Man staunt übereinander. Freut sich und wird neugierig, erlebt die Welt gemeinsam.

 

Also, ich wäre begeistert von so einem Besuch. Aber ich hab ja den Maulwurf. Mit einem zusätzlichen König wäre ich wahrscheinlich überfordert.

 

Lass uns also in das tolle Buch von Axel Hacke, illustriert von Michael Sowa, hineinschauen:

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"Ich hatte einmal eine Zeit, in der ich oft traurig war, so traurig, dass ich abends, wenn es dunkel wurde, allein durch die Stadt ging und froh war, wenn es regnete. Alles war düster und nass in den Straßen, und meine Traurigkeit spiegelte sich in den Pfützen, und dieses Spiegelbild tröstete mich. Ich fühlte mich dann nicht so allein. Wenn ich genug herumgegangen war, kletterte ich wieder die alte Holztreppe in meine Wohnung hinauf und setzte mich auf einen Stuhl. Einmal, als das so war, kam aus dem kleinen Spalt zwischen Bücherregal und Wand der König Dezember hervor und sagte: »Wo warst du?« »Ach…«, sagte ich. »Und wie geht es dir?« Ich sagte: »Aaaaach…« »Was willst du jetzt tun?« »Schlafen«, sagte ich. »Komm noch ein bisschen zu mir«, sagte der König Dezember."

 

 

"Kannst du mir was aus deinem Land erzählen?« Als er mich zum ersten Mal besuchte, sagte ich: »Bei uns wird man klein geboren, und dann wird man größer und größer, manchmal so groß wie ein Basketballspieler. Zum Schluss schrumpft man wieder ein bisschen ein. Dann kommt der Tod, und man ist weg.« »Das ist unlogisch«, sagte der kleine König und biss dem Bärchen die rechte Pfote ab.

 

»Warum ist man nicht am Anfang ganz groß und wird immer kleiner und kleiner und verschwindet zum Schluss – einfach, weil man unsichtbar ist?« »Ich glaube, der Bundesverband der Bestattungsunternehmer ist dagegen«, sagte ich. »Bei uns ist es aber so!«, sagte der König. »Mein Vater, König Dezember I., war eines Tages so klein, dass ihn sein Diener morgens im Bett nicht mehr finden konnte. Noch am selben Tag wurde ich zum König gekrönt."

 

"Ja, aber wie kann man denn groß geboren werden?«, fragte ich. »Irgend jemand muss einen im Bauch haben vorher, und eine Mutter kann nicht kleiner sein als das Baby!« »Im Bauch haben?«, sagte Dezember. »Höhö! Ich bin eines Morgens in meinem Bett aufgewacht und dann zur Arbeit ins Prinzenbüro gegangen, ganz einfach. Im Bauch haben! Blödsinn! Man wacht auf, und los geht’s.« »Und wie kommt man in das Bett?«, fragte ich. »Warte mal«, sagte der König, »… ich glaube…, also ein König und eine Königin … ähm … wie? war? das? … Ich hab’s vergessen! Ich bin schon so klein, weißt du. Hab’s vergessen. Es war sehr schön, das weiß ich noch.« Er kicherte leise und biss wieder in sein Bärchen."

 

Willst Du nun wissen, wie Könige in ihr Bett kommen - dann musst Du die ganze Geschichte lesen oder hören. Das komplette Hörbuch findest Du am Artikelende, gut gelesen vom Autor. Etwas zu diesen Vorgängen verrät ein Bild:

 

 

Dezember will natürlich nicht nur im Haus sitzen. Versteckt in der kleinen Einstecktuchtasche des Sakkos darf er mit. Vielmehr befiehlt er es, schließlich ist er ein König. Sein Freund erklärt im die Welt:

 

"Wenn wir an einer Schneiderei vorbeikamen, sagte ich, dies sei eine Schneiderei, und beschrieb, was ein Schneider tut. Sahen wir eine Bäckerei, sagte ich, dies sei eine Bäckerei, und erläuterte, wie ein Bäcker arbeitet. Gingen wir an einem Geschäft vorbei, in dem es Lederpeitschen für Männer gab, zeigte ich auf die andere Straßenseite und sagte, das da drüben sei ein Tapetenfachgeschäft, und erklärte, was eine Tapete ist."

 

 

"Wir sahen zum Beispiel den kleinen, alten Mann, der immer einen Pudel an einer Leine spazierenführt, und der König sagte: »Jetzt will er ihn wieder umbringen.« »Bitte, wie?«, fragte ich. »Er versucht wieder, den Pudel umzubringen. Weißt du, der alte Mann ist seit 52 Jahren mit derselben Frau verheiratet. Sie leben in einer kleinen Wohnung, und sein Lieblingsessen ist Knödel mit Soße. Wenn er eine Zigarette will, muss er in der Küche bei offenem Fenster direkt vor dem Aschenbehälter des Ofens rauchen, weil sie es so verlangt. Wenn er den Lottoschein ausfüllt, muss er die Zahlen ankreuzen, die sie sich wünscht; das Datum ihres Hochzeitstages gehört auch dazu. Und wenn er im Bademantel auf dem Sofa liegen möchte, um das Tapetenmuster auswendig zu lernen, kommt ihre Freundin zu Besuch.

 

Am liebsten würde er seine Frau töten. Aber das traut er sich nicht, und außerdem kann er keine Kartoffelknödel machen. Deshalb versucht er jeden Tag aufs neue, den Pudel umzubringen – es ist ihr Pudel. Er hat ihn schon in die Isar geschmissen, aber das Tier kletterte auf einen treibenden Ast, und die Feuerwehr rettete ihn bei Oberföhring. Ein anderes Mal warf er ihn vom Alten Peter hinunter, doch der Pudel bekam plötzlich Flügel und segelte fröhlich bellend zu Boden. Schließlich hat er ihn im Park vor dem Patentamt festgebunden und dort stehenlassen. Aber jemand hatte sich gerade eine Pudelrettungsmaschine patentieren lassen, und damit war es ihm ein leichtes und eine Verpflichtung, das Tier nach Hause zu bringen. Doch der Mann gibt nicht auf, denn sein Hass ist groß, und andere Möglichkeiten hat er nicht.«

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Bist Du jetzt auf den Geschmack gekommen, dann lass Dir doch die ganze Geschichte vorlesen. Es lohnt sich, versprochen.

 

 

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Um das noch klarzustellen: der Maulwurf und ich, wir haben nichts gegen Pudel.